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Anjou

Appellationen des nördlichen Zentralmassivs, Sancerre und Umgebung, Touraine, Anjou, Umgebung von Nantes, die kleinen Gebiete zwischen der Loire und Bordeaux incl. Cognac
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amateur des vins

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Anjou

BeitragMi 10. Apr 2024, 23:43

Mein Osterrabattkaufrausch wurde u.a. durch den Newsletter eines nicht ganz unbekannten Händlers getriggert, und so erstand ich ein gemischtes Schächtelchen mit Weinen von Patrick Baudouin, die ich über die letzten Tage verkostete. Chenin habe ich bisweilen mal, aber Cabernet Franc hat bei mir speziell von der Loire bisher nicht so gezündet. Zu tanninreich, harsch und rustikal, war mein bisheriges Urteil. Zeit also für eine Wiedervorlage.

Patrick Baudouin, La Fresnaye 2017
     Anjou     90 CF / 10 Grolleau


Dichtes Karminrot, gerade noch transparent.
In der Nase zunächst dtl. Holz (Bleistift: Zeder). Nach Shwenken auch intensive Frucht: Brombeere, Schwarzkirsche, etwas Holunder. "Braune Würze" (Laub); Rosenblüte.
Am Gaumen viel charmanter, als erwartet. Ja, da ist eine gewisse Rustikalität, und die Tannine sind durchaus präsent, aber fein und für mein Cliché von Loire-CF fast schon "elegant". Weicher Antrunk; eher sanfte, aber ausreichende Säure. Praktisch keine grünen Noten. Erst spät fällt ein winziger Hauch CO₂ auf.
Im Abgang leichte Rauchigkeit.
[+1d] Kleber (Pattex)!?
[+2d] Immernoch Kleberverdacht. Zerfallen, harsch.

Patrick Baudouin, Le Cornillard 2020
     Anjou     Chenin blanc


Kurzer Bratapfel-Flash, dann Schiefermineralik. Stehenlassen → mehr Bratapfel, Schwenken → mehr Mineralik. Weißer Pfirsich, Quitte.
Am Gaumen weicher Antrunk, erstaunlich milde Säure für Chenin, aber ausreichend. Sehr dicht, ganz leicht ölige Struktur, aber initial aromatisch ganz leicht "wässrig".
..aber dann! Wird am Gaumen immer intensiver, haftet an. Die Bratapfel- und die Schieferphase vermählen sich nun. Hinzukommt ein wenig Orange und wieder Quitte. Der Wein scheint minimal auf der oxidativen Seite zu sein.
Zuletzt feinherbe (kein Euphemismus für restsüß!) Estragonwürze.

Der Alkohol, immerhin 14 %, ist unauffällig; selbst knapp zimmerwarm ist er höchstens angedeutet wärmend.

Die Domaine schreibt: "Vin de gastronomie". Läßt sich nebenbei wegsüffeln und ist nicht allzu fordernd. Aber wenn man sich einläßt, ist da ziemlich viel!

Der Preis ist aber dennoch ein wenig sportlich für das Gebotene...

Patrick Baudouin, Les Gâts 2015
     Anjou     Chenin blanc


Messingfarben.
Nase erdig, Bratapfel, Quitte. Weniger schiefrig als der Cornillard, und mit etwas lebendigerer Säure. Deutlich Grip. Ganz, ganz leicht beginnende Oxidation. Eine Spur Orange.
(Notiz endet leider abrupt.)

Patrick Baudouin, Les Touches 2020
     Anjou     100 CS !


Ein Exot: reinsortiger Cabernet Sauvignon.
Mitteldichtes Rubinrot.
Schöne Nase, die durchaus CS erkennen läßt: reife Süßkirsche, roter Paprika, nur wenig Cassis. Wirkt ziemlich reif, samtig, fruchtgetrieben.
Am Gaumen genau das: ersaunlich samtig und zugänglich, trotzdurchaus präsenter, aber reifer und recht feinkörniger Tannine. Aromen passend zur Nase. Kein Fruchtbonbon; feine Oregano-Note im Abgang.

Schön! Deutlich besser als der Fresnaye.

Patrick Baudouin, Les Coteaux d'Ardenay
     Anjou     90 CF / 10 CS


Dichtes, trübes Granatrot.
Initial deutlicher Stinker: Brett? Volatile Säure? Oder doch nur "Terroir"? Läßt nach 5 Minuten nach, verschwindet aber nicht völlig und hinterläßt eine leise Teernote.
Strukturiert und würzig (Wacholder, Lorbeer, ein wenig Teer); dichte, etwas diffuse Frucht (Bronbeer, Cassis, Holunder).
[+10'] Am Gaumen dicht und reif. Kräftige staubige Tannine; dichte samtige Struktur. Die reife, leicht süßliche Frucht steht spannungsvoll im Kontrast zum herbwürzigen Rest.
Im Abgang leicht, aber erkennbar hefig, dann leich wärmend (Alk.).

Insgesamt deutlich der beste der 3 roten, aber mit doch recht rustikalem Charme, was nicht abwertend gemeint ist.


Mein Fazit fällt etwas uneinheitlich aus:
Die weißen waren schon deutlich spannender, auch "eleganter", sind aber ziemlich ambitioniert bepreist.
Die roten waren deutlich unterschiedlich; gemein hatten sie die Absenz von grünen Noten (wie ich sie häufig an der Loire antraf), was auch erklärtes Ziel des Winzers ist. Dennoch zeigen sie alle eine gewisse Rustikalität, was sie aber auch spannend macht.
Absolut gesehen haben mich die weißen etwas mehr angesprochen, aber PLV-mäßig haben die roten die Nase leicht vorn, v.a. im Sparpaket.

Und was lerne ich daraus?
Daß Cabernet von der Loire zu trinken nicht unbedingt harte Arbeit sein muß. :mrgreen:
Besten Gruß, Karsten

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