Do 19. Jun 2014, 20:53
aus aktuellem anlass (zum einen eine von mir geöffnete und komplett oxidierte flasche eines 2007 puligny-montrachet 1er pucelles von der domaine leflaive
und zum anderen ein erneuter statusbericht zum thema von allen meadows im aktuellem burghound-newsletter) ein paar gedanken zum thema.
ich trinke inzwischen sehr viele weiße burgunder -es sind inzwischen wohl tatsächlich die von mir meist geliebten weine- und habe sowohl bei diversen proben, in restaurants und aus eigenen beständen eine vielzahl von weinen aller qualitätsstufen ins glas bekommen. für die jahrgänge ab mitte der 90er jahre -1995 wird ja allgemein als beginn der plage des gehäuften aufzretens vorzeitiger oxidation angesehen- kann ich im wesentlichen die eigentlich katastrophale ausfallquote von annähernd 20% sehr weit entwickelter bzw. bereits oxidierter flaschen bestätigen. dies entspricht auch den erfahrungen, die don cornwell zusammengetragen hat (
http://oxidised-burgs.wikispaces.com/General+Discussion). diese quote betrifft alle qualitätsstufen, vom village bis zum grand cru, variiert nach meinen erfahrungen aber sowohl in bezug auf die produzenten, vor allem aber in bezug auf produzenten in einzelnen jahrgängen. das hier ein massives problem vorliegt ist aus meiner sicht nicht zu leugnen, die ausfallquote bei weinen aus jahrgängen zuvor (ich hatte weiße burgunder bis 1937 zurück, eine nicht unerhebliche anzahl aus 1959, 1978, 1985, 1986, 1989, 1990) liegt trotz der eigentlich viel größeren flaschenvarianzen deutlich drunter und es ist schon erschreckend, dass ich heute eher auf einen 1959er village als auf einen 1999er grand cru wetten würde.
wenn wir die fakten zusammentragen, dann sieht es folgendermaßen aus:
- gehäuftes auftreten seit dem jahrgang 1995
- völlig unverhersehbar, eine flasche aus derselben kiste ist total hinüber, die nächste grandios
- letzlich sind alle produzenten betroffen, aber mit erheblich unterschiedlichen quoten und vor allem gehäuft in einigen jahrgängen
- auch aus anderen regionen, vor allem weißweinen der nördlichen rhone, tritt das phänomen auch auf
als mögliche ursachen (für vertiefende diskussionen bitte auf der o.g. exzellenten website nachlesen) werden genannt:
- erheblich größere varianzen in der korkqualität
- geringere schwefelung
- geringere extraktion von phenolen, die als antioxidantien wirken, durch den einsatz sanfterer, computergesteuerter pressen
- mehr batonnage
- verwendung von mehr neuem holz
darüber hinaus werden vereinzelt gennant:
- auswirkungen des klimawandels
- ein unentdeckter virus
- minimal geänderte form des flaschenhalses
sowie einige weitere mögliche ursachen, die sich aus meiner sicht aber leicht widerlegen lassen.
im aktuell burghound wird nun eine neue these diskutiert, dass der höhere kupfergehalt im glas der flaschen durch die verwendung von recyceltem glas seit mitte der neunziger jahre eine mögliche ursache ist. ich persönlich halte das für wenig plausibel, die kupferbelastung durch das unmittelbare spritzen im weinberg dürfte doch weitaus größer sein, oder ?
ich persönlich hänge durchaus der meinung an, dass es eine kombination von ursachen gibt. zum einen werden meines erachtens früher zugängliche weine erzeugt, die gegenüber oxidation erheblich anfälliger und damit instabiler sind, und zum anderen führen vermutlich die erheblichen korkvarianzen dann zu der großen varianz in bezug auf einzelne flaschen. ich halte das für einigermaßen plausibel, aber letztlich bleibt ein sehr ungutes gefühl.
hinzu kommt die tatsache, dass der veränderungsdruck auf die produzenten extrem gering ist. burgund boomt, die preise steigen bzw. sind auf extrem hohem level stabil und die produzenten sind trotz der probleme ausverkauft. so gibt es denn auch nicht wenige, die das thema entweder leichtfertig abtun, oder einfach allein auf externe ursachen wie kork schieben. alles in allem sehr unbefriedigend.
ich erhoffe mir, dass durch viel stärkere diskussionen innerhalb der weinszene, von händlern, sammlern, weintrinkern, sommeliers, etc. der druck auf die produzenten und auf die lösung des problems steigt und man viel stärker als bisher das problem wahrnimmt. es macht letztlich nur wenig spaß nicht unerhebliche euro-beträge im ausguss zu versenken (es tut übrigens schon verdammt weh komplette flaschen montrachet grand cru wegkippen zu müssen....).
ich meinerseits kann trotzdem weiterhin nicht von weißen burgundern lassen, ich kaufe entgegen aller rationalität das zeug weiterhin und ich hatte auch einige der allergrößten weinerlebnisse mit diesen weinen, aber letztlich verteuert sich der einstandspreis bei diesen ausfallquoten nochmal um 20%.
wie halten das die anderen burgunder-fans hier im forum ? und wie geht ihr mit dem thema um ?