Aktuelle Zeit: Di 23. Apr 2024, 15:41


Bordeaux 2018

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
  • Autor
  • Nachricht
Offline

pessac-léognan

  • Beiträge: 840
  • Registriert: Fr 11. Jan 2019, 11:57

Re: Bordeaux 2018

BeitragMi 30. Dez 2020, 11:25

stollinger hat geschrieben:Was mich aber, neben den für mein Gefühl viel zu hohen Punkten, doch etwas irritiert, ist, dass ich in den Bewertungen, nicht nur zum Lanessan, sondern zu allen 2018ern, mich nicht an die Erwähnung von alkoholischen Gerüchen und Geschmack erinnern kann. Ich verkoste gerade den Boutisse 2018, da ist das auch ganz deutlich zu riechen und zu schmecken, insgesamt ist der Wein aber besser als der Lanessan.
Grüße, Josef


Deckt sich weitgehend mit meiner VKN zu Boutisse von Oktober
viewtopic.php?f=21&t=5328&start=1040
Mit dem Unterschied vielleicht, dass ich meine, dass einige dieser sehr alkohollastigen Weine im Moment tatsächlich sehr verführerisch zu trinken sind. Das hat wohl einigen Profiverkostern 'den Kopf verdreht', was in der Tat zu nicht so professionellen, nämlich grenzwertig hohen Noten geführt haben mag. Nicht so professionell, weil man von einem professionellen Verkoster ja mindestens einen entsprechenden Warnhinweis bezüglich Zukunftsfähigkeit erwarten würde. Wenn ich allerdings einfach einen augenblicklich sehr fein zu trinkenden Wein mit ausgezeichnetem PGV (ich benutze das Wort, obwohl es für einige, ansonsten durchaus geschätzte Forumsteilnehmer offenbar ein Unwort ist, das sich für die edle Welt großer Bdx quasi nicht gehört) suche (was für Boutisse, 15€, m.E. zutrifft), mache ich mit solchen schei*-Weinen nicht unbedingt viel falsch...
Gruß
Jean
Offline
Benutzeravatar

Jochen R.

  • Beiträge: 2603
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 20:53
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Bordeaux 2018

BeitragMi 30. Dez 2020, 14:41

Rotundweiss hat geschrieben:
Jochen R. hat geschrieben:
stollinger hat geschrieben:... Es wird aber auch ganz viel Schei* geben, um den man einen großen Bogen machen sollte.

glaube ich auch! :-)


Für diejenigen, die das glauben, gibt es dann ja glücklicherweise 2017 ;)

Glauben und trinken darf ja jeder was er/sie will!
Etwas kritisch hinterfragen schadet hin und wieder auch nicht,
ich erinnere mich - weil noch gar nicht so lange her - an alkoholische
(99 PP) Chateauneufs, die so gar nicht schmecken möchten ;-)
Belgrave ist nichts für Unschuldige
Offline

Rotundweiss

  • Beiträge: 206
  • Registriert: Do 30. Dez 2010, 17:43
  • Wohnort: Niedersachsen

Re: Bordeaux 2018

BeitragMi 30. Dez 2020, 14:50

Jochen R. hat geschrieben:ich erinnere mich - weil noch gar nicht so lange her - an alkoholische
(99 PP) Chateauneufs, die so gar nicht schmecken möchten ;-)


Touché :oops:
Offline

Ingo

  • Beiträge: 201
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 11:53

Re: Bordeaux 2018

BeitragMi 30. Dez 2020, 17:20

Zu Lanessan: Gerstl, dessen Untergrenze für Punkte, so mein Gefühl, bisweilen dort anfängt, wo meine Obergrenze endet, billigt dem Lanessan 15/20 zu. Das finde ich schon erstaunlich. Sein kongenialer Partner, Herr Lobenberg, zückt 93 Punkte, das ist doch schon mal gaaaanz ordentlich:
In 2018 kommt Lanessan sehr reich, dicht und reif daher, mit Schwarzkirsche, Brombeere, Cassis, aber mehr intensiver Schwarzkirsche, gleichzeitig fein in der Nase. Auch ein stimmiger Mund, Eleganz zeigend, durchaus schick mit seidigem Tannin. Alles passt. Der Wein hat keine wirkliche Größe, aber es ist eine sehr gute Empfehlung, weil er in sich so stimmig und elegant ist und bei der hochreifen, schwarzen Kirsche eben auch diese spielerische Linie beibehält. Gefällt mir gut der Lanessan in diesem Jahr. 93/100
:D
Offline

stollinger

  • Beiträge: 1169
  • Bilder: 0
  • Registriert: Sa 10. Dez 2016, 10:22

Re: Bordeaux 2018

BeitragDo 31. Dez 2020, 17:09

Hallo,

die Tage habe ich einen 2018er parallel, anfangs blind, mit dem gleichen Wein aus 2016 verkostet [Link]. Die Zuordnung der Jahrgänge war blind ziemlich einfach, die Unterschiede schon sehr charakteristisch. Der 2018er verrät sich durch den sehr hohen Alkohol und die alkoholischen Noten in Geruch und Geschmack, den extraktreichen, aber hohl-leeren Körper und die leicht unreifen Gerbstoffe.

Château Boutisse - Saint-Émilion Grand Cru - 2018:

Bild

Der Wein ist deutlich besser als der Lanessan aus 2018, aber hinterlässt den Eindruck von durchaus massiven önologischen Eingriffen. Der Wein ist sensorisch komplett trocken, anscheinend sämtlicher Zucker vergoren, man muss für mein Verständnis seine Mostzusammensetzung und Gärung bei dem hohen Zuckergehalt önologisch schon gut unter Kontrolle haben, um das so hin zu bekommen. Außerdem ist der Wein auf Zugänglichkeit und frühe Trinkbarkeit vinifiziert, auch deutlich geschminkt, vielleicht tritt das aber auch wegen der Jugend so stark zu Tage. Wie Jean etwas weiter vorne schreibt [Link]:
pessac-léognan hat geschrieben: 'exaltierte Fruchtigkeit' (Vinum), von extrem zugänglicher Art, kirschig bis zum Geht nicht mehr, aber süchtig machend, die 92 Falstaff-Punkte sind derzeit durchaus vertretbar, das ganz leichte Bitterl im Abgang - wohl vom 'hint of Carmenère' (laut Etikette neben dominierender Merlot und etwas CF und CS) - tut dem Wein außerordentlich gut.

Das Bitterl schreibe ich eher den sehr leicht unreifen Tanninen zu als dem Carmenere. Ansonsten passt das meiner Meinung nach recht gut.
pessac-léognan hat geschrieben:Dass aber der Wein - wie Adrian van Velsen anlässlich seiner Primärverkostung am 30. März 2019 notiert - sein ideales Trinkfenster 2026 bis 2037 erreichen wird, wage ich zu bezweifeln. Ich würde empfehlen: die Flaschen jung austrinken, für 15€ momentan ein überragendes PGV, vielleicht die eine oder andere Flasche für wenige Jahre auf die Seite legen.

Das sehe ich genauso wie Jean, wenn man Lust auf einen zugänglichen, expressiven Wein ohne Strenge oder Ernsthaftigkeit hat, und sich nicht an 15% Alkohol stört, ist das ein fairer Wert. Auch gegen die Trinkreife ab 2026 halte ich dagegen. Die Frucht ist sehr reif, kurz vor überreif, ich würde mich in keinster Weise wundern, wenn da in fünf Jahren nur noch ein bitteres, alkoholisches und oxidiertes Trauerspiel übrig bleibt.

Grüße, Josef
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Bordeaux 2018

BeitragDo 31. Dez 2020, 17:30

stollinger hat geschrieben: Der Wein ist sensorisch komplett trocken, anscheinend sämtlicher Zucker vergoren, man muss für mein Verständnis seine Mostzusammensetzung und Gärung bei dem hohen Zuckergehalt önologisch schon gut unter Kontrolle haben, um das so hin zu bekommen.

Kurzer Einwurf dazu: die AOC-Regeln für St.Emilion grand cru schreiben zwingend vor, dass der Restzuckergehalt nicht höher als 3 Gramm pro Liter sein darf. Jahrgangsspezifische Ausnahmen hiervon gibt es nicht. Typische Werte (auch in Hitzejahren) liegen übrigens meistens eher bei 1 Gramm und darunter.

Bei den meisten linksufrigen Gebieten liegt die Grenze bei Rotwein noch ein Gramm tiefer. Da selbst sensorisch eingehend geschulte Verkoster Restzucker im Regelfall erst ab 4 Gramm / Liter erkennen können, sind rote Bordeaux basierend auf dem Zuckergehalt sensorisch immer völlig trocken. Wenn sie doch mal "süß" schmecken, ist das auf andere Komponenten zurückzuführen.

Gruß
Ulli
Offline

stollinger

  • Beiträge: 1169
  • Bilder: 0
  • Registriert: Sa 10. Dez 2016, 10:22

Re: Bordeaux 2018

BeitragDo 31. Dez 2020, 17:50

Hi Ulli,

ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ich, gerade bei dem hohen Alkoholgehalt, eine merkliche (Extrakt)-Süße erwartet habe. Das war aber nicht der Fall. Da ist schon viel Extrakt, was taktil auch etwas von einem Likör hat, aber komplett ohne Süßeeindruck.

Ich finde die Referenz nicht mehr (nichts wissenschaftliches), aber ich meine gelesen zu haben, dass in Bordeaux in 18 (oder 19?) die Gärung bei einigen Winzern stecken geblieben ist und nicht besonders glatt gelauf ist. Deshalb war das Geschmacksbild erstmal entgegen meiner vorgefertigten Meinung Erwartungen.

Grüße, Josef
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Bordeaux 2018

BeitragDo 31. Dez 2020, 18:07

stollinger hat geschrieben:ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ich, gerade bei dem hohen Alkoholgehalt, eine merkliche (Extrakt)-Süße erwartet habe.

Du hattest aber oben nicht von Extraktsüße geschrieben, sondern (wörtlich) "anscheinend sämtlicher Zucker vergoren" - und das muss halt so sein, sonst könnte der Wein nicht unter der AOC verkauft werden.

Was Gärprobleme in 2018 betrifft, kann ich dazu nichts sagen - vielleicht kann der gelegentlich hier schreibende Winzer ja etwas dazu beitragen.

Ansonsten liegen die 2018er, die ich gesubst habe, noch beim Händler oder sonstwo. Ich werde erst im Laufe des kommenden Jahres die eine oder andere VKN beitragen können. Wirklich überraschen tut mich aber das, was hier bislang an Notizen gepostet wurde, nicht. Hitzejahre sind im Bordelais in der Breite keine guten Jahre, siehe 2003. Das ändert aber nichts daran, dass einige (wenige) 2003er mit zum Besten gehören, was im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts im Bordelais produziert wurde. Insofern sehe ich mit Spannung einem vermutlich qualitativ extrem inhomogenen Jahrgang entgegen.

Gruß
Ulli
Offline

Alba

  • Beiträge: 129
  • Registriert: Sa 25. Mär 2017, 10:52
  • Wohnort: Raum Linz - UU

Re: Bordeaux 2018

BeitragFr 1. Jan 2021, 12:04

Gutes neues Jahr Allen hier im Forum!

Der letzte Wein im alten Jahr war gestern mein zweiter 18 Bordeaux - Es musste in guter Tradition der letzten Jahre der Canon nach Subs Anlieferung herhalten. Nach den hier im Forum verfolgten ersten Eindrücken (und einer Erstannäherung kürzlich mit Lafon Rochet - die nicht besonders in Erinnerung blieb, sehr soft, etwas belanglos und letztlich irgendwie uninteressant - Spannung fehlt) war die Neugierde auf Canon wirklich groß.
Also pnp ins Glas, erster Eindruck in der Nase ganz klar die noch intensive Malolaktik mit leichten Vanilleanklängen. Dazwischen kämpft sich ein reifes, eher dunkelfruchtiges Beerenpotpourri (Kirschen - Weichsel - Zwetschge, sehr reif aber nicht überreif oder rumtopfig) an die Luft. Alkohol habe ich an der Stelle nicht störend oder zu stark wahrnehmbar empfunden (Etikett gibt 14.5% an).
Im Munde zuerst ebenfalls die reifen Beeren, sehr gute Fülle und eine irgendwie unerwartet gute Säure die dem Wein eine überraschende Frische und Balance gibt.Tannine sind ebenfalls sehr reif und erscheinen einem Nebbiolo gestählten Gaumen fast unmerklich (sprich reife, weiche Tannine). Durchaus schon sehr guter Trinkfluss ohne zu breit zu sein.
Diese fruchtig - frische Säure macht den Wein dann auch wirklich lange und im Abgang erneut die reifen Sauerkirschen als Dominante mit einem feinen und sehr edlen Bitter- Schoko Anklang zwischendurch.
Insgesamt - eine sehr schöne Erfahrung, dichter und hedonistischer Wein, die hohe Reife des JGs zeigend aber ebenso die für Canon (und das Kalkstein Terroir in St.Em.) bekannte Frische. Perfekt vinifiziert - die in dem Stadium klarerweise noch fehlende Eleganz (und Harmonie) wird sich mit den Jahren wohl einstellen, da bin ich ganz optimistisch.

Fazit - der Wein passt, sehe ihn (fast ?) auf der Höhe mit 15 und 16, somit Erwartung erfüllt - war ja en-primeur teurer als die beiden (und vor allem deutlich teurer als der wirklich auch großartige 17er). Zum Jahrgangseindruck würde ich mich nach den beiden bisherigen Probanten den durchaus kritischen Stimmen vorsichtig anschließen, ich kann mir gut vorstellen, dass viele Weine (jedenfalls R-ufrige) von weniger gutem Terroir mir in 2018 eher wenig Spass bereiten würden. Bin da mal auf zukünftige Erfahrungen im Forum gespannt.
Gruß
Manfred
Offline
Benutzeravatar

Trapattoni

  • Beiträge: 333
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 13:04

Re: Bordeaux 2018

BeitragFr 1. Jan 2021, 14:13

stollinger hat geschrieben:...und sich nicht an 15% Alkohol stört...

Auch von mir Euch allen ein "Prosit Neujahr"!
Ich gehe stark davon aus, dass mit dem neuen Präsidenten in den Vereinigten Staaten auch die hohen Alkoholgrade in französischen Weinen wieder purzeln werden. ;)
Frohes 2021!
Dieter
Die besten Vergrößerungsgläser für die Freuden dieser Welt sind jene, aus denen man trinkt.
(Joachim Ringelnatz)
VorherigeNächste

Zurück zu Bordeaux und Umgebung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 18 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen