Fr 26. Okt 2012, 16:55
Gestern Abend zum Wildschwein „a la Toscana“ mit Pinienkernen und Papardelle al Zafferano, wollte ich meinem Freund Stefan einen deutschen Spätburgunder von Jürgen von der Mark (Liedwein) kredenzen. Ich finde von der Mark produziert tolle Weine, die total unaufgeregt, mineralisch und mit einer schön nuancierten Frucht in einem wunderbaren Tanningewand daherkommt. Frisch, mineralisch, trinkanimierend sind wohl die Attribute, wenn man sich beim Beschreiben auf deren drei beschränken will. Kurz: einfach schön für einen Donnerstagabend, um mit einem guten Freund am Tisch zu sitzen und dies mit einem schönen Burgunder zu untermalen.
Mein lieber Freund Stefan hatte vor dem Essen nach einer Karaffe verlangt, um mir später einen Wein blind kredenzen zu können. Das tun wir oft, um uns unbefangen ranzutasten, aber um danach die Weine mit entblösster Etikette zu geniessen – Wir trinken die Weine anschliessend erkennbar, um dem Wein als ganzes mit seiner Geschichte, dem ganzen Wissen, das man über den entsprechenden Wein und seine Herkunft hat, gerecht werden zu können. Denn Genuss ist immer auch an das Zusätzliche und Unsichtbare gekoppelt und bezieht einen erheblichen Teil seines Erlebbaren daraus.
Als ich nach dem ersten Einschenken die Farbe sah, erschien mir der Wein optisch enorm jugendlich. Tiefes, dunkles Rubin leuchtete mir unverfälscht und warm wirkend im Schimmer des Lichts entgegen. Keine Spur von Verfärbung, aufkommenden Aufhellungen oder Rottonveränderungen. Genau deshalb hätte ich auf einen jüngeren Wein getippt.
In der Nase dämmerte mir bereits, dass ich mich hinsichtlich des Alters wohl geirrt hatte. Was beim Augenschein noch jugendlich schien, war im olfaktorischen Erleben eine ganz andere Welt die sich da eröffnete. Die Reife war spürbar und ich musste meine erste gefasste Meinung revidieren. Unvergleichlich rotfruchtig, druckvoll aber nicht aufdringlich entschwebte meinem Glas ein wunderbarer Duft. Schwarze Kirsche, Griotten, Eukalyptus, Menthol und etwas Zigarre vermengten sich zu diesem betörenden und unglaublich unendlich breit wirkenden Duft. In mir kam vor dem geistigen Auge die Farbe Lila hoch – das geschieht immer wenn meine Sinne klingeln und mich einen grossen Wein erahnen lassen. Ich habe dann immer das Gefühl die Farbe lila zu sehen, warum kann ich so nicht sagen. Es ist halt ein Gefühl.
Am Gaumen wiederholte sich das Schauspiel genau wie bereits in der Nase. Vielleicht nicht so intensiv wie das Nasenbild, das sich zuvor abzeichnete. Dennoch liess dieser Wein auch am Gaumen nichts missen und legte seine ganze, grossartige Struktur offen, die von einem wunderbar integrierten Tanningerüst getragen wurde. Seidig ist der wohl treffende Begriff für dieses Mundgefühl, welches dieses Streicheln des ganzen Gaumens am treffendsten zu umschreiben vermag und dennoch kann man diesem Wein eine gewisse Aristokratie respektive Noblesse nicht absprechen. Diese ganze Energie, diese Kraft, die sich mit Eleganz paart, streichelte betörend über meine Geschmacksknospen. Diese Grösse die sich trotz der Begrenzung durch meinen Gaumen in himmlische Sphären schraubte, konnte nur eines bedeuten: Morey St Denis und ich kam nicht drum rum den Namen
Clos de Tart mit glänzenden Augen auszusprechen… Die geballte Kraft im eleganten Seidenhandschuh, l’Art du Morey St Denis et ces Grand Crus, diese schon fast unmögliche Allianz von Kraft und Eleganz und Seide zu vereinen hatte diesen Wein verraten.
So war es denn auch. In meinem Glas ein wunderbarer, reifer und schöner
Clos de Tart 1995. Kein Riese, keiner dieser Weine von denen man wie vom Schlag getroffen sagt: „Wow, das haut rein!“ Aber wenn man sich und dem Wein die Zeit gibt, diesen Moment gibt, ihm die Aufmerksamkeit schenkt und dem Wein wirklich die Chance einräumt sich mitzuteilen, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass er einem vorführt was der Begriff „grosser Wein“ bedeutet. Ein nicht in Worte zu fassendes Schauspiel, aber eine Tour des Senses auf die einen dieser Clos de Tart 1995 mitnimmt. Und diesmal kann ich nur sagen: „Wow, das ist einfach schön!“ Man kommt nicht umhin unter dieser emotionalen Gefühlsregung eine Träne aus dem Augenwinkel wegzudrücken. Danke Stefan