Bordeaux 1975

Hallo.

Totgesagte leben länger
Gestern hatte ich einen Chat. La Lagune 1975 im Glas.
Die Erwartungen waren gen Null. Gabriel schreibt ihn ab und gibt 14 Punkte.
Ohne zu dekantieren ins Glas.
Dunkle Farbe, kein Wasserrand.
Schönes Aroma nach Kirschen und dunklen Früchten.
Am Gaumen viel Finesse. Zedernholz. Lirschen und Johannisbeeren. Untypisch für einen 75er überhaupt nicht bisseig, geradezu samtig.
Toller Abgang.
Es war der 75er, ich habe mehrfach nachgeschaut
91 P.
Flasche war in perfektem Zustand, in.

Hi Christoph, schönes Erlebnis...Bei älteren Weinen sind sowohl positive, wie auch negative Überraschungen keine Seltenheit

Dann hatte ich gestern gleich die nächste positive Überraschung
Chat. Gloria 1975

Füllstand in.
Auch eine ganz dunkle Farbe.
etwas weniger Fruchtaromen.
Am Gaumen etwas mehr Tannine als der la Lagune. Schöne Frucht, langer Abgang.
Sehr gut 89 P.
Auch von Gabriel mit 14 Punkten bedacht und totgesagt.

Bei älteren Weinen bin ich in der regel eher bei den Parkerbewertungen und Trinkreifevorraussagen.

Heute zum Valentinstag mit meiner Frau zusammen genossen eine wunderbare:
Chateau Pichon Longueville Comtesse de Lalande,1975 aus der halben Flasche !(kein Scherz!)
Farbe: noch immer ein dunkles Rubinrot mit ziegelroten Rand.
Bukett: Ein bunter Korb von rote undschwarzen Johannisbeeren, Tabak, Erdbeeren, Minze und Zedernholz. Keine druckvolle aber eine schöne finessenreiche Aromatik.
Am Gaumen seidige Resttannine, eine zarte Säure und die schöne Fruchtsüße der roten und schwarzen Beeren, wieder Minze und das bei guter Textur mit mittleren Körper, und einem ordentlichem Abgang. Langsam werde ich noch zu einem Altweinfan, von der Comtesse sowieso...
Persönliche Wertung: 91-92Pkte.
Weinfreundige Grüße,
Armin

Dunkelrot, kaum eine Spur Orange. Nur der recht hohe Wasserrand von nahezu zwei Millimetern sagt, dass der Wein kein Junger mehr ist. In der Nase Zimt. Es weihnachtet, spät, noch einmal. Gewürze. Ein Hauch gebackene Äpfel, Bratröhre. Auf der Zunge erst Pelz, Pelz. Er braucht ein wenig, um aufzumachen, er ist ein wenig zu kühl im ersten Glase.

Dann die Explosion roter Früchte. Alles, was drin zu sein hat. Ein vollständiger, hoch komplexer Wein. Nicht schmeichelnd, eher fordernd. Ein Adliger, der ganz genau weiß, was er will. Hoch auf dem Rosse. Die Aufmerksamkeit fesselnd. Dennoch zugetan, freundlich. Nicht arrogant. Nicht eine Spur. Man muss ihn respektieren, in jedem Falle. Das schon, das fordert er ein, es fällt aber auch nicht schwer. Wenn man das aufbringt, was jede Beziehung begründet: Respekt. Er hat richtig viel zu bieten.

Weiterhin Pelz. Ich werde eine Stunde warten, mindestens. Das erfordert der Respekt. Respektlosigkeit ist der Tod von allem. Auch der Freuden an feinstem Wein.

Runder wird er. Er baut nicht ab. Keineswegs, im Gegenteil. Der Prozess des Öffnens wird wohl die Nacht über andauern. Ich werde es beobachten. Werde durchmachen, denn es gibt womöglich kein Morgen. This Day is the first day...

Auch der Spruch ist richtig: Im Samthandschuh – die Eisenfaust. Wehe, ihm in die Quere zu kommen. Denn er kann auch anders..

Ich kannte einen, der von solchen Weinen den Keller voll hat. Chateau Margaux, zumeist alte. Hier ein herausragender 1975er. Starkes Jahr, massiv starker Wein. Gebe ihm 96 Punkte. Nur deshalb nicht mehr, weil ihm das Einschmeichelnde, das Hedonistische abgeht. Der pralle Sex eines 1990er Pichon-Longueville Baron. Oder die irre Wucht eines 1990er Montrose – derer Guten, die es noch geben mag. Der 1990er aus gleichem Hause, einer, der mal am Anschlag bewertet war, kann hier nicht mehr mit. Ich kenne ihn, und tippe: keine Chance.

Da braucht es so Alte Kameraden. Erst jahrzehntelang eingemauert hinter einer und noch weiteren Wänden von Tanninen. Wein in einer Machart, die lange bereits vergessen ist. Wenn nicht doch gelegentlich mal, nur um die Menschen mal an das Gute zu erinnern, das, was sie vergessen zu haben scheinen, so eine Flasche ausgegraben werden kann. Es war meine letzte, die einzige Margaux. Ich öffne sie am Beginn einer Woche. Einfach mal so. Zum Honneur. Auf eine Nachricht hin.

Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben nochmal einen Chateau Margaux trinken werde. Eine Quelle dafür ist seit Sonnabend versiegt. Heute habe ich es erfahren. Seine unfassbar vielen alten, guten Margaux kann er dorthin, wohin er gegangen ist, leider nicht mitnehmen.

Es war wunderbar. Versprochen: Ich werde diese große Leuchte des Weines, werde all das Gute, das er tat, niemals vergessen. Mit ihm zusammenzusein war nicht nur zum besten Wein eine Pracht. Auch ein ungaublich fröhlicher Mensch, freiheitsliebend, die Menschen mögend und ihnen Gutes tun wollend. Kenntnisreich. Im Unweisen weise. Er machte gern den Zyniker, den dreisten Frechdachs. Aber er war nicht so. Es war: Freundlichkeit. Unterhaltsamkeit. Ein Weinfreund, ja, auch. Aber mehr, weit mehr noch: Ein Philanthrop. Menschenfreund reinen Wassers. Im edlen Sinne: suche das Gute im Menschen! Ich darf mich zutief glücklich schätzen, eine Weile lang, sieben Jahre, dabeigewesen zu sein. Es war herrlich.

Herrlich, wie dieser uralte Wein, der einem so viel zu sagen hat. Von alten Zeiten, alten Tugenden, Verzicht auf das Schicke, Konzentration auf das Wesentliche.

Unendlich bereichernd, auf ein Leben.

Habe lieben Dank, für Alles.

Adieu, Don.

Chasse Spleen 1975

Nach den guten Erfahrungen der letzten tage habe ich mit 75ern weitergemacht.
Der Füllstand war ms-ts.
Farbe sehr gut, dunkel mit leichtem Wasserrand.
Legte im Glas zu. Wirkte aber etwas ausgezehrt. Reichlich Tannine.
Noch Frucht vorhanden. Zedernholz und Kräuter.
88 P.
Hatte ich schon besser im Glas, austrinken.

Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben nochmal einen Chateau Margaux trinken werde. Eine Quelle dafür ist seit Sonnabend versiegt. Heute habe ich es erfahren. Seine unfassbar vielen alten, guten Margaux kann er dorthin, wohin er gegangen ist, leider nicht mitnehmen.



Adieu, Don.

Diese Nachricht ist schockierend. Noch vor vier Wochen haben wir in grosser Runde zusammengesessen und viele gute Flaschen geleert. Danke Bernd, danke für diesen bewegenden Nachruf!

Es war meine letzte, die einzige Margaux. Ich öffne sie am Beginn einer Woche. Einfach mal so. Zum Honneur. Auf eine Nachricht hin.

Lieber Bernd!
Ich bin kein Bordeaux-Kenner, daher habe ich deinen Beitrag erst gestern Abend gelesen. Die Nacht über mußte ich immer wieder an deinen Text denken. Ganz, ganz großen Respekt für diesen Nachruf!

Der Rest erfolgt per PN.

Der Rest erfolgt per PN.

Das mit der PN hat irgendwie technisch nicht funktioniert. Also doch öffentlich, was ich mir schon vorher überlegt hatte, weil du auch einen öffentlichen Nachruf gestaltet hast.

Was mit einer witzigen und hochintellektuellen Weinbeschreibung beginnt, endet in einem sehr persönlichen und bewegenden Nachruf für einen Freund. Schon bald merkt der Leser, dass es keine normale Weinbeschreibung ist. Was fehlt, was ist nicht normal? Erst später erfährt man nämlich, um welchen Wein es hier geht, und dann noch ein solches Kaliber. Aber der Margaux steht weder n der Spitze des Artikels, noch im Mittelpunkt des Textes.

Schon bald beim Lesen merkt man, dass es um mehr geht. Zuerst nur Andeutungen. Dann Gewissheit. Dein Freund ist gestorben. Für dich unerwartet. Die Todesmitteilung hat dich getroffen. Deine Reaktion, eine Ehrerbietung, unter der Woche, ganz spontan.

Welch schöne Geste!

Als Freund der Sprache sehe ich, wie du in deinem Beitrag jedes einzelne Wort punktgenau einsetzt. Die Geschichte ist packend, der Leser ahnt bald, was zur Gewissheit wird. Deine Gemütsregungen liegen für jeden offen da. Und am Ende der aufrichtige Dank an deinen Freund.

Obzwar es jetzt in diesem Zusammenhang unpassend sein kann, kann ich nicht umhin, dir öffentlich antworten zu müssen: Ganz goßes literarisches Kino!

Dunkelrot, kaum eine Spur Orange. Nur der recht hohe Wasserrand von nahezu zwei Millimetern sagt, dass der Wein kein Junger mehr ist. In der Nase Zimt. Es weihnachtet, spät, noch einmal. Gewürze. Ein Hauch gebackene Äpfel, Bratröhre. Auf der Zunge erst Pelz, Pelz. Er braucht ein wenig, um aufzumachen, er ist ein wenig zu kühl im ersten Glase.

Unendlich bereichernd, auf ein Leben.

Habe lieben Dank, für Alles.

Adieu, Don.

Hallo Bernd,

viel treffender kann man unseren Freund wohl nicht beschreiben...seine Liebe zum Wein und im speziellen zu Chateau Margaux war einfach immer umwerfend und hat mich stets gefesselt und in den Bann gezogen!
Er hat mir viele tolle und denkwürdige Weine beschert -und es war nicht nur Ch. MArgaux- nein auch seine Liebe zu Chateauneuf de Pape, zu großen Burgundern und den italienischen Sturköpfen hat mein Weinleben bereichert!
Ich war und bin im zu großem Dank verpflichtet...unserem Don...und werde in schmerzlich vermissen...seine messerscharfen Kommentare, sein Weinverstand und -das ist mir das wichtigste- den Mensch mit seiner einladenden herzlichen Art!

Zu gern wäre ich heute mit ihm den letzten Weg gegangen...in diesem Moment...aber ich weiß, wir sehen uns ... spätestens beim Ziehen eines Korken Chateau Margaux...denn für mich füllt ein Stück von ihm jede dieser Flaschen!