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out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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octopussy

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 13:05

Matthias Hilse hat geschrieben:Dazu vielleicht einmal ein konkretes und in seiner Konsequenz beachtliches Beispiel, dass das in Burgund mit der Flächenaugmentation doch genauso geht: Nachdem Armand Rousseau im Burgund einen knappen Hektar Chambertin von Jean-Claude Belland kauft hatte, stieg der Preis für den anteiligen Wein aus den gleichen Reben innerhalb eines Jahres etwa um den Faktor 10.

Das möchte ich anzweifeln. Erstens hat Rousseau nur 0,41 ha gekauft. Zweitens dürfte sich der Preisunterschied nur auf den Zweitmarktpreis beziehen, wenn er denn überhaupt stimmt. Ab Hof und für die Händler, die langjährige Beziehungen zu dem Weingut haben, sind die Preise bei Rousseau nicht wesentlich über dem in Gevrey-Chambertin sonst üblichen Preisniveau. Eine Verdoppelung des Preises würde ich noch glauben können, an einer Verzehnfachung habe ich doch erhebliche Zweifel.
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glycosid

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 13:17

glycosid hat geschrieben:Denn im Bordelais gibt es anteilig gewisslich mindestens ebenso viele ambitionierte Erzeuger im in Rede stehenden Preisbereich wie etwa an der Rhône oder im Roussillon, weshalb sich die obige Aussage problemlos auch umkehren ließe und dann auch genau so zutreffend wäre. Es sei denn, man kann ganz einfach mit dem Stil des Bordeaux grundsätzlich nicht viel anfangen...

Bernd Schulz hat geschrieben:Wenn du spezielle Tipps hast (gerne auch noch im niedrigen zweistelligen Preisbereich!), nur immer her damit! Ich lasse meine Vorurteile gerne widerlegen.

austria_traveller hat geschrieben:Kennst du welche, oder ist das nur eine Vermutung, dass es Solche geben müsste ?


Mal nur so als Beispiele, die mir gerade eingefallen sind:

Vor zwei Jahren bei Globus gekauft: Château Bois-Pertuis 2009 AC Bordeaux, zu 3,99 € -> Preis/Genuss schwerlich überbietbar...

Vor einem halben Jahr bei Galeria Kaufhof im Angebot: Château Belle-Vue 2007, Haut-Médoc, zu 10 € -> Preis/Genuss schwerlich überbietbar...

Aktuell bei Globus im Sortiment: Château des Cabans 2009, Médoc (CB) zu 4,99 € -> Preis/Genuss schwerlich überbietbar...

Freilich ist bei "Preis/Genuss" so etwas wie ein "objektiver" Vergleich zwischen Weinen unterschiedlicher, weinkultureller Herkunft gar nicht wirklich möglich, da Genuss immerdar subjektiv und z.B. ein Bordeaux in vielerlei Hinsicht eben kein Côtes-du-Rhône ist. Es kann also immer nur um subjektive Geschmacks-Wertung gehen, und dabei sind subjektive Vorlieben völlig unvermeidbar und auch nicht "rausrechenbar".
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Bernd Schulz

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 14:07

Vor zwei Jahren bei Globus gekauft: Château Bois-Pertuis 2009 AC Bordeaux, zu 3,99 € -> Preis/Genuss schwerlich überbietbar...


Hmm, dass mir ein Supermarkt-BDX aus dieser Preisklasse schmecken könnte, kann ich mir nicht so richtig vorstellen. Aber ich leugne auch nicht wirklich, dass ich Vorurteile habe....

Es kann also immer nur um subjektive Geschmacks-Wertung gehen, und dabei sind subjektive Vorlieben völlig unvermeidbar und auch nicht "rausrechenbar".


Völlig klar! Es geht bei meinen Auslassungen am Ende auch nur darum, warum der Kauf von Bordelaiser Gewächsen für mich ziemlich unattraktiv ist. Irgendwie muss ich das ja begründen... :mrgreen:

Viele Grüße

Bernd
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Matthias Hilse

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 14:28

octopussy hat geschrieben:
Matthias Hilse hat geschrieben:Dazu vielleicht einmal ein konkretes und in seiner Konsequenz beachtliches Beispiel, dass das in Burgund mit der Flächenaugmentation doch genauso geht: Nachdem Armand Rousseau im Burgund einen knappen Hektar Chambertin von Jean-Claude Belland kauft hatte, stieg der Preis für den anteiligen Wein aus den gleichen Reben innerhalb eines Jahres etwa um den Faktor 10.

Das möchte ich anzweifeln. Erstens hat Rousseau nur 0,41 ha gekauft. Zweitens dürfte sich der Preisunterschied nur auf den Zweitmarktpreis beziehen, wenn er denn überhaupt stimmt. Ab Hof und für die Händler, die langjährige Beziehungen zu dem Weingut haben, sind die Preise bei Rousseau nicht wesentlich über dem in Gevrey-Chambertin sonst üblichen Preisniveau. Eine Verdoppelung des Preises würde ich noch glauben können, an einer Verzehnfachung habe ich doch erhebliche Zweifel.

Meine Motivation, die Relation Belland/Rousseau ins Spiel zu bringen, war aufzuzeigen, dass es die "Markenbildung" in Burgund genauso gibt wie anderswo. Die Größe der verkauften Fläsche habe ich aus einem Gespräch mit dem Winzer nach dem Verkauf erinnert - es ist sicherlich richtig, dass ich hier erst hätte recherchieren können. Da wir hier, ansonsten verstehe ich vielleicht etwas falsch, doch immer über EVP reden, bezieht sich meine Angabe auf Brutto-Endkundenpreise. Aktuell bekommt man den Chambertin 2008 von Belland noch für ca. EUR 80,00, während der 2009er bei einem deutschen Händler, der nicht für seine überhöhten Preise bekannt ist, für EUR 1.400,00 angeboten wird. Diese Relation war etwas anders, als der Jahrgang 2009 lanciert wurde. Da ich die Belland-Weine bis zum Verkauf des Weinguts im Sortiment hatte, weiss sich ein wenig, worüber ich rede.

Herzliche Grüße,
Matthias Hlse
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octopussy

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 15:19

Matthias Hilse hat geschrieben:Da wir hier, ansonsten verstehe ich vielleicht etwas falsch, doch immer über EVP reden, bezieht sich meine Angabe auf Brutto-Endkundenpreise. Aktuell bekommt man den Chambertin 2008 von Belland noch für ca. EUR 80,00, während der 2009er bei einem deutschen Händler, der nicht für seine überhöhten Preise bekannt ist, für EUR 1.400,00 angeboten wird.

Wir reden über Brutto-Endkundenpreise. Diese variieren aber ganz extrem bei Burgundern, je nachdem, wo man kauft. In einem Interview mit der RVF hat Rousseau vor nicht so langer Zeit gesagt, dass sein Chambertin ab Hof 170 Euro kostet (Brutto-Endkundenpreis). Natürlich kann ich da nicht einfach so anrufen und fragen: "Eric, reservierst du mir mal bitte eine 12er Kiste 2012 Chambertin?" Wenn ich aber schon vor 20 Jahren dort eingekauft hätte, wäre das - wenn ich anderen glauben darf - möglich. Auch bei den deutschen Händlern variieren die Preise enorm. Dass der 2009er Chambertin bei einem Händler so teuer ist, liegt im Zweifel daran, dass es eben 2009 ist und man den Wein ohne größeren Aufwand aktuell nirgendwo anders kriegt. Den 2011er Chambertin von Rousseau kann ich problemlos bei wine-searcher.com für weniger als die Hälfte recherchieren. Und das ist bei weitem nicht der niedrigste Preis, den man als Endkunde beim Händler bekommen kann (Allkokationen aus Vorjahren, usw.). Ich will damit nur sagen: mit den Burgunderpreisen ist es nicht so einfach.

Hinzu kommt (ist aber ein anderes Thema), dass, wer heute Grand Cru Besitz (oder auch Trauben) kaufen will, ohne familiäre oder ähnliche Beziehungen sehr tief in die Tasche greifen muss. EUR 3,8 Mio. ist der zuletzt veröffentlichte Durchschnittspreis pro Hektar Grand Cru im Burgund. Zum Vergleich: in St. Estephe kostete 2009 ein Hektar Weinberg durchschnittlich EUR 350.000, in Pauillac EUR 1 Mio. (liegt mittlerweile bei ca. EUR 1,5 Mio.) und in St. Julien und Margaux durchschnittlich EUR 1,1 Mio. In St. Estephe könnte ich mir also z.B. als Ch. Montrose für EUR 350.000 einen Hektar Ch. Phélan Ségur Cru Bourgeois kaufen und den Wein, der vorher für 25 Euro die Flasche verkauft wurde, jetzt für 80 Euro die Flasche verkaufen. Kaufe ich 1 ha Chambertin, dann muss ich den Wein zu einem bestimmten (hohen) Preis verkaufen, weil ich sonst nie und nimmer mein Investment amortisiert kriege.
Beste Grüße, Stephan
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Matthias Hilse

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 16:06

octopussy hat geschrieben:Wir reden über Brutto-Endkundenpreise. Diese variieren aber ganz extrem bei Burgundern, je nachdem, wo man kauft. In einem Interview mit der RVF hat Rousseau vor nicht so langer Zeit gesagt, dass sein Chambertin ab Hof 170 Euro kostet (Brutto-Endkundenpreis). ....

... und in St. Julien und Margaux durchschnittlich EUR 1,1 Mio. In St. Estephe könnte ich mir also z.B. als Ch. Montrose für EUR 350.000 einen Hektar Ch. Phélan Ségur Cru Bourgeois kaufen und den Wein, der vorher für 25 Euro die Flasche verkauft wurde, jetzt für 80 Euro die Flasche verkaufen. Kaufe ich 1 ha Chambertin, dann muss ich den Wein zu einem bestimmten (hohen) Preis verkaufen, weil ich sonst nie und nimmer mein Investment amortisiert kriege.

Man könnte bei Ihrer Erwiederung den Eindruck bekommen, bei Belland hätte es keine "Ab-Hof-Preise" gegeben. :D Und wenn Sie die Sache über die Bodenpreise angehen, kommt natürlich dabei heraus, dass sich das Investment nur ab einem gewissen Return rechnet. Rousseau kann seine Schulden eben schneller zurückzahlen, als ein anderer, der nicht einen solchen Namen hat, es könnte. Rosseau ist die bessere Marke.

Mit den gerne zitierten 20 ha, die die Familie Bouygues Phelan Segur abgekauft hat, ist es aber nicht ganz so simpel. Nach meinem Wissen war es Ch. Latour, das in Bordeaux als erstes Weingut einen Drittwein lancierte. Es hat dann eine ganze Zeit gedauert, bis die Idee, das Spektrum des Zweitweins zu transzendieren, auch anderswo als sinnvoll angesehen wurde. Ob diese Weine das Endkundensegment erreichen, ist dabei eine andere Sache. Denn schon die Zweitweine werden gerne in regionalen Exklusivitäten vertrieben. Wenn Montrose Rebland hinzukauft, dann wird damit ja nicht automatisch die Menge an 2eme GCC erhöht. Die mögliche Ausstoßmenge wird potentiell größer. Schaut man sich die Preise von Dame de Montrose und Phelan Segur an, kann man fast von einem homogenen Preisumfeld sprechen. Ich beobachte hier jedenfalls in den letzten Jahren extrem homogene Qualitäten, so dass ich mir vorstellen kann, dass man eine weitere "Deklassierungsrunde" einführt, um die Qualität des Grand Vin über die Jahrgangsschwankungen hinweg zu stabilisieren. Auf Ch. Margaux gibt es schließlich schon einen Viertwein...

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Matthias Hilse
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UlliB

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 16:31

Matthias Hilse hat geschrieben: Ich beobachte hier jedenfalls in den letzten Jahren extrem homogene Qualitäten, so dass ich mir vorstellen kann, dass man eine weitere "Deklassierungsrunde" einführt, um die Qualität des Grand Vin über die Jahrgangsschwankungen hinweg zu stabilisieren. Auf Ch. Margaux gibt es schließlich schon einen Viertwein...

Übrigens noch ein weiteres Sujet, welches Bordeaux von manchen Leuten entgegen gehalten wird: "da schmeckt mittlerweile jedes Jahr immer gleich" (so z.B. vor gar nicht langer Zeit ein mit Wein beruflich umgehendes Forumsmitglied). Dieser Ruf stützt zwar den Markencharakter, macht die Sache aber für denjenigen, der Wein als Naturprodukt mit entsprechenden naturgegebenen Schwankungen ansehen möchte, auch verdächtig (was im Gegenzug keineswegs daran hindert, zu jammern, wenn solche Schwankungen dann tatsächlich einmal deutlich spürbar auftreten, siehe den GG 2013-Thread).

Bevor mir jetzt widersprochen wird: ich weiß durchaus, dass dieser Ruf nicht stimmt. Aber in diesem Thread geht es um Image, und das entspricht nicht notwendigerweise der Realität. Insofern sind Äußerungen in der Richtung "ja, es gibt doch Bordeaux mit gutem PLV" oder "Bordeaux schmeckt keineswegs jedes Jahr gleich" oder "das sind keine Technoweine" zwar inhaltlich durchaus richtig, sie haben mit der allgemeinen Wahrnehmung, um die es hier geht, wenig zu tun.

Gruß
Ulli
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octopussy

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 17:53

Matthias Hilse hat geschrieben:Man könnte bei Ihrer Erwiederung den Eindruck bekommen, bei Belland hätte es keine "Ab-Hof-Preise" gegeben. :D


So war es allerdings nicht gemeint. Herr Belland wird doch seinen Chambertin aber sicher zuletzt für mindestens 50 Euro ab Hof verkauft haben, oder?

Matthias Hilse hat geschrieben:Mit den gerne zitierten 20 ha, die die Familie Bouygues Phelan Segur abgekauft hat, ist es aber nicht ganz so simpel. [...] Wenn Montrose Rebland hinzukauft, dann wird damit ja nicht automatisch die Menge an 2eme GCC erhöht. Die mögliche Ausstoßmenge wird potentiell größer. Schaut man sich die Preise von Dame de Montrose und Phelan Segur an, kann man fast von einem homogenen Preisumfeld sprechen. Ich beobachte hier jedenfalls in den letzten Jahren extrem homogene Qualitäten, so dass ich mir vorstellen kann, dass man eine weitere "Deklassierungsrunde" einführt, um die Qualität des Grand Vin über die Jahrgangsschwankungen hinweg zu stabilisieren. Auf Ch. Margaux gibt es schließlich schon einen Viertwein...

Genau hier sind wir aber bei den "Markenunterschieden". Rousseau, Roumier, Rouget, Tremblay, DRC, Leflaive, Coche-Dury, Raveneau und noch ein paar wenige andere sind vielleicht "Burgunder-Marken", letztlich aber auch wieder nicht. Ich würde sie eher "Kultwinzer" nennen.

Klassischerweise sind die "Marken" im Burgund die Weinberge: Chambertin, Clos de la Roche, Musigny, Richebourg, Corton, Montrachet, usw. Nicht zuletzt war das Marketing im Burgund bis letztlich in die 70er Jahre ganz anders aufgesetzt als heute. Es gab nur wenige Flaschenvermarkter, und es lief viel mehr über die Négociants. Und bei denen war klar, dass ein Chambertin mehr kostet als ein Charmes-Chambertin, dieser mehr als der Gevrey-Chambertin 1er Cru Les Cazetiers und dieser wiederum mehr als der Gevrey-Chambertin Village. Das ist heute anders, bei manchen Erzeugern kostet der Village Wein mehr als der Grand Cru beim Nachbarn. Gleichwohl übt der Name bestimmter Weinberge für die Käufer immer noch eine große Anziehungskraft aus. Chambertin ist sicher eine ausdrucksstärkere Marke als Pauillac, nicht aber ausdrucksstärker als Château Lafite-Rothschild. Und sie führt dazu, dass im Zweifel jeder der Eigentümer im Chambertin 50 Euro die Flasche brutto (mittlerweile eher in Richtung 100 Euro die Flasche brutto) verlangen kann.

Jetzt wieder zurück nach Bordeaux. Warum hat wohl Ch. Montrose 20 ha von Ch. Phélan Ségur gekauft? Das hat sicher mehrere Gründe. Einer der Gründe dürfte der bereits genannte Grund sein, dass damit mehr Fläche zur Verfügung steht, um noch mehr für den Erstwein (und ggf. den Zweitwein) selektieren zu können. Ein anderer Grund dürfte aber sein, dass der Eigner von Ch. Montrose der Ansicht war, dass "Ch. Montrose" eben eine stärkere Marke ist als Ch. Phélan Ségur. Dass die Leute bereit sind, mehr für einen "La Dame de Montrose" zu zahlen als für einen Phélan Ségur. Die Rechnung scheint bislang noch nicht aufzugehen, aber das Vorbild dürfte hier Lafite und Carruades sein, wo der Zweitwein zwischenzeitlich im Preis enorm angestiegen ist. Die Marketingidee mit dem Erstwein, Zweitwein und Drittwein ist für mich das Gleiche wie Giorgio Armani und Emporio Armania oder wie Donna Karan und DKNY. Man nehme eine Marke mit großer Strahlkraft und gebe dem Volk das Gefühl, diese Marke tragen und sich leisten zu können, indem man eine Zweitmarke einführe. Das ergibt für mich aus Marketingsicht absolut Sinn.
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C9dP

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 18:45

Hallo Stephan,

deinen Ansatz finde ich interessant. Ich habe für mich nur zwei Dinge, die ich nicht verstehe. Ist deine Argumentation nicht gerade ein Beweis für die Markenbildung auch im Burgund? Auch wenn der Wein durch den Kauf nur um Faktor 2 oder 3 im Preis steigt ist es ja nicht der Lage zuzuschreiben, sondern dem Produzenten. Das Preisverhältnis ändert sich doch auch nicht anders als bei dem Kauf von Phelan-Flächen durch Montrose bei 25,- Euro zu 80,- Euro.

Zudem bin ich der Meinung, dass die Preise für die Flächen nur ein nachgelagerter Indikator aber niemals der Grund für Preissteigerungen sein können. Die Preise für die Flächen steigen weil der Wein sich teurer verkaufen lässt. Wenn die Rechnung sich nicht lohnt, würde doch keiner kaufen. Wenn ich den Wein unter meinem Label aber teurer verkaufen kann als der jetzige Eigentümer kann ich auch entsprechende Preise bieten. Hier bestimmt die Marke Rousseau den Wert der Flächen.

Ich habe im Moment eher den Eindruck, dass im Burgund eine Entwicklung stattfindet, die Bordeaux schon lange beschritten hat. Die Preise bei manchen Marken im Burgund sind so hoch, dass die im Geld schwimmen und konsequent die Flächen erweitern. Die fördert wiederum die Markenbildung, da die Absatzmöglichkeiten sich verbessern. Der nächste Schritt ist, dass alle, die es sich leisten können versuchen die Arbitrageerträge selbst zu vereinnahmen. Weil aber Burgund so in ist, sind kritische Kommentare halt auch uncool.

Und was lehrt uns das? Am Ende nimmt Bdx die Entwicklung vorweg und ist spätestens dann doch wieder in. Genauso, wie immer wieder in den letzte Jahrhunderten.

Ich finde übrigens nicht, dass Bdx out ist. Es ist nur nicht mehr so in wie früher, weil es auch aus anderen Regionen viele sehr gute Weine gibt. Wenn ich aber einen Bordeaux will, dann gibt es nur das Original. Es gibt ja auch keinen Moselriesling aus anderen Regionen. Und alt und teuer muss der auch nicht unbedingt sein. Die 2009er in der Fruchtphase sind einfach genial. Beispiele: du Glana, Belgrave.
Viele Grüße

Aloys
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UlliB

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragDi 16. Sep 2014, 18:48

octopussy hat geschrieben:Jetzt wieder zurück nach Bordeaux. Warum hat wohl Ch. Montrose 20 ha von Ch. Phélan Ségur gekauft? Das hat sicher mehrere Gründe. Einer der Gründe dürfte der bereits genannte Grund sein, dass damit mehr Fläche zur Verfügung steht, um noch mehr für den Erstwein (und ggf. den Zweitwein) selektieren zu können. Ein anderer Grund dürfte aber sein, dass der Eigner von Ch. Montrose der Ansicht war, dass "Ch. Montrose" eben eine stärkere Marke ist als Ch. Phélan Ségur. Dass die Leute bereit sind, mehr für einen "La Dame de Montrose" zu zahlen als für einen Phélan Ségur. Die Rechnung scheint bislang noch nicht aufzugehen, aber das Vorbild dürfte hier Lafite und Carruades sein, wo der Zweitwein zwischenzeitlich im Preis enorm angestiegen ist. Die Marketingidee mit dem Erstwein, Zweitwein und Drittwein ist für mich das Gleiche wie Giorgio Armani und Emporio Armania oder wie Donna Karan und DKNY. Man nehme eine Marke mit großer Strahlkraft und gebe dem Volk das Gefühl, diese Marke tragen und sich leisten zu können, indem man eine Zweitmarke einführe. Das ergibt für mich aus Marketingsicht absolut Sinn.

Stephan,

alles schön und gut und ja, es "macht Sinn". Aber ich knüpfe an meine Frage von weiter oben an: will der Weintrinker denn wirklich eine Marke? Oder, etwas genauer formuliert, will er solche Marken, nämlich das Ergebnis von Vollprofis in Kapitalgesellschaften ersonnener Markenstrategien zur Profitoptimierung, die den Konsumenten auf seine Existenz als Mitglied einer "Zielgruppe" reduzieren und gleichzeitig mehrere Zielgruppen mit für diese jeweils "optimierten" Produkten beliefern möchte - der Erstwein für die einen, den Zweitwein für die anderen, und für einen Drittwein lässt sich auch noch jemand finden?

Erzeugt nicht gerade diese Vorgehensweise den Eindruck, dass es sich bei Bordeaux um eine völlig seelenlose Maschine handelt, die zunächst einmal an möglichst viel Profit und erst gaaanz lange danach (vielleicht) auch am Produkt orientiert ist (was ja ein gängiger Vorwurf ist)? Und wer lässt sich (heute) willentlich und gerne zum Objekt einer profitorientiereten Strategie machen?

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt mir der Verdacht, dass genau diese "Strategien" der großen Güter zumindest Teil des Imageproblems sind, wenn nicht sogar deren eigentliche Ursache.

Gruß
Ulli
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