Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 21:08


Bordeaux 1988

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

vanvelsen

  • Beiträge: 967
  • Bilder: 6
  • Registriert: Mi 3. Nov 2010, 10:22
  • Wohnort: Windisch
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Bordeaux 1988

BeitragSa 19. Dez 2015, 11:04

Liebes Forum

bei meiner kurzen Reise ins Bordeaux, welche sich im Kern um die Weine des Jahrgangs 2013 drehte, verkostete ich auch einige Weine aus anderen Jahren. So Ch. Soutard aus 1988 bei unserem Besuch auf dem Gut. http://www.vvwine.ch/2015/12/mittagesse ... on-ch.html

Der Bericht über die 2013er folgt.

Gruss,

Adrian
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4517
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Bordeaux 1988

BeitragDi 7. Feb 2017, 18:01

Vor einigen Tagen gab es bei mir eine kleine 1988er Horizontale, die Batailley, Lynch Bages, Gruaud Larose, Ducru Beaucaillou und Cos d'Estournel umfasste, alle aus der Normalflasche. Die Weine lagen alle seit 1991 in meinem Keller.

Eine Verkostung von fast 30 Jahre alten Weinen ist immer eine spannende Sache, da in diesem Alter die Flaschenvarianz schon deutlich zunimmt und man nie wirklich weiß, was auf einen zukommt - da ist alles zwischen Megaflop und extrem positiven Überrschungen drin. Vorweggenommen - von Korkschmeckern sind wir diesmal verschont geblieben.

Der Füllstand aller Flaschen war gut - very top shoulder beim Batailley, into neck bei den vier anderen. Die Weine wurden rund drei Stunden vor der Verkostung doppelt dekantiert. Nach der Verkostung verbliebene Reste, rund ein Drittel bis ein Viertel, habe ich 24 Stunden später nachverkostet.

Chateau Batailley 1988 (Pauillac 5e GCC) 12,5%Vol. Absolut klassische Nase eines gereiften Pauillac: Zedernholz, Leder, Gewürze. Im Gaumen recht schlank, kantig, noch spürbare Tanninstruktur, sehr typisch, aber recht rustikal. Nach einiger Zeit im Glas Liebstöckelnoten, dann Fleischbrühe - deutliche Zeichen, dass dieser Wein so langsam das Ende seines Lebens erreicht. 24 Stunden später war er allerdings noch nicht in sich zusammengefalllen.

Chateau Lynch Bages 1988 (Pauillac 5e GCC) 12,5%Vol. Nase ziemlich ähnlich dem Batailley, aber im Gaumen deutlich fülliger, auch geschmeidiger. Schöne Dichte und Länge, aber nicht übermäßig komplex und gar ein klein wenig eindimensional (= Meckern auf durchaus hohem Niveau). Im Glas stabil, nach 24 Stunden praktisch unverändert.

Waren die beiden ersten Weine durchaus erfreulich, aber nicht außergewöhnlich gut, änderte sich das schlagartig mit dem nächsten:

Chateau Gruaud Larose 1988 (St. Julien 2e GCC) 12,5%Vol. Hier geht regelrecht die Post ab: waren die beiden ersten Weine doch recht statisch, ist hier unglaublich viel Leben im Glas. Mit jedem Hineinriechen ändet sich das Bild, mit jedem Schluck auch, der Eindruck pendelt zwischen Gewürzen, animalischen Tönen, floralen Noten, dunkler Frucht, das ganze unterlegt mit viel Struktur und frischer Säure; und irgendwann erscheint dann auch der berühmte Kuhstall-Stinker, aber der bleibt hier dezent. Sehr lang. Ganz große Klasse, und zeigt wieder einmal, dass Gruaud in den 80ern einen echten Lauf hatte. 24 Stunden später immer noch faszinierend.

Chateau Ducru Beaucaillou 1988 (St. Julien GCC) 12,%Vol. Diesem Wein sah ich mit einiger Befürchtung entgegen, denn er kommt aus der kritischen Ducru-Periode, in der es im Keller eine Holzschutzmittel-Kontamination gab, die etliche Flaschen schwer in Mitleidenschaft gezogen hat und in diesen einen Ton von nasser Pappe und Anklänge an Korkschmecker hinterlassen hat, die die betroffenen Flaschen ungenießbar machen. Es gibt aus den Problemjahren aber auch gute Flaschen, manchmal finden sich in einer OHK gute und schlechte nebeneinander, und so bleibt das Öffnen eines DB aus diesen Jahren eine Art russisches Roulette. Diesmal hatten wir Glück, keine Kugel in der Kammer - der Wein war ok.

Leichter als der Gruaud, weniger Substanz, aber im Gegenzug noch etwas eleganter, subtiles Spiel, hier stark auf der blütigen Seite. Ducru wird hier seinem Ruf völlig gerecht, den elegantesten aller St. Juliens zu produzieren, allerdings ist der Wein schon auf der sehr schlanken Seite und steht deshalb aus meiner Sicht nicht ganz auf dem Niveau von Gruaud. 24 Stunden später nachverkostet insgesamt wenig verändert, aber bei mir regte sich auf Grund einer minimal unsauberen Note am Gaumen dann der Verdacht, dass diese Flasche vielleicht doch einen "Streifschuss" hat.

Cos d'Estournel 1988 (St. Estephe 2e GCC). Keine Angabe zum Alkoholgehalt auf dem Etikett, auch keine Füllmenge - seltsam. Vielleicht fehlt hier ein Zusatzetikett. Abgesehen davon, ist der Wein auch sonst verblüffend: die dunkelste Farbe aller Weine der Verkostung, und sowohl in der Nase als auch im Gaumen fast noch jugendlich, wirkt vielleicht halb so alt, wie er tatsächlich ist. Immer noch Anklänge an Primärfrucht, im Gaumen hohe Dichte, fast füllig und insofern etwas untypisch für das schlanke Jahr, geschmeidig und tief, aber deutlich ruhiger als die beiden St. Juliens. Was ihm gegenüber dem Gruaud fehlt, ist dessen enorme Vielschichtigkeit, das macht er mit einem deutlichen Mehr an Konzentration und Substanz aber wett, und so sind beide Weine im Prinzip auf Augenhöhe, wenn auch stilistisch sehr unterschiedlich. Cos zeigt hier, dass man auf dem Gut auch schon sehr konzentrierte Weine erzeugen konnte, bevor auf dem Betrieb die Hightec-Kellerausrüstung mit allen Sorten von Konzentratoren installiert wurde.

Alles in allem: eine sehr gelungene Probe mit zwei echten Bordeaux-Highlights aus einem mittlerweile doch eher vergessenen Jahr.

Gruß
Ulli
Offline
Benutzeravatar

dylan

  • Beiträge: 777
  • Registriert: Mo 22. Nov 2010, 15:04
  • Wohnort: NRW

Re: Bordeaux 1988

BeitragDi 7. Feb 2017, 18:58

"Cos d'Estournel 1988 (St. Estephe 2e GCC). Keine Angabe zum Alkoholgehalt auf dem Etikett, auch keine Füllmenge - seltsam. Vielleicht fehlt hier ein Zusatzetikett."

Hallo Ulli,

da bin ich doch gleich in den Keller geeilt und habe nachgeschaut. Meine Flaschen haben direkt unter dem Hauptetikett ein Zusatzetikett mit den bei dir
fehlenden Angaben. Der Wein hat 13 % Alc.
Ich halte den Jahrgang 1988 nicht für einen vergessenen Jahrgang. Leider viel zu viele Leute wissen, dass das Jahr 1988 viele sehr schöne Weine,
die sich durch eine große Frische auszeichnen, hervorgebracht hat. Dementsprechend hoch sind die Preise, beispielsweise bei Haut-Brion und La Mission.

Viele Grüße

dylan
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4517
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Bordeaux 1988

BeitragMi 8. Feb 2017, 08:01

dylan hat geschrieben:da bin ich doch gleich in den Keller geeilt und habe nachgeschaut. Meine Flaschen haben direkt unter dem Hauptetikett ein Zusatzetikett mit den bei dir fehlenden Angaben. Der Wein hat 13 % Alc.

Hallo dylan,

danke für die Info. Also der einzige Wein mit deklarierten 13% - die anderen hatten alle 12,5% (was wegen der Rundungsregeln nicht notwendigerweise einen tatsächlichen Unterschied bedeuten muss, aber kann).

Was die Frage des "vergessenen Jahrgangs" betrifft: schon richtig, dass es bei der globalen Aufmerksamkeit für Bordeaux immer noch genug Leute gibt, die die Qualitäten des Jahrgangs kennen und schätzen. Aber: Parker hat den Jahrgang nie gemocht und fast alle 88er für heutige Verhältnisse extrem niedrig bepunktet, so dass Leute, die sich an seinen Noten orientieren, die Weine vermeiden werden. Und generell denke ich, dass der Jahrgang schon zu Recht im Schatten von 1982, 1986 und 1989 steht, und Anhänger eines etwas geschmeidigeren Stils werden in den 80ern möglicherweise auch noch 1983 und 1985 bevorzugen.

Gruß
Ulli
Offline

Kle

  • Beiträge: 948
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 17:18
  • Wohnort: Hamburg

Re: Bordeaux 1988

BeitragDi 21. Mär 2017, 13:09

Ein Glücksfall war meine letzte Flasche Chateau Beychevelle 1988 (Saint-Julien). Alles an diesem Wein stimmte, rubinrote Farbe, voller Duft nach roten Beeren und Kräutern, anregende Säure und, gleich nach dem Öffnen der erste, sofort jede Distance raubende Schluck: Der Wein besitzt eine mächtige und souveräne Aromatik nach Speck und geräuchertem Schinken. Von solchen Fleischassoziationen habe ich in Verkostungsnotizen häufig gelesen und sie auch selber schon benutzt, sie aber nie derart dramatisch geschmeckt. Ich weiß nicht wirklich, warum es grandios sein soll, Schinken in einem Wein zu schmecken. Hier ist es eben so. Am Ende eines Schluckes folgt, fast wie eingestellt, eine fröhliche, helle und leicht süße Fruchtanmutung. Eine weitere Überraschung ist es dann, den Wein zum Essen zu trinken – Hohe Rippe mit Soße auf Grundlage von Schweinsfüßen und Karlovarska. Wie ein Solist, wenn das Orchester einsetzt, stellt sich der Wein intelligent um, lässt die bodenständigen Aromen weg und antwortet mit erfrischender Beerenfrucht und leichtem Zitrusaroma.
Später entwickelt sich die Aromatik insgesamt eher in eine beerig-kräuterige Richtung, weg vom Deftigen, mit Seifigem, reifen Johannisbeeren, Zimt, Fleischbrühe und leichten Holznoten.
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
Offline

Olaf Nikolai

  • Beiträge: 1210
  • Bilder: 0
  • Registriert: So 23. Jan 2011, 16:01

Re: Bordeaux 1988

BeitragDi 21. Mär 2017, 22:14

Wohl schon lange kein Geheimnis mehr. 88 und 89 Beychevelle sind schöne Weine......für lange Zeit Soltäre, denn erst mit dem 2000er hier wieder Qualität. Leider schlechte Preisleistung seit in China nachgefragt.
Offline
Benutzeravatar

thvins

Administrator

  • Beiträge: 4946
  • Bilder: 1539
  • Registriert: Mo 28. Jun 2010, 14:29
  • Wohnort: Coswig /Anhalt, Sachsen-Anhalt
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Bordeaux 1988

BeitragMi 22. Mär 2017, 13:15

Olaf Nikolai hat geschrieben:Wohl schon lange kein Geheimnis mehr. 88 und 89 Beychevelle sind schöne Weine......für lange Zeit Soltäre, denn erst mit dem 2000er hier wieder Qualität. Leider schlechte Preisleistung seit in China nachgefragt.


Ich hatte allerdings auch mit dem 1996er einige schöne Erlebnisse. Und hab auch noch davon. Der hat sich sehr schön entwickelt nach meinem Dafürhalten und zählt auch noch unter günstig. der 1988er hat mir aber auch sehr gefallen.
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
jetzt mit richtiger Startseite...
Offline

Olaf Nikolai

  • Beiträge: 1210
  • Bilder: 0
  • Registriert: So 23. Jan 2011, 16:01

Re: Bordeaux 1988

BeitragMi 22. Mär 2017, 13:53

;-)
Vom 96er hab ich auch noch seit der Sub eine 12er OHK.
Offline

Olaf Nikolai

  • Beiträge: 1210
  • Bilder: 0
  • Registriert: So 23. Jan 2011, 16:01

Re: Bordeaux 1988

BeitragMi 22. Mär 2017, 13:58

Mit teuer gemeint die Preisentwicklung nach dem 2000er.
Ebenden gab es für knapp unter 30 DM in der Sub.
Das waren Zeiten.....
Offline
Benutzeravatar

thvins

Administrator

  • Beiträge: 4946
  • Bilder: 1539
  • Registriert: Mo 28. Jun 2010, 14:29
  • Wohnort: Coswig /Anhalt, Sachsen-Anhalt
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Bordeaux 1988

BeitragMi 22. Mär 2017, 14:04

Olaf Nikolai hat geschrieben:Mit teuer gemeint die Preisentwicklung nach dem 2000er.
Ebenden gab es für knapp unter 30 DM in der Sub.
Das waren Zeiten.....


Ja 8-) :mrgreen: :geek:

Geh mal ran an deine Kiste Also ich war mit den letzten Flaschen recht angetan von der Entwicklung des Weines seit den letzten 5 Jahren.
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
jetzt mit richtiger Startseite...
VorherigeNächste

Zurück zu Bordeaux und Umgebung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen