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Bordeaux 2015

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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bordeauxlover

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Re: Bordeaux 2015

BeitragSa 12. Jan 2019, 01:16

Also ich habe mir Weihnachten über drei Tage die erste meiner 6 Flaschen Gazin gegönnt, weil ich spontan Lust auf jungen Bordeaux hatte, was mir eher selten passiert. An Verschluss bei einem Bordeaux gut 3 Jahre nach der Lese habe ich offen gestanden noch nie einen Gedanken verschwendet. So früh öffne ich fast nie Bordeaux, wegen der Fruchtphase eher zwischen dem vierten und sechsten Jahr. Ich habe in den 90ern noch regelmäßig an Arrivageproben teilgenommen und kann mich kaum an dreijährige Bordeaux erinnern, die mir in dem Alter wirklich toll geschmeckt hätten, alles mehr zur Potentialprognose und Verortung, ob mir der Stil bestimmter Châteaux oder der Jahrgang zusagt.. Ich habe da eigentlich immer eine deutliche Genusssteigerung von Jahr 3 nach 4, 5 oder 6 erlebt. Den Gazin habe ich auch keinesfalls verschlossen erlebt, vielmehr mit viel Frucht und im Hintergrund ziemlich massiven Tanninen. Der profitiert derzeit in jedem Fall von Luft. Die letzten Schlucke am dritten Abend aus der angebrochenen Flasche waren die Besten. Derzeit kein hedonistischer Genuss zum Solotrinken, sondern weitaus besser zu passendem Essen. Im Nachhinein wäre es zumindest für meinen Geschmack besser gewesen, noch ein Jahr zuzuwarten mit der ersten Flasche. Mein Tip wäre also, eher noch 1-2 Jahre zu warten ohne Angst vor Verschluss. Die hätte ich je nach Jahrgang und Château generell erst ab Jahr 6 bis ungefähr Jahr 15-20. Da habe ich in Einzelfällen aber eher noch Bordeaux mit 25 Jahren als verschlossen empfunden als solche mit 4 oder 5 Jahren.

Mit weinfreundlichen Grüßen
Armin
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bordeauxlover

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Re: Bordeaux 2015

BeitragSa 12. Jan 2019, 01:33

Kleiner Nachtrag: Wesentlich mehr Spaß hatte ich vor ein paar Monaten mit dem einzigen von mir noch früher geöffneten 2015er: Château Quinault L‘Enclos, St. Emilien. Den habe ich wirklich als hedonistischen Spaßmacher im Glas empfunden.
Armin
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2015

BeitragSa 12. Jan 2019, 09:21

Danke, Armin. Klar ist der bei weitem unfertig und geht es um Potential/Einschätzung.

Deine Erfahrung steht etwas im Widerspruch hierzu,oder?
UlliB hat geschrieben:Bei einigen kürzlich probierten 2015ern hatte ich genau den gleichen Eindruck wie Jochen: viel Luft bekommt denen gar nicht.
(Zitat aus dem Belüftungs-Offtopic im 2016er Thread)
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Bordeaux 2015

BeitragSa 12. Jan 2019, 09:55

amateur des vins hat geschrieben:Deine Erfahrung steht etwas im Widerspruch hierzu,oder?
UlliB hat geschrieben:Bei einigen kürzlich probierten 2015ern hatte ich genau den gleichen Eindruck wie Jochen: viel Luft bekommt denen gar nicht.
(Zitat aus dem Belüftungs-Offtopic im 2016er Thread)

Achtung, aufpassen: auch wenn ich das an dieser Stelle nicht explizit geschrieben habe, beschränken sich meine Erfahrungen mit 2015 bislang ausschließlich auf Cabernet-betonte Weine vom linken Ufer. Wie sich ein fast reinsortiger Merlot vom rechten Ufer verhält: keine Ahnung. Das kann ähnlich sein, aber auch total anders.

Außerdem (und das kann man gar nicht genug betonen): Geschmäcker sind unterschiedlich. Wie ich geschrieben hatte, suche ich in jungem Bordeaux die Primärfrucht. Fruchtverächter (die heute bei Weinfreaks eher die Regel als die Ausnahme sind) empfinden es vielleicht als angenehm und harmonisierend, wenn sie einen Teil davon wegbelüften und die "dunkleren" Teile des Weins stärker betonen.

Karsten, wenn Du mehrere Flaschen vom Gazin hast, würde ich bedenkenlos eine aufmachen und probieren. Den ersten Schluck pop & pour, danach in die Karaffe und über zwei Tage regelmäßig verfolgen, was draus wird. Interessant und lehrreich ist das immer, und wenn es nur darum geht, den eigenen Geschmack besser zu verorten. Handelt es sich aber um eine Einzelflasche oder hast du vielleicht nur zwei, würde ich sie eher zulassen. Richtig Spaß macht Bordeaux eben erst in der vollen Trinkreife.

Gruß
Ulli
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2015

BeitragSa 12. Jan 2019, 10:23

Ulli, ich hatte gehofft, daß Du noch etwas dazu schreibst. :)
Gut, daß Du auf Cabernet vs. Merlot hinweist; das war mir wirklich nicht klar.
UlliB hat geschrieben:Den ersten Schluck pop & pour, danach in die Karaffe und über zwei Tage regelmäßig verfolgen, was draus wird.
Also doch! :P
Nee, schon klar - Erkenntnisgewinn. :ugeek:
Ich hatte mir von ausgewählten Weinen eine vierte Flasche explizit für Babymord zu diesem Zweck gegönnt. Dann sollte ich wohl jetzt keinen Rückzieher machen. :lol:
Besten Gruß, Karsten
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 16. Jan 2019, 20:53

Melde Vollzug! :ugeek:

Château Gazin 2015

Der Gazin zeigt zunächst eine intensive, merlottypische Nase: Pflaume, leicht süßlich, Heidelbeere. Ein wenig Bleistift angedeutet. Alkohol gut, aber nicht perfekt eingebunden. Am Gaumen kräftige, aber feine Tannine. Schwarze Aromen, deutlich bitter (Toasting?), nachklingend. Etwas wässriger/druckarmer Gesamteindruck [+4h] Die Frucht ist weitgehend verschwunden. Es bleiben Tannine, Holz, bitter. [+1d] Ein Hauch von Frucht kommt zurück, aber der harsche, bittere Eindruck bleibt.

Ich kenne mich nicht aus, aber würde meinen, daß viel zu aggressiv ausgebaut wurde. Ich habe Hoffnung, daß sich das harmonisieren könnte, aber dafür braucht es viel Zeit und Geduld.


Damit der Gazin sich nicht so einsam fühlt, habe ich ihm noch diesen hier zur Seite gestellt:

Roc de Cambes 2015

In der Nase sehr reif und etwas kompottig, dabei aber sehr harmonisch. Am Gaumen aber etwas überraschend überhaupt nicht marmeladig oder überreif! Mittelkörnige Tannine, schöne Säure. Wunderbarer Korb von Waldbeeren. Kraftvoll-elegant, ausgewogen. Im Abgang ganz zuletzt ein Hauch bitter, aber nicht störend, sondern eher animierend (Lakritz). [+4h] Wenig verändert. etwas Waldboden hinzu, Tannine leicht gemildert(?). Schön! [+1d] Weiterhin unverändert.

Obwohl jung, ist der Roc de Cambes sehr zugänglich und macht bereits Spaß.
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 17. Jan 2019, 09:16

Hallo Karsten,

danke für die Notizen.
amateur des vins hat geschrieben: [+4h] Die Frucht ist weitgehend verschwunden. Es bleiben Tannine, Holz, bitter.

Ah ja. Siehst Du, was ich meine?
Ich kenne mich nicht aus, aber würde meinen, daß viel zu aggressiv ausgebaut wurde.

Den Ausbau, d.h. die Lagerung im Barrique bzw. die Holzart und das Toasting würde ich für harsche, ausgeprägte Bitternoten nicht für ursächlich halten. Dunkles Toasting gibt zwar Röstaromen, aber an sich keinen Eintrag von Bitterstoffen (der Gerbstoffeintrag aus dem Fass wird durch starken Einbrand sogar reduziert).

Was Du beschreibst, hört sich eher nach forcierter Extraktion an, d.h. lange Maischestandzeit mit häufigem Untertauchen des Tresterhuts oder Überpumpen des Mosts, und das auch noch bei vergleichsweise hoher Temperatur. Starke Extraktion war in Bordeaux lange angesagt, sie ist aber in den letzten Jahren ziemlich aus der Mode gekommen - wobei gerade auf dem rechten Ufer einige Protagonisten immer noch auf Teufel komm heraus extrahieren.

Ob sich das bei der Lagerung einrenkt? Kann sein, wenn die Substanz ansonsten gut ist. Aber eine Garantie gibt es dafür nicht.

Was Gazin betrifft: ich warte noch auf einen, der mir gefällt. Gemessen an den Möglichkeiten in Pomerol ist das immer ein ziemlich rustikaler Wein. Meine Favoriten dort sind andere - aber die bewegen sich leider mittlerweile auch in einer anderen Preisklasse :|

Gruß
Ulli
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maha

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 17. Jan 2019, 10:34

UlliB hat geschrieben: Was Gazin betrifft: ich warte noch auf einen, der mir gefällt. Gemessen an den Möglichkeiten in Pomerol ist das immer ein ziemlich rustikaler Wein. Meine Favoriten dort sind andere - aber die bewegen sich leider mittlerweile auch in einer anderen Preisklasse :|

Danke Karsten für Deine Eindrücke!

Ulli, wir haben im Mai eine Gazin Vertikale auf der Agenda. Kannst Du ein paar bisherige Jahrgangserfahrungen posten (falls nicht zu off-topic, ansonsten gerne auch per PN oder im Pomerol Faden)? Ich organisiere die Probe und bin noch unschlüssig welche Jahrgänge ich rein nehme. Gibt es ein paar "must haves" oder absolute "no gos"?
Ich denke 15 werde ich nicht mit rein nehmen :-)

Danke
Gruss
Marko
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 17. Jan 2019, 11:41

UlliB hat geschrieben:
amateur des vins hat geschrieben: [+4h] Die Frucht ist weitgehend verschwunden. Es bleiben Tannine, Holz, bitter.
Ah ja. Siehst Du, was ich meine?
Ja, sehr lehrreich.
UlliB hat geschrieben:Den Ausbau, d.h. die Lagerung im Barrique bzw. die Holzart und das Toasting würde ich für harsche, ausgeprägte Bitternoten nicht für ursächlich halten. Dunkles Toasting gibt zwar Röstaromen, aber an sich keinen Eintrag von Bitterstoffen (der Gerbstoffeintrag aus dem Fass wird durch starken Einbrand sogar reduziert).

Was Du beschreibst, hört sich eher nach forcierter Extraktion an, d.h. lange Maischestandzeit mit häufigem Untertauchen des Tresterhuts oder Überpumpen des Mosts, und das auch noch bei vergleichsweise hoher Temperatur. Starke Extraktion war in Bordeaux lange angesagt, sie ist aber in den letzten Jahren ziemlich aus der Mode gekommen - wobei gerade auf dem rechten Ufer einige Protagonisten immer noch auf Teufel komm heraus extrahieren.
Ok. Die Aussage in der Klammer ist mir neu. Hättest Du da eventuell eine Quelle?

Es auf das Toasting zu schieben, kam mir in den Sinn, weil die Bitternote sich deutlich von dem unterschied, was ich bisher Überextraktion zurechnete: irgendwie... verkohlt, wie schwarz verbrannter Saft beim Pflaumenkuchenbacken. Das trifft es auch nicht ganz, aber Du erkennst die Richtung...

UlliB hat geschrieben:Meine Favoriten dort sind andere - aber die bewegen sich leider mittlerweile auch in einer anderen Preisklasse :|
Ich hatte 2 oder 3 verschiedene Jahrgänge VCC. Meine 2008er werden wohl leider die letzten sein...
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 17. Jan 2019, 18:00

amateur des vins hat geschrieben: Die Aussage in der Klammer ist mir neu. Hättest Du da eventuell eine Quelle?

Auf die Schnelle nicht für Wein, aber für Whisky (konkret: Bourbon): https://vinepair.com/wine-blog/what-are ... ey-tastes/

Zur Erläiuterung - Bourbon wird in 100% Neuholz (amerikanische Weisseiche) ausgebaut; die Fässer werden aber traditionell stark ausgebrannt, bis hin zum "alligator char". Etwa in der Mitte des Artikels findest du: "The higher the char, the mellower the interaction between spirit and tannin."

Mechanistisch ist das auch völlig plausibel. Während leichtflüchtige (=niedermolekulare) Aromakomponenten wie Vanillin auch aus tieferen Schichten des Holzes in den Wein diffundieren können, können das die höhermolekularen Gerbstoffe nicht, sie müssen aus der Oberfläche des Holzes durch den Fassinhalt herausgelöst werden. Wird diese Oberfläche aber durch starkes Einbrennen karamelisiert oder möglichweise sogar verkohlt, ist das nur noch eingeschränkt möglich.

Genau so haben mir das auch zwei Winzer unabhängig erklärt, und bei einem durfte ich denselben Wein aus mehreren unterschiedlichen Barriques mit verschiedenem Einbrand verkosten, eine hochinteressante Erfahrung. Auch ich war lange dem Irrtum aufgesessen, dass ein starker Fasseinbrand besonders intensive Holznoten gibt. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: die (flüchtigen) Röstaromen intensivieren sich zwar, aber der Gerbstoffeintrag und der generelle Holzcharakter wird reduziert.

Zitatv dazu aus dem wein+-Glossar: "Je schwächer der Anröstungsgrad, desto mehr Inhaltsstoffe werden aus dem Eichenholz in den Wein übergeführt. Solche Weine schmecken „holzbetont“."

@maha: PN zum Gazin folgt demnächst.

Gruß
Ulli
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