....gestern Abend im Glas....
1992 Tiziano vom Weingut Rietine (Gaiole)1994, bei meinem ersten Besuch in der Toskana, am Weg ein Schild zu einem Weingut entdeckt, kurzerhand abgebogen, hingefahren, einen netten Schweizer, der sich hier - nach eigenen Angaben - seinen "Traum" erfüllt hat, kennengelernt, einige Weine verkostet und auch gekauft. Das Weingut hieß damals (und heute noch) Rietine (kann man "Googeln), der Wein hieß Tiziano und wird auch heute noch produziert.
Warum ich das schreibe? Nun, gestern Abend hatte ich meine letzte Flasche Tiziano aus dem Jahrgang 1992 (!) im Glas. So etwas ist immer (wir wissen es) ein Spiel der Überraschungen. Der Wein ist eine Cuveé aus Sangiovese und Cabernet Sauvignon (damals als Vino da Tavolo etikettiert, heute läuft er als I.G.T.), mit 13,0 % Alkohol.
Ich konnte selten mit dem Ausdruck "wow", der in manchen Weinbeschreibungen von Michael Pronay immer wieder vorkommt, etwas anfangen. Seit gestern weiß ich, was er damit zum Ausdruck bringen wollte. Auch für meine Frau und mich war das ein "wow"-Weinerlebnis.
Alterungsnoten, nach dem ersten vorsichtigen Versuch, die Nase in das Glas einzutauchen, keine vorhanden (meine Frau hätte dem Wein maximal 5 Jahre gegeben). Farbe, noch immer kräftig, nur an den Rändern ist schon ein zartes Violett erkennbar. In der Nase (ich traute mich nicht zu dekantieren, es war zum Glück auch nur ganz wenig Satz vorhanden) eine wunderschöne Mischung aus schwarzen Beeren, der CS kam mit seinen Cassisnoten hervor, der Sangioves mit Veilchenduft. Diese Duftnoten waren auch wirklich nachvollziehbar und nicht nur dem Wissen um die Rebsorten heraus geschuldet. Am Gaumen dann wieder diese starken Beerennoten, eine schöne Struktur, reife, mollig und gut eingebundene Tannine, kräftig und konzentriert. Extrem viel Trinkspass, der mit den verschiedenen dazu gegessenen Käsen, schwarzen Oliven und etwas Bergschinken noch vergrößert wurde. Der Wein blieb auch im Abgang noch recht lange am Gaumen haften.
Und warum ich das alles schreibe? Notizen, Eindrücke über einen 22 Jahre alten Wein, den kaum noch wer im Keller haben wird. Ganz einfach, weil dieser Wein, dieses Trinkerlebnis für mich persönlich wieder die Bestätigung dafür war, warum ich mir vor vielen Jahren einen kleinen Weinkeller zur Lagerung gekauft habe, obwohl ich damals von einigen Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen und sogar meiner Frau, etwas "ungläubig", "verrückt" oder vielleicht sogar "versnobt" betrachtet wurde
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