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Zeitenwende im Piemont?

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Trinkfreude

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Zeitenwende im Piemont?

BeitragFr 22. Jul 2016, 09:28

Liebe Piemont-Fans,

der eine oder andere hat sicher schon gelesen, dass Vietti vor kurzem an einen amerikanischen Unternehmer verkauft wurde. Antonio Galloni hat dazu auf vinous einen Artikel geschrieben, der diesen Schritt und seine Konsequenzen sehr kritisch kommentiert:

http://vinous.com/articles/the-end-of-t ... e-jul-2016

Ich zitiere nur mal zwei Passagen vom Beginn und Ende des Textes (es steht noch erheblich mehr drin):
The recent sale of Vietti to American investor Kyle Krause is one of the most shocking events I have seen in twenty years of visiting Piedmont and nearly thirty years of buying and drinking Vietti wines. For decades, Vietti has marketed itself as the standard bearer of artisan Piedmontese values – multi-generational family ownership, tradition and an attachment to the land.
Anyone who tells you nothing has changed is delusional. Everything has changed. Forever. This sale opens the door for further acquisitions, which will in turn drive up land prices further and ultimately make wines more expensive, all while widening the gap between truly artisan, family-owned wineries and more corporate estates with deep pockets.
Galloni hat nun sicher eine sehr spezielle Perspektive, da das Piemont die Region ist, der er emotional am stärksten verbunden ist, daher ist seine geradezu dramatische Kommentierung nicht verwunderlich. Aber es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass dies möglicherweise nur der erste Schritt eines weitreichenden Strukturwandels ist.

Mich würden Eure Gedanken dazu interessieren.

Viele Grüße
Jürgen
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olifant

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragFr 22. Jul 2016, 10:12

Überall wo viel Geld ins Spiel kommt sind derartige Entwicklungen schon als normal an zu sehen, oder?

In der Toskana sieht es doch auch nicht anders aus - in der Toskana inzwischen zwar viele In- und Ausländische Investoren und Kooperationen am Werk, dennoch ist das Gebiet noch immer von Italienischen Produzenten, bzw. Investoren dominiert, bzw. geprägt. Die meisten ausländischen Winzer / Produzenten die sich in den 80ern und 90ern engagiert haben und geblieben sind haben durch das Drehen an der Qualitätsschraube zwar auch zu einer Anhebung des Preisniveaus beigetragen, aber nicht zu einer Entwurzelung des Weinbaues.

Aufgrund der Verwurzelung der meisten Winzer in der Region und Tradition erwarte ich keine umgreifenden Änderungen im Piemont. Auch an der Qualitätsschraube kann wohl anders als in der Toskana im Piemont wohl nicht mehr so viel gedreht werden wie einst in der Toskana. Die Preise steigen hier auch so ... entscheidend wird evtl. sein, wie hoch bei derartigen Unternehmungen der shareholder value ausfallen soll.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
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EThC

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragFr 22. Jul 2016, 10:45

Ich denke, es ist schwer, so etwas zu generalisieren. Man kann da jetzt sicher positive wie negative Beispiele für's Piemont und ganz Italien aufzählen.
Mein erstes Negativ-Beispiel in Italien war Teruzzi & Puthod, deren Weine ich vor vielen Jahren immer gerne genossen habe. Dem Gut ist der Verkauf in eine Konzernstruktur (gehört derzeit zu Campari) qualitativ aus meiner Sicht überhaupt nicht gut bekommen. Z.B. hat der "Terre di Tuffi" immer noch einen guten Ruf und der ist anscheinend auch nicht kaputtzukriegen. Seit bestimmt 15 Jahren ist der Wein aus meiner Sicht reichlich belanglos geworden und die 15 Euronen absolut nicht (mehr) wert. Aber das Zeug verkauft sich anscheinend dennoch nicht schlecht.

Aber von einem generellen Umbruch würde ich da (noch) nicht sprechen. Im Piemont wie in der Toskana, aber auch in Südtirol und im Rest Italiens sind es vor allem personengeführte Weingüter, die die Trends bestimmen. Die großen (Konzern-) Marken folgen dem eher, setzen aber in der Regel keine eigenen Zeichen (mehr).

Und bei Vietti muß sich zeigen, wer da künftig im Weinbau die Weichen stellt. Verhält sich der Investor relativ still, kann das für das Gut ja recht positive Folgen haben. Falls die Einflußnahme bedeutend, die Erfahrung der Einflußnehmer aber unbedeutend ist, sähe es eher schlecht aus. Hoffen wir das Beste, aber die Skepsis des verlinkten Artikels ist schon berechtigt...
Viele Grüße
Erich

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UlliB

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragFr 22. Jul 2016, 13:07

Zu Vietti ist zu sagen, dass hier auch schon in den letzten Jahren (d.h. noch unter Familienbesitz) die Preise für die Einzellagen-Barolo außerordentlich hoch waren und sich im Gebietsvergleich am obersten Anschlag bewegten. Ich sehe da für den Investor kaum Spielräume, noch etwas draufzusatteln - es sei denn, das ganze Gebiet dreht nach oben ab.

Ansonsten würde ich den Ball mal flach halten. Die Übernahme einiger weniger Erzeuger im Burgund durch Kapitalgesellschaften hat bislang auch dort nicht dazu geführt, dass sich in einer Art Domino-Effekt nachfolgend die Besitzstruktur flächendeckend geändert hat. Die Kleinteiligkeit des Besitzes macht hier ebenso wie im Piemont die Übernahme durch Unternehmen, die in erheblichen finanziellen Größenordnungen zu denken gewohnt sind, nicht gerade reizvoll. Da ist Bordeaux mit seinen gewachsenen Riesenstrukturen nach wie vor attraktiver.

Gruß
Ulli
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Vertigo

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragFr 22. Jul 2016, 16:07

Ich muss gestehen, dass ich hier deutlich auf der skeptischen Seite stehe. Ich habe meine Reisen ins Piemont immer sehr genossen u.a. gerade deswegen, dass die Leute mehr Weinbauern als Weinverkäufer, -investoren o.ä. sind. Ich kann nicht beurteilen, ob der Verkauf von Vietti hier alles verändern wird, aber er ist zumindest ein Anzeichen für die weiter steigenden Preise und dadurch eine Kommerzialisierung im Piemont.

Dazu ist es ganz interessant sich einen podcast mit Luca Currado anzuhören (http://illdrinktothatpod.com/ IDTT Wine 373: Luca Currado). Dort erklärt Luca seine Sicht der Dinge. Ich muss gestehen, dass ich den größten Teil eher fragwürdig finde. Er sagt z.B., dass sie die Anzahl der Flaschen, die sie produzieren, nicht erhöhen wollen. Er sagt aber auch gleichzeitig, dass der Zusammenschluss mit der Krause Familie notwendig ist, um weitere Weinberge zu kaufen. Es gibt viele Weingüter, die auch ohne große Zukäufe, wie sie Vietti in den letzten Jahren vollzogen hat, sehr erfolgreich sind und gute Qualität liefern. Qualität war nämlich ein weiterer Punkt den Luca als Grund für die Transaktion angeführt hat.

Insgesamt wahrscheinlich kein unmittelbarer "Game Changer" aber ein wenig überrascht und enttäuscht war ich schon.
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Vertigo

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragFr 29. Jul 2016, 12:20

Die Shopping Tour geht übrignes weiter. Dieses Mal aber kein amerikanischer Investor.

"Poderi Luigi Einaudi Buys 22 Acres in Barolo for $6.5 Million" (http://www.winespectator.com/webfeature ... -in-Barolo)
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UlliB

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragMo 1. Aug 2016, 12:18

Vertigo hat geschrieben:"Poderi Luigi Einaudi Buys 22 Acres in Barolo for $6.5 Million" (http://www.winespectator.com/webfeature ... -in-Barolo)

22 Acres sind knapp 9 Hektar, der Kaufpreis liegt somit bei 730.000 $ oder 660.000 € / Hektar. Damit ist man hier von "französichen Verhältnissen" noch einigermaßen weit entfernt. Zum Vergleich: ein Hektar Weinbaufläche in Pauillac kostet etwa 2 Millionen Euro, premier-cru - Rebfläche an der Cote d'Or ja nach Gemeinde zwischen 2 und 4 Millionen / ha; renommierte grand crus mittlerweile mehr als 10 Millionen / ha.

Da ist also noch einiges Potential nach oben :|

Gruß
Ulli
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Vertigo

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragMo 1. Aug 2016, 13:09

Die liebe Sache mit dem Durchschnitt. ;)

Im Podcast erwähnt Luca, dass ein Hektar Cannubi kürzlich für 2.5 Mio. EUR verkauft wurde. Sicher keine burgundischen Verhältnisse, aber schon mal eine Ansage.
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olifant

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragMo 1. Aug 2016, 16:21

In allen Gegenden Norditaliens in denen landwirtschaftliche Flächen mit hoch auskömmlichen Erträgen in Ortsnähe, und auch oft zusätzlich mit potentiellem Bauland konkurrieren, sind die Preise hoch - 660.000 €/ha wären für Südtiroler Verhältnisse wohl nachgerade noch ein Schnäppchen ;) - alles ist relativ.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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Trinkfreude

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Re: Zeitenwende im Piemont?

BeitragMi 26. Jul 2017, 21:10

Servus.

Neuestes Gerücht zum Thema: Kyle Krause, der schon Vietti gekauft hat, soll angeblich gerade auch den Betrieb von Bruno Giacosa übernehmen.

Mal sehen, ob das bestätigt wird.

VG Jürgen
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