- Beiträge: 349
- Registriert: Mi 19. Jan 2011, 22:49
- Wohnort: München
Hallo zusammen,
es ist mal wieder Barolo-Zeit - heute einer, auf den ich mich besonders gefreut habe, da der 1990er Jahrgang des gleichen Weines einer der Hauptgründe dafür war, dass mich die Weinleidenschaft gepackt hat:
Bricco Rocche (Cerretto), Bricco Rocche 1996.
Das Beste an diesem Wein ist eindeutig die Nase: nach dem Einschenken wechselnde Duftnoten in rascher Folge; es beginnt mit deutlich Rauch und Teer, nach etwa 2 Minuten im Glas kommen Blüten und ätherische Noten, einige weitere Minuten später kommt eine süße und zugleich frische Frucht aus dem Hintergrund hervor, die ich immer mit reifen gelben Pflaumen assoziiere, obwohl sie nicht wirklich genau so riecht. Danach noch ein Hauch von Lösungsmittel, der aber sehr dezent ist und den ich daher positiv empfinde. Nach zwei Stunden in der offenen Flasche ist die Nase deutlich zurückhaltender, aber auch homogener. Die Frucht hat sich eher in Richtung reife Zwetschge entwickelt, der Rauch ist eher röstig / toastig geworden, alles ist stärker verwoben als am Anfang. Weitere zwei Stunden später kommt dann zerstoßene Mandel und trockenes Herbstlaub dazu, und in diesem Spektrum bleibt der Wein dann den restlichen Nachmittag und Abend.
Im Mund ist der Wein anfangs - nicht überraschend bei diesem Jahrgang - ausgesprochen unzugänglich und strukturdominiert. Stark adstringierender Gerbstoff dominiert, flankiert von kräftiger Säure, alles noch unverbunden. Erst mehrere Stunden später integrieren sich die Komponenten, ca. nach 4 Stunden hat er die (mittlere) Fülle in der Mitte sowie einen gewissen "Schmelz" (im Rahmen der Möglichkeiten der Rebsorte) gewonnen, die er danach konstant beibehält. Dennoch ist er immer noch eher streng in seiner Gesamtwirkung.
Der Bricco Rocche ist zwar deutlich modern, was den Holzeinsatz betrifft, aber absolut "old school" in seiner Architektur. Er spricht mich eher intellektuell als sinnlich an - zwar zeigt er sich sehr komplex und fesselnd, aber eher auf eine herausfordernde als auf eine charmante Art und Weise. Daher bleibt er auch für mich deutlich hinter dem 1990er zurück, der ihm von der Statur und Komplexität her ebenbürtig war, aber on top noch die Sinnlichkeit des warmen Jahres mitbrachte.
Der 96er wäre mir in der heutigen Verfassung 93 Punkte wert. (Ich sehe ihn nicht besser als den Prapo aus dem gleichen Jahr.) Ein langes Leben würde er mit Sicherheit noch vor sich haben, aber ich für meinen Teil bin mir unsicher, ob nicht vor dem Abschmelzen der massiven Tannine die Frucht vertrocknen würde. Ich bilde mir ein, eine vor ein paar Jahren getrunkene Flasche hätte noch etwas mehr Fleisch an den Knochen gehabt, aber vielleicht war das auch die Tagesform oder der Luftdruck oder wer weiß was.
Viele Grüße
Jürgen
es ist mal wieder Barolo-Zeit - heute einer, auf den ich mich besonders gefreut habe, da der 1990er Jahrgang des gleichen Weines einer der Hauptgründe dafür war, dass mich die Weinleidenschaft gepackt hat:
Bricco Rocche (Cerretto), Bricco Rocche 1996.
Das Beste an diesem Wein ist eindeutig die Nase: nach dem Einschenken wechselnde Duftnoten in rascher Folge; es beginnt mit deutlich Rauch und Teer, nach etwa 2 Minuten im Glas kommen Blüten und ätherische Noten, einige weitere Minuten später kommt eine süße und zugleich frische Frucht aus dem Hintergrund hervor, die ich immer mit reifen gelben Pflaumen assoziiere, obwohl sie nicht wirklich genau so riecht. Danach noch ein Hauch von Lösungsmittel, der aber sehr dezent ist und den ich daher positiv empfinde. Nach zwei Stunden in der offenen Flasche ist die Nase deutlich zurückhaltender, aber auch homogener. Die Frucht hat sich eher in Richtung reife Zwetschge entwickelt, der Rauch ist eher röstig / toastig geworden, alles ist stärker verwoben als am Anfang. Weitere zwei Stunden später kommt dann zerstoßene Mandel und trockenes Herbstlaub dazu, und in diesem Spektrum bleibt der Wein dann den restlichen Nachmittag und Abend.
Im Mund ist der Wein anfangs - nicht überraschend bei diesem Jahrgang - ausgesprochen unzugänglich und strukturdominiert. Stark adstringierender Gerbstoff dominiert, flankiert von kräftiger Säure, alles noch unverbunden. Erst mehrere Stunden später integrieren sich die Komponenten, ca. nach 4 Stunden hat er die (mittlere) Fülle in der Mitte sowie einen gewissen "Schmelz" (im Rahmen der Möglichkeiten der Rebsorte) gewonnen, die er danach konstant beibehält. Dennoch ist er immer noch eher streng in seiner Gesamtwirkung.
Der Bricco Rocche ist zwar deutlich modern, was den Holzeinsatz betrifft, aber absolut "old school" in seiner Architektur. Er spricht mich eher intellektuell als sinnlich an - zwar zeigt er sich sehr komplex und fesselnd, aber eher auf eine herausfordernde als auf eine charmante Art und Weise. Daher bleibt er auch für mich deutlich hinter dem 1990er zurück, der ihm von der Statur und Komplexität her ebenbürtig war, aber on top noch die Sinnlichkeit des warmen Jahres mitbrachte.
Der 96er wäre mir in der heutigen Verfassung 93 Punkte wert. (Ich sehe ihn nicht besser als den Prapo aus dem gleichen Jahr.) Ein langes Leben würde er mit Sicherheit noch vor sich haben, aber ich für meinen Teil bin mir unsicher, ob nicht vor dem Abschmelzen der massiven Tannine die Frucht vertrocknen würde. Ich bilde mir ein, eine vor ein paar Jahren getrunkene Flasche hätte noch etwas mehr Fleisch an den Knochen gehabt, aber vielleicht war das auch die Tagesform oder der Luftdruck oder wer weiß was.
Viele Grüße
Jürgen