Im siebten Burgunder-Himmel - die zweite

Am ersten Samstag im Februar 2012 trafen sich fünf Weinnasen im schönen Warstein, um alte Burgunder zu trinken. "Eine Super-Granate und einen spannenden Wein dazu" - das war das verabredete Gepäck, das jeder dabei haben sollte. Aus diesem Grund waren die Erwartungen hoch. Und - soviel kann man sagen - sie sind nicht enttäuscht worden. Klar: bei so alten Gesellen kommt man um eine gewisse Ausfallquote nicht herum. Und so performten zwei der potenziellen Stars leider deutlich unter ihren Möglichkeiten. Dafür entführte uns der zweite - von drei - Rotweinflights in Jahrhundertwein-Sphären und damit nahe an die Perfektion. Die phänomenalen Weißen darum herum taten ihr übriges, um diesen Abend zu einem klaren Jahres-Highlight zu machen. Alle Weine wurden blind ausgeschenkt. Zu den Weißweinen gab es eine Lauch-Quiche, zu den Roten ein sauisch leckeres Geflügel-Ragout mit Morcheln, Spargel und Flußkrebsen.

Zum Aufwärmen gab es Champagner:

Perrier-Jouet - Champagner "Belle Epoque" 1985
Der 85er scheint - auch nach Einschätzung des Weingutes - der beste jemals produzierte Belle Epoque zu sein. Somit ist die Meinung der Jungs, die Mitte Januar bei der 85er-Probe dabei waren, auch nicht ganz abwegig, dass der 85er Belle Epoque klar besser sei als Dompi, Cristal und auch Krug aus gleichem Jahr. Das ist doch mal eine Ansage.
Am meisten hat mich an diesem Wein beeindruckt, wie stark er im Glas aufgedreht hat.
Dunkles Goldgelb. Duftig, komplex. Baut im Glas enorm aus und wird über mehr als eine halbe Stunde kontinuierlich besser, meint: expressiver, üppiger, komplexer. In der Nase Nüsse, Äpfel, ätherische Würze. Dazu eine wunderbare, beerige Frische. Ganz leichte erdige Aromen. Am Gaumen schlank aber sehr lang, geschliffen. Tragende Säure. Dieser Champagner hat von allem das Quäntchen mehr, das einen Weltklasse-Wein ausmacht. Ich würde mich nicht wundern, wenn der sich noch sehr lange halten würde. Schade, dass die Gläser so schnell leer waren. Absolute Weltklasse. (96)

Flight 1 - Weiss

Joseph Drouhin - Montrachet "Marquis de Laguiche" Grand Cru 1986
Goldgelb. In der Nase viel Apfel. Aromatisch dem Belle Epoque sehr ähnlich. Dazu Walnuß, Karamell, dezente Würze, tolle Fruchtsüße. Sehr expressiv, sehr komplex. Am Gaumen erstaunlich dicht. Erst meint man, da käme nichts, aber dann entfaltet sich eine tolle, extrem feingliederig verwobene Länge, die gar nicht mehr aufhören will. Grip vom Feinsten. Tolle Balance. Cremig. Leichtes Pfefferl. Wunderschön gereifter, weisser Burgunder. Lecker! (94)

Bonneau du Matray - "Corton Charlemagne" Grand Cru 1985
Farblich deutlich heller als der Montrachet. Geniale, bei aller Üppigkeit phänomenal geschliffene Nase. Leicht minzige Kräuternoten. Pfirsich, Marille, Vanille. Wunderbar frisch. Die Nase ist so expressiv, das man das Glas fast auf dem Tisch stehen lassen kann und trotzdem das volle Buket abbekommt. Am Gaumen stramme Säure. Tolle Balance, schöne, frische Mineralik. Sehr, sehr lang.
Nach den Rotweinen nochmal nachprobiert: Die Nase ist nochmal komplexer geworden und hat feine Zitrusnoten dazu bekommen. Unglaubliche, geschliffene Länge. Der Gaumen hat weiter an Statur zugelegt. Ein Traumwein, der noch locker ein bis zwei Pünktchen zulegen kann. (96+)

Fortsetzung folgt...

Wunderbar!
Überleg mal ob du die VKNs nicht in die Datenbank stellen möchstes

Kann ich beizeiten gerne machen....

Flight 2

Leroy S.A. (Maison) - Gevrey-Chambertin 1964
Ältliche Anmutung. Bräunliche, trübe Farbe. In der Nase viel Malz, Kräuter, ziemlich eindimensional. Am Gaumen noch schöner als es die Nase vermuten lässt. Etwas breit, leichtes Bitterle. Gar nicht so schlechte Länge. Erstaunlicher Druck. Der war zwar vor 20 Jahren mit Sicherheit besser, präsentiert sich aber nicht so tot wie man meinen könnte. (88)

Domaine Paul Compain - Clos Vougeot 1964
Sehr duftig. Schöne duftige, kräuterige Frische. Erdbeere und Himbeere. Die Nase kriegt was Dropsiges aber auch Nüsse und Kaffee. Am Gaumen noch ordentliche Substanz und Länge. Etwas verbrannt, deutliche Säure. Der Wein wirkt etwas gezehrt und alles in allem artifiziell. (87)

Flight 3

Vandermeulen - Vosne Romanée 1947
Wie auch schon der 55er im Sommer letzten Jahres hatte dieser Wein auf allerhöchstem Niveau ein Problem: seinen Flightpartner. Sehr dunkles, dichtes Rot mit einem ganz leichten Braunstich, das den Weingreis nicht verrät. Sensationell dichte Nase. Erdbeere, etwas Malz, Torf, Nüsse und Karamell. Samt und Seide. Am Gaumen jugendliche Kraft, tragende Säure. Wunderbare Frucht, gigantische Länge. Sehr schöner Schmelz, wobei er, wie der 55er auch, hinten raus (noch?) etwas ungestüm wirkt. Mit der Zeit wird die Nase kräuteriger und ätherischer. In Summe ist der Vandermeulen ein Hammer. Viel besser, genussvoller und trinkiger gehen alte Weine nicht. (97)

Andre Guy - "Echezeaux" Grand Cru 1947
Deutlich heller als der parallel getrunkene 47er Vosne Romanée. Sehr eigenständige Nase: rote Beeren, Erdbeere, viel Holunder-Blüte. Kräuter. Kandis. Etwas Jod. Sehr expressiv. Dicht, elegant. Am Gaumen knackige aber gut eingebundene Säure, die dem Wein noch ein langes Leben bescheren wird. Kaum enden wollende Länge. Perfekt balanciert. Da gibt es nichts zu meckern, das ist spielend Weltklasse. Dafür lasse ich jeden Bordeaux ohne Reue in der Ecke stehen. Mit der Zeit entwickelt sich in der Nase eine feine Schwarztee-Note, dazu ein bißchen Kaffee. Am Tisch wurde philosophiert, ob das jetzt 98, 99 oder 100 Punkte sind. Letztendlich ist das aber wurscht. Ein Traum. Danke Dieter!! (98)

Fortsetzung folgt...

Ein Traum. Danke Dieter!! [b](98)

Fortsetzung folgt...

Lieber Oliver,
danke für das Danke, aber da ist schon auch immer viel Glück dabei, dass eine alte Flasche so funktioniert. Ein Traum war der ganze Abend, deswegen wird das ja auch sicher wiederholt! Danke dir für die herrliche Quiche, den VR 47 und allen anderen für den extrem hedonistischen Abend! Da muss dieses Jahr in der Tat erstmal was gegen anstinken können...

Liebe Grüße und danke für die Notizen!
Dieter

Ein Traum war der ganze Abend, deswegen wird das ja auch sicher wiederholt! Dieter

Hi Dieter,

das sollten wir auf jeden Fall angehen. Ich freue mich jetzt schon

Viele Grüße,

Oliver

klingt nach einem wundervollem erlebnis....wow !

ps.: wo/wie habt ihr diese tollen flaschen zusammenbekommen ? auktionen ?

Flight 4

J. Henry Remy - "Latricières Chambertin" Grand Cru 1937
Sehr helles, trübes bräunliches Rot. Dichte Nase, leicht gemüsig. Banane, rote Beeren. Schöne Komplexität und schöne Frische. Nach einigen Minuten zieht über dem Wein leider eine chemische, in Richtung Urin gehende Note auf, die den Genuss dann doch deutlich trübt. Am Gaumen direkt nach dem Einschenken gut aber nicht zum Totlachen. Die Nase entwickelt sich weiterhin ungut. Schade. Die ersten Minütchen waren gut. (87)

Ohne Erzeuger-Angabe - Corton 1947
Hier hätte man deutlich mehr erwarten dürfen, hatte der Wein doch vor einiger Zeit eine Krähling-Probe klar dominiert und diverse hochwertige Premiers aus Bordeaux incl. Chevis aus guten Jahren auf die Plätze verwiesen. Diese Flasche wollte aber offenbar nicht so richtig.
Deutlich dunklere Farbe als der Remy. Klar. Der Wein riecht sehr reif. Rote und blaue Beeren. Weihrauch. Schnippelbohnen (!). Irgendwas Unsauberes hat er. Am Gaumen schöne Struktur. Gute Länge. Zwischendurch scheint der Wein im Glas zuzulegen, wirklich zünden will er aber nicht. Ich hatte den Eindruck, dass hier ein schleichender Kork oder ein anderer Weinfehler im Spiel war, der den Wein zwar nicht komplett gekillt uns aber dann doch das wahre Potential vorenthalten hat. Schade. (90)

Als erfrischenden Schluss-Spurt gab es noch einen weißen Klassiker:

Domaine des Comtes Lafon - Meursault "Perrières" Premier Cru 1992
Goldgelb. Üppig. Plakativer als die zu Beginn getrunkenen Weißen. Nuss. Vanille. Honig. Riecht sehr jung. Am Gaumen sensationeller Druck. Leichtes, aber belebendes Bitterle. Ananas. Phantastische Mineralik. Mit der Zeit sehr schöne Zitrus-Note. Vor allem der direkt Vergleich mit dem Corton Charlemagne ist sehr spannend. Denn auch wenn der Meursault sehr, sehr gut ist, unterstreicht er - für mich - vor allem den genialen Schliff und die fast Laser-hafte Präzision des Bonneau du Martray.
(95)

Das wars....

Hi Marko,

wir hatten ganz unterschiedliche Quellen. Die weißen kamen meines Wissens ausschließlich von Händlern, ein Teil der Roten von Raritäten-Händlern. Lustigerweise war die Quelle für die beiden 47er Granaten eBay. Man kann dort also durchaus gut kaufen, wenn man einen vertrauenswürdigen Verkäufer hat oder seine Quelle optimalerweise sogar kennt.

VG

Oliver

Lustigerweise war die Quelle für die beiden 47er Granaten eBay.

Hallo Oliver,
hast du gesehen, dass vorgestern der Vosne Romanée 1947 mit relativ gutem Füllstand für gut 160 € wegging? Ich hoffe, du warst das auch.
Ãœbrigens, meinen 47er hatte ich doch damals noch subskribiert oder?

Bis bald,
Dieter