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out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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innauen

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 09:46

Wer will schon Hubschrauber sehen und hören, die über den Weinberg kreisen - denn so wurde es laut Artikel ja früher gemacht. Findest Du es wirklich problematisch, wenn die gut und gerne 30-60 ha großen Flächen von Drohnen abgeflogen werden und was wäre der Vorteil, wenn Angestellte des Weinguts das machen würden?

Grüße,

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octopussy

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 10:11

innauen hat geschrieben:Wer will schon Hubschrauber sehen und hören, die über den Weinberg kreisen - denn so wurde es laut Artikel ja früher gemacht. Findest Du es wirklich problematisch, wenn die gut und gerne 30-60 ha großen Flächen von Drohnen abgeflogen werden und was wäre der Vorteil, wenn Angestellte des Weinguts das machen würden?

Ein technischer Vorteil besteht sicher nicht, wenn Angestellte des Weinguts in die Weinberge gehen. Höchstens ein ästhetischer und kultureller. Ich habe einfach emotional Probleme damit, wenn in Weingütern das, was Wein als Kulturgut für mich ausmacht, nämlich die Verbindung zwischen Mensch und Natur, verloren geht. Überall gehen die Winzer und ihre Angestellten schlicht in den Weinberg und überprüfen den Reifezustand und die Gesundheit der Trauben. Im Bordelais mögen die Weinberge etwas größer sein als anderswo, so dass das mühsamer ist. Trotzdem widerstrebt mir einfach dieser technologiegetriebene Perfektionismus.
Beste Grüße, Stephan
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olifant

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 10:43

octopussy hat geschrieben:Ein technischer Vorteil besteht sicher nicht, wenn Angestellte des Weinguts in die Weinberge gehen. Höchstens ein ästhetischer und kultureller. Ich habe einfach emotional Probleme damit, wenn in Weingütern das, was Wein als Kulturgut für mich ausmacht, nämlich die Verbindung zwischen Mensch und Natur, verloren geht. Überall gehen die Winzer und ihre Angestellten schlicht in den Weinberg und überprüfen den Reifezustand und die Gesundheit der Trauben. Im Bordelais mögen die Weinberge etwas größer sein als anderswo, so dass das mühsamer ist. Trotzdem widerstrebt mir einfach dieser technologiegetriebene Perfektionismus.


Na ja,
zunächst ist die Weinrebe eine landwirtschaftliche Nutzpflanze und Wein, nebst Trauben, Rosinen und weiterer Nebenprodukte, deren Ertrag.
Egal ob bei Weizen, Kartoffeln usw., und wenn man den Artikel liest, bei Wein auch schon immer, wird innovative Technik zur Verbesserung der Ergebnisse entwickelt und auch eingesetzt.
Nur weil man den bisherigen Überwachungssatelltien die ähnliches leisten nicht sieht - klar, bewegen sich ja schliesslich im Orbit - muss eine Drohne doch keine Verschlechterung darstellen, nur weil ich diese sehen kann. Die Drohne wird für die angedachte Funktion wohl effizienteres leiosten, was schlussendlich einer Verbesserung des Produkts und einer einhergehenden Kosteneffizienz dient. Agrarproduktion ist industrialisiert, da macht der wein wohl kaum eine Ausnahme. Man muss wohl einfach auch die schiere Grösse der entsprechenden Betriebe ins Kalkül mit einbeziehen.
Ein klassisches Verkosten der Trauben vor der Lese, zumindest beim im Artikel genannten Unternehmen, trotz arialer Überwachung derselben, wird hierdurch schliesslich nicht ersetzt.

Ich denke, dass muss man so sehen wie Korken und Schrauber, lieber Plopp und die möglich Beeinträchtigung durch Baumrinde, oder eher unemotionales Aufdrehen einer Flasche, dafür garantiert korkneutral.

Abgesehen davon wird es auch immer Winzer geben, die nur sich selbst vertrauen, ob mangelnden Resourcen, oder einer dahinter stehenden Weltanschauung geschuldet ...
Zuletzt geändert von olifant am Do 25. Sep 2014, 11:26, insgesamt 1-mal geändert.
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OsCor

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 11:00

Keinem der vorgenannten Argumente kann ich widersprechen. Allerdings mag ich Kartoffeln und Weizen emotional auch nicht in einen Topf mit Wein werfen :) Deshalb hätte ich mich jetzt gewundert, wenn kein Kommentar dazu erfolgt wäre.
Und: Irgendwie beschleicht mich dabei die Assoziation, dass Backmischungen von Dr. Oetker auch immer besser geworden sind, auch wenn da alles nur noch von Maschinen nach immer dem gleichen Rezept produziert wird :?

Oswald
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octopussy

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 11:41

OsCor hat geschrieben:Keinem der vorgenannten Argumente kann ich widersprechen. Allerdings mag ich Kartoffeln und Weizen emotional auch nicht in einen Topf mit Wein werfen :)

Danke!

Genauso sehe ich das auch. Sicher kann man Wein komplett entemotionalisieren und sagen "nur der Inhalt zählt". Wenn man die 14 Seiten dieses Threads durchliest, dann entspricht aber gerade eine solche Einstellung nicht den (vermuteten) Bedürfnissen vieler Kunden.

Dieses Jahr im Januar war ich wieder im Burgund, im Beaujolais und im Jura. Januar ist dafür für mich die schönste Zeit, alles ist ruhig, die Winzer haben Zeit, es gibt kaum Touristen. Es ist so idyllisch, durch die Weinberge zu spazieren und den Duft der verbrannten Ruten einzuatmen. Sanft steigt der Rauch auf, Frauen und Männer stehen frierend mit ihren Mützen und Handschuhen in ihren Weinbergen und arbeiten an der Vorbereitung für die nächste Wachstumsperiode. Jetzt stelle ich mir in einem goldenen Herbst, wenn sich die Blätter schon verfärben und die Weinlese los geht, vor, dass in denselben Weinbergen hier eine Drohne rumfliegt und dort eine Drohne rumfliegt (oder noch schlimmer: ein Hubschrauber hier und ein Hubschrauber da). Ein einziges Summen liegt in der Luft :?.

Die Bordelaiser sollen bitte mit Drohnen ihre Weinberge "röntgen". Aber muss ich das gut finden?
Beste Grüße, Stephan
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olifant

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 12:37

Natürlich will ich keinem den Glauben an eine Bessere Weinwelt nehmen, in der alles mit Liebe im Einklang mit der Umwelt handgemacht ist ;) - jedoch ist diese - ich sage jetzt mal Emotion - doch nicht eine reine Illusion?

octopussy hat geschrieben: Es ist so idyllisch, durch die Weinberge zu spazieren und den Duft der verbrannten Ruten einzuatmen. Sanft steigt der Rauch auf, Frauen und Männer stehen frierend mit ihren Mützen und Handschuhen in ihren Weinbergen und arbeiten an der Vorbereitung für die nächste Wachstumsperiode. Jetzt stelle ich mir in einem goldenen Herbst, wenn sich die Blätter schon verfärben und die Weinlese los geht, vor, dass in denselben Weinbergen hier eine Drohne rumfliegt und dort eine Drohne rumfliegt (oder noch schlimmer: ein Hubschrauber hier und ein Hubschrauber da). Ein einziges Summen liegt in der Luft :?.


Das wäre doch nicht anders, als würden wir noch an die Piemontkirsche glauben, oder an Onkel Dittmeier, der mit seinem Enkel durch die üppig begrünten und blühenden Orangenhaine streift, denn der Orangensaft mit den Fruchtstückchen schmeckt doch so natürlich wie die vorgegaukelten Bilder :lol:

Selbst die eigenen Bilder idyllischer Weinberge sind nur Momentaufnahmen einer Welt, das man so sieht, weil man es eben so sehen will - ein Segen der Wahrnehmung.
Bei Schädlingsbefall fahren noch alle konventionell arbeitenden Winzer mit der chemischen Keule in den Weinberg, die anderen behelfen sich mit Kupfersulfat - ist ja keine Chemie - :lol: .
Natürlich ist das etwas überspitzt, aber sagt mal, in welcher Welt leben wir denn?

Wenn die Drohnen Vorteile bringen, dann werden diese über kurz oder lang auch im Burgund schwirren, in Reinhessen, der Toskana oder sonst wo ...
Stell dir einfach vor, das Summen käme von der Unmenge an Insekten, die in der einzigartigen Monokultur des Weinbaues ihr natürliches Auskommen finden.

Ich will ja keinem seine Emotionen nehmen, aber Weinbau ist auch Landwirtschaft, auch Schweiss und Arbeit, und wo technische Hilfe möglich ist, wird diese gerne in Anspruch genommen.
Und dennoch kann ein Schluck Wein verzaubern ...
Grüsse

Ralf

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Gerald

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 12:44

Ich verstehe auch nicht, was an den Drohnen so schlimm sein soll. Traktoren als Hilfsmittel sind ja auch - trotz Dieselabgasen und Bodenverdichtung - allgemein akzeptiert, dabei stören diese meiner Ansicht nach das Bild der heilen Winzerwelt sehr viel stärker also ein paar kleine, relativ leise Drohnen mit Elektroantrieb.

Es ist schon merkwürdig, auch Phytohormone für stärkeres Wachstum der Traubenansätze (und damit bessere Durchlüftung, folglich geringere Gefahr von Pilzinfektionen) sind schreckliches Teufelszeug. Den ganzen Weinberg alle paar Tage mit Pestiziden vollzuspritzen hingegen ist Zeichen "sorgfältiger Weingartenarbeit" :o

Grüße,
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innauen

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 14:44

Hallo,

es gibt eine herrliche Szene, die Vorstellung und Wirklichkeit im Weinberg ironisch auf die Schippe nimmt. In "Ein gutes Jahr" schlendert Russel Crowe durch die Weinberge, die ihm sein Onkel vererbt hat. Das späte Abendlicht Südfrankreichs fällt auf die Rebanlagen und der sympathische Kellermeister fährt mit dem Traktor durch die Reben und sprüht eine Flüssigkeit, die sich im fallenden Licht lavendelfarben bricht. Russel Crowe beugt sich und nimmt - ein Fingerzeig auf Gladiator - eine Handvoll frisch besprühter Erde in die Hand, um an daran zu riechen. Die Folge: Würreiz und Husten. Das Zeug war Chemie.

Grüße,

wolf
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OsCor

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 17:18

innauen hat geschrieben:…die Vorstellung und Wirklichkeit im Weinberg ironisch auf die Schippe nimmt…

Es dürfte nur wenige Weinliebhaber geben, die die Wirklichkeit im Weinberg nur verklärt sehen. Dennoch ist das Erlebnis von octopussy auch für mich etwas verstörend (leider fällt mir kein adäquaterer Ausdruck dafür ein). Man genießt das Produkt eines Winzers mit allen Sinnen, beschreibt es in VKNs schier poetisch, und deshalb kann so ein Erlebnis Angst einjagen, dass auch sehr guter Wein eines Tages ebenso ein reines Industrieprodukt sein könnte wie heutzutage sehr viele andere Lebensmittel - um nicht zu sagen: die meisten.

Ok, für mich schließe ich hiermit den Ausflug ins OT
Oswald
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sorgenbrecher

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDo 25. Sep 2014, 18:04

meines erachtens spricht stephan ein thema an, dass durchaus enorm wichtig ist: die emotionale bindung zu einem produkt.
und insbesondere in der preislage, in der wir uns bei den besseren weinen im bordeaux und im burgund bewegen, handelt es sich zweifelsfrei um luxusprodukte, bei denen diese emotionale bindung sehr wichtig ist.

ich mache keinen hehl daraus, dass es auch diese emotionalität beim thema wein ist, die mich so für das burgund begeistert. ich respektiere bordeaux, habe hochachtung vor der enormen konstanz, mit der auf vielen gütern erstklassige weine erzeugt werden und hatte von dort atemberaubende qualitäten im glas. trotzdem bleibt eine gewisse distanz, warum auch immer. vielleicht ist es die masse, die mit großer perfektion erzeugt wird, die unnahbarkeit auf den chateau, die anonymität des händlervertriebs, der einfluss von parker,....vieles lässt sich eben nicht rein rational beschreiben, sondern spielt sich auf der emotionalen ebene ab.
zum burgund habe ich dagegen eine viel stärkere emotionale verbindung, es ist klein, familiär, aber es zu verstehen gleicht trotzdem einer lebensaufgabe. die winzer mit ihren teilweise mikroskopisch kleinen lagen sind oft ebenso undurchschaubare originale. manchmal kann man wochenlang telefonieren, um einen termin zu bekommen und nix rührt sich, für kein geld der welt, und dann trifft man den winzer zufällig abends im restaurant oder in einer weinbar, kommt ins gespräch und hat eine probe, bei der wirklich alles ins glas kommt was im programm ist, am nächsten tag und geht danach gemeinsam essen. mehrfach habe ich das erlebt. diesen leuten verzeiht man dann auch eher mal einen enttäuschenden wein.

darüber hinaus sind es natürlich persönliche geschmacksvorlieben für die weine. diese unmittelbare beziehung zum winzer habe ich ähnlich sympathisch beispielsweise auch im c9dp gefunden, tolle menschen, aber ich komme einfach mit den weinen nicht mehr klar. ich habs versucht, habe mir mühe gegeben, da ich sie eigentlich mögen will, aber es klappt nicht. bis auf wenige ausnahmen sind mir grenache-dominierte weine inzwischen ein greuel. :?
im vergleich bordeaux vs. burgund ist das anders. ich mag unglaublich viele bordeaux extrem gern trinken, ich genieße sie und ich gebe zu, dass die qualitative homogenität der spitzenweine trotz der enormen verbesserungen im burgund noch immer führend im bordeaux ist. aber ich kaufe deutlich mehr burgunder, akzeptiere seufzend die teils absurden preise, verzeihe meinen lieblingswinzern auch mal einen schlechten wein und weiß, dass dann wieder eine flasche kommt, die für alles entschädigt, bei der die qualität des weines mit meinen persönlichen geschmackspräferenzen und mit der emotionalen erwartungshaltung zum perfekten zeitpunkt zusammenkommt.
und dann geht die nächste bestellung raus... :?
Gruß, Marko.
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