So 20. Dez 2020, 15:26
Ich kenne einen recht schönen Übersichtsartikel zu dem Thema:
A quarter century of wine pigment discovery[1]. Darin ist erklärt:
Die Farbe von Jungweinen wird beeinflusst von Anthocyanen, die kommen in einer kräftigen, roten Form vor (das Flavylium-Kation, Absorption bei 520 nm), einer farblosen Carbinol-Pseudobase, und der lilanen Chinoidal-Form. Sprich, es handelt sich um eine Molekülklasse, die abhängig vom pH-Wert in unterschiedlichen Formen vorliegen kann. Der pH-Wert bestimmt das Verhältnis im Gleichgewicht. Man kann sich das eigentlich recht eingänglich auf Wikipedia ansehen, ist dasselbe wie bei Rotkohl und Blaukraut.
[Link].
Neben der pH-abhängigen Änderung der Farbe sind diese Anthocyane nicht stabil gegen SO2, sie werden durch SO2 gebleicht und dadurch farblos.
Farbstabile Pigmente werden im Wein erhalten, wenn Anthocyane mit Tanninen und Flavanolen reagieren und gemeinsame polymere Pigmente ausbilden. In diesen Polymeren sind die Anthocyanin-Einheiten stabil gegen SO2 und die Farbe ist nicht durch den pH-Wert beeinflusst. Diese Polymere haben die typische kräftige rote Färbung von Rotweinen.
Der chemische Unterschied in der Weinflasche zwischen einem lilanen Jungwein und einem roten, jüngeren Wein ist also, dass monomere Anthocyane durch SO2 gebleicht wurden und/oder, dass sie chemisch in polymere Einheiten eingebunden sind und nicht mehr als Monomere vorliegen.
Neben der Polymerisation mit z.B. Tanninen und Flavanolen können die Anthocyane aber auch noch mit anderen Bestandteilen des Wein reagieren und andere Farbstoffmoleküle bilden. Die zweite wichtige Klasse (neben den polymeren Pigmenten) stellen dabei die Pyranoanthocyanine dar. Diese entstehen durch Hefen während der Fermentation oder durch kontrollierte Oxidation (Mikrooxigenation) während der Weinbereitung durch die Reaktion mit einem Nucleophil.
Pyranoanthocyanine sind ebenfalls stabil gegen SO2 und unabhängig vom pH-Wert. Im Vergleich zu den polymeren Pigmenten ist die Absorption kurzwellig verschoben, sie sind etwas orange-gelblicher.
Das Verhältnis und die Konzentration von den verschiedenen Farbstoffmolekülen und polymeren Pigmenten ist also von der Konzentration und der Verhältnisse der möglichen Reaktionspartner von Anthocyanen (damit also von der Rebsorte und der Intensität der Extraktion), dem pH-Wert und der Menge an Sauerstoff abhängig. Die Unterschiede können da ja bekannterweise recht ausgeprägt sein, wenn man die Farbe von Jungweinen vergleicht (z.B. Nebbiolo vs. Cabernet Sauvignon vs. Mourvedre vs. Petit Verdot vs. ...).
Wenn man jetzt innerhalb einer Rebsorte oder Rebsortenmischung bleibt, gibt es aber durchaus Techniken der Vinifikation, die einen recht prominenten Einfluss auf die Farbe und auch auf den gesamten resultierenden Wein haben. Dazu zählt z.B. Ganztraubenvergärung/Kohlensäuremaischung (
macération carbonique), dabei arbeiten die Hefen etwas anders auf Grund der geringen Sauerstoffverfügbarkeit. Die Weine sind recht lila und reich an Glycolen und sehr fruchtig, expressiv. In Bordeaux spielt das nur eine geringe Rolle, ich meine Carmes Haut Brion vergärt so einen Teil. Leider wird der Begriff Ganztraubengärung häufig mit konventioneller Gärung ohne Entbeeren (also mit Rappen) vermischt -- vielleicht vermische aber auch nur ich das-- jedenfalls besteht da eine gewisse Unschärfe.
Eine weitere önologische Technik, die einen starken Anteil auf die Weinfarbe hat, ist die Mikrooxigenation[2]. Durch gezielte Sauerstoffgabe wird die Polymerisation von Tanninen (und auch Anthocyaninen und Tanninen) gefördert, um den Wein zugänglicher, weniger adstringent zu machen. Dadurch wird auch die Farbe durch polymere Pigmente sehr intensiv rot. Ebenso wird aber auch die Konzentration von Nucleophilen durch den Sauerstoff erhöht, aus Sauerstoff und Ethanol entsteht Acetaldehyd, was mit Anthocyanen zu den beschriebenen Pyranoanthocyaninen führt. Wenn die Microoxigenation schieft geht, kann das auch schon mal zu entfärbten Weinen führen. Etwas weiter vorne in dem Faden habe ich zu zu der auffällig intensiven und nicht lilanen Farbung von Sociando-Mallet 2017 etwas geschrieben
[Link]. In dem Zusammenhang habe ich Microoxigenation gemutmaßt; ich stelle ja gerne Theorien auf, sollte man nicht zu ernst nehmen. Microoxigenation kann auch eingesetzt werden, um die Konzentration von vegetalen, teilweise als unangenehm empfundenen, Aromen zu reduzieren. Diese vegetalen Aromen entstehen z.B. durch unreife, grüne Trauben. In Jahren mit Spätfrost, wie 2017, kam es in vielen Weinbergen zu einer inhomogenen Reife, weil nach dem Spätfrost noch ein zweites Mal ausgetrieben sind. Ob das bei Sociando-Mallet der Fall war, weiß ich nicht. In jedem Fall verändert Microoxigenation die Zusammensetzung der Alterungsprodukte von Weinen im Vergleich zu Weinen, die nicht oxygeniert wurden.
Wenn du also lila gefärbte Weine nicht besonders magst, könnte das entweder an den noch recht unsanften Gerbstoffen liegen, an einem hohen Anteil von Glycerin und anderen Gärungsnebenprodukten, oder auch an den spezifischen Aromen von Petit Verdot (ist ja sehr floral mit Veilchen und Lavendel). Vielleicht gefällt dir auch einfach die Farbe einfach nicht
.
Grüße, Josef
p.s.: Die Konzentration von wichtigen Pyranoanthocyaninen wie Vitisin A und Vitisin B scheint unabhängig vom Alter der Weine wohl stabil zu sein. Die Anthocyaninkonzentration (der freien) nimmt ab, und auch polymere Pigmente fallen als Depot aus. Die gelblich-orange Farbe der Pyranoanthocyanine bleibt zurück.
[1] A. L. Waterhouse, J. Zhu,
J. Sci. Food Agric.,
2019,
14, 5093-5101.
[Link][2] E. Gómez-Plaza, M. Cano-López,
Food Chemistry,
2011,
125 , 1131–1140.
[Link]