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"Altweinprobe" im Tessin

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argentum

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"Altweinprobe" im Tessin

BeitragSo 12. Feb 2012, 23:57

Am Freitag hab ich mich wieder mal auf den Weg in meine südliche Heimat gemacht: das Tessin. Einwunderbarer Flecken Erde am südlichen Zipfel der Schweiz, in welchem unser Familienhaus mit einem heimeligen Cheminee steht.

Als ich dann meinen Freund Massimo anrief, meinte der: "perfekt, du kommst gerade richtig, wir wollen am Freitag Abend ein paar alte Weine degustieren." Ob ich denn etwas mitbringen könne wollte ich ich wissen, worauf mir entgegnet wurde, dass ich einfach kommen solle, Wein sei genug da, man wolle nur sehen wieviel davon noch trinkbar sei...

Gesagt getan kam ich am Freitag Abend in Chiasso an und wurde abgeholt - perfekter Service unter Freunden ;-) Auf jeden Fall gings dann ab ins "la Meridiana", welches schon so oft das Stammlokal verschiedener Degustationen war. Als ich in den Saal trat war ich dann doch etwas erstaunt, als ich die Flaschenbatterie auf dem Tisch sah. "Das sollen alte Weine sein, von denen man nicht mehr weiss, ob sie noch trinkbar sind?", war die Frage an meinen Freund. "Ja", war die knappe Antwort.

Auf dem Tisch in einer Reihe präsentierten sich:

Talbot 1982

Im Glas ein dunkler Kern, tiefdunkles Rot funkelte im Glas. In der Nase Zigarre, Rauch, Leder und dunkle Frucht. Am Gaumen wieder rauchig-tabakig, sehr dicht und mit packenden Tanninen. Schöner Wein mit guter Länge.

Clarke 1986

Ja, der kleine Wein... Aber so klein war er dann doch nicht. Dunkles Rot, nur geringer Wasserrand. Wirkte in der Farbe jugendlich, was er auch in der Nase bestätigte. Rotfruchtig entstieg der Duft dem Glas. Am Gaumen schöne Reifenoten. Unterholz, Tabak, Rauch und Leder. Gute Länge und auch hier wieder schöne stramme Tannine.

Malartic-Lagraviere 1985

Dieser Malartic hatte wiederum eine tolle Farbe. Rubin. Wirkte gereift. Schöne Würze in der Nase, Tabak auch hier, ein kleiner Rest an Sauerkirsche. Am Gaumen präsente Säure, Tannie abgeschmolzen und diese Cabernetsüsse, die ich an gut gereiften Bordeaux' schätze. Nicht zu langer Abgang, aber mehr wie gefällig

Grand Puy Lacoste 1991

Ja, gemäss Literatur ein kleines Jahr, dieses 1991. Was ich zu sehen, riechen und schmecken bekam liess mich jedoch die Literatur vergessen. Ein Riese wird er nicht werden dieser GPL, aber er hatte eine dunkle, feste Farbe. Und das, was ich als Paulliac-Nase kennengelernt habe, in den wenigen Malen, in denen ich den Weinen dieser Apellation begegnet bin. Grüne Pepperoni, rote Frucht, Rauch und wieder Tabak. Sehr straff von den Tanninen gehalten, aber nicht unangenehm. Kurz im Abgang, erdig, wenn man das so sagen kann.

La Louviere 1990

Dieser Wein hat mir gezeigt, was die Leute unter dieser Pessac-Eleganz verstehen. Sehr reife Farbe, die schön durchscheinend war. Wunderbare Nase, nach Waldboden, Tabak, Zedern und etwas balsamisch. Im Gaumen schöner Druck, gute Dichte mit etwas (Todes?)süsse. Schöner Extrakt mit schwarzen Kirschen.

Angelus 1982

Dieser Wein machte mir Angst alsdass ich ihn im Glas hatte. Ins Orange überscheinendes Rubin, das von einem sehr reifen Wein zu erzählen schien. Ich weiss, für einen Duft eine komische Umschriebeng, aber mein Empfinden war: süss... Das was man eben als Todessüsse bezeichnet. Der Duft himbeerig, aber auch mit viel balsamischem durchzogen (Eukalyptus?), Zeder. Am Gaumen dann völlig weggeschmolzene Tannine, massig süsser Extrakt. Gute Länge.

Margaux 1987

Für mich die Nase des Abends. Immer noch dunkel und fest in der Farbe. Die Nase war betörend, mit Tabak, Rauch, Unterholz, reife dunkle Frucht. Der Gaumen stand wie eine Eins mit Tanninen die immer noch ihre Ecken und Kanten hatten sowie eine gutstützende Säure. Darin dann wieder schwarze Kirsche, Tabak und dieser Waldboden im Sommer nach einem Gewitter. Wünderschön und für mich die Bestätigung, dass diese Appelation als ganzes mir einfach gut gefällt wie auch der namengebende Wein.

Sassicaia 1989

Immer noch dunkle Farbe mit aufhellendem Rand. In der Nase minzig-frisch mit etwas würzig-garrigueähnlichem. Rote Frucht. Am Gaumen mittel, aber nicht unangenehm. Sehr von tertiäraromen geprägt, die Frucht in den Hintergrund drängend. Gute Tannine, die perfekt integriert sind und eine gut stützende Säure. Mehr Bordeaux wie Italien.

und dann kam Pierino und setzte noch einen Flasche Leoville Las Cases 1982 auf den Tisch, den ich via iPhone-Notiz schonn erwähnt habe. Hier nochmals die überdachte Version meiner Wahrnehmung:

Eine enorme dichte, dunkle jugendliche Farbe, fast schwarz in der Mitte. Die Nase barst mit dunkel-konzentrierter Frucht, liköriger Dichte, Gewürz und frischer Minze/Zeder aus dem Glas. Am Gaumen entfaltete sich eine tolle Säure, mit knackig-festen Tanninen, die dem Wein genau die richtige Struktur verliehen. Dieser Las Cases war sehr Monolithisch wie aus einem Stück gemeisselt. Ein sehr grosser Wein mit einem enorm langen Nachhall. Je länger der Wein offen war umso mehr trat noch Bleistift hervor und die dunkle Frucht nahm von Minute zu Minute zu. Ein wirklcih tolles Beispiel eines grossen Bordeaux.

Dazwischen gab es, um den Gaumen etwas zu entlasten etwas Weisswein, den ich auch nicht vorenthalten möchte:

Muskovac Corton Charlemagne 2002

Dunkles Goldgelb. In der Nase Honigmelone, würzig-metig eine Nase die beständig ihr Spektrum wechselte und mit viel Komplexität auftrumpfte. Am Gaumen viel Extraktsüsse. Ananas, Limone, Grapefruit. Gute Mineralität die dem Wein eine schöne Salzigkeit verlieh. Lang im Abgang, der haften blieb.

Pavelot, Pernand Vergelesses Sous Fretille 2007

Helles gelb. Schöne Nase nach Limette. Wunderbar mineralisch am Gaumen, der Lust auf mehr macht. Nicht ewig am Gaumen, aber ein schöner Chardonnay.
Gruss
Philipp

http://www.pinotphil.tumblr.com

In vinum veritas - lassum bev amo ün

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