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Bordeaux 2015

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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glycosid

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDi 24. Mai 2016, 23:52

tudor7305 hat geschrieben:Die Parker Nachbewertung vom 2015 Jahrgang durch Neal Martin, sowie die aktuelle Bewertung hat wohl deutlich
an 'Wert' verloren, bezogen auf den möglichen Gewinn beim Wiederverkauf.
Oder liege ich hier mit meiner Vermutung völlig falsch?

Wer wird denn in Zukunft die preisrelevanten Punte bzw. Bewertungen abgeben?

Meine diesbezügliche Empfehlung wäre, Weine ausschließlich mit der Absicht zu kaufen, sie dereinst mit großem Genusse zur allgemeinen Daseinsversüßung selbst zu trinken. Und weil der Genuss-Instinkt viel zielsicherer, untrüglicher und - da er das Genuss-zu-Preis-Verhältnis immerdar zu maximieren sucht - letztlich auch viel "ökonomischer" beschaffen ist als bloße "Wertanlage"-Krämerei, ist man mit ihm meistens am besten beraten. Parker hin, Martin her... ;)
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port_ellen

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 25. Mai 2016, 00:57

sehe ich auch so.

es sei denn, man denkt wie weiland schwabinger darüber nach, nicht nur den inhalt sondern auch den weinkeller der netten immobilie selbst mitfinanzieren zu lassen.

dann muss man schon sehr viel genuss anpeilen, wenn die rechnung aufgehen soll...
...and you may ask yourself - well...how did I get here ?
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UlliB

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 25. Mai 2016, 08:19

tudor7305 hat geschrieben:Wer wird denn in Zukunft die preisrelevanten Punte bzw. Bewertungen abgeben?

Niemand. Die Ära eines marktbeherrschenden Großkritikers ist vorbei - es ist nicht ansatzweise zu erkennen, dass einer der mehr oder weniger relevanten Diadochen in die Rolle von Parker schlüpfen könnte.

Sollte das die Spekulation aus dem Markt nehmen, wäre das für die Bordeauxtrinker nicht so schlecht. Von den stilistischen Deformationen, die Parker zumindest hier und da hinterlassen hat, mal ganz abgesehen :|

Gruß
Ulli
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octopussy

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 25. Mai 2016, 10:49

UlliB hat geschrieben:Niemand. Die Ära eines marktbeherrschenden Großkritikers ist vorbei - es ist nicht ansatzweise zu erkennen, dass einer der mehr oder weniger relevanten Diadochen in die Rolle von Parker schlüpfen könnte.

Sollte das die Spekulation aus dem Markt nehmen, wäre das für die Bordeauxtrinker nicht so schlecht. Von den stilistischen Deformationen, die Parker zumindest hier und da hinterlassen hat, mal ganz abgesehen :|

Meinst du? Ich bin nicht sicher und könnte mir vorstellen, dass die, die von einem marktbeherrschenden Großkritiker profitieren können (z.B. Händler), Neal Martin schon zum neuen Parker hochheben werden. Liv-Ex zum Beispiel geht weiter auf die Wine Advocate Scores, als hätte es den Wechsel von Parker zu Martin gar nicht gegeben. Ich vermute auch, dass sich auch die Châteaux darauf einstellen werden und ihren Stil an Martins Geschmack anpassen werden. Das ist ja schon im Gange, wobei hinzuzufügen ist, dass der Geschmack von Neal Martin den schon seit einigen Jahren anhaltenden Trend zu etwas weniger üppigen Weinen schlicht mitnimmt. Galloni oder andere sehe ich jedenfalls nicht in der Vorreiterrolle. Wenn, dann wird es Neal Martin sein. Ich denke, man wird die Preise einiger vor allem von ihm hochbewerteter Weine wie Grand Puy Lacoste oder Pichon Baron abwarten müssen, um sich ein Bild zu machen. Batailley ist ja schon ordentlich hochpreisig rausgekommen, Giscours ebenfalls, wobei beide Preise nicht am hohen WA Score liegen müssen.
Beste Grüße, Stephan
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harti

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 25. Mai 2016, 11:16

Mit dem Relaunch der Website hat der Wine-Advocate einen weiteren wichtigen Schritt in die Zukunft gemacht. Von dieser Seite sind somit beste Voraussetzungen geschaffen, um die gute Marktposition weiter zu festigen. Eine gravierende Lücke besteht allenfalls noch im Verkosterteam im Bereich Italien. Monica Larner scheint (wohl aus gesundheitlichen Gründen) nicht in der Lage, die riesige Menge der dort erzeugten Weine voll umfänglich zu verkosten und zu bewerten.

Neal Martin hat sich als Verkoster von Bordeaux-Weinen bereits einen guten Namen gemacht. Ich bin sicher, dass er die Fähigkeiten hat, die von Parker hinterlassene Lücke vollumfänglich auszufüllen. Zudem ist sein großer Vorteil im Vergleich zu anderen Verkostern, dass er sich jetzt auf wenige Regionen konzentrieren kann.

Grüße

Hartmut
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octopussy

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 25. Mai 2016, 11:36

harti hat geschrieben:Mit dem Relaunch der Website hat der Wine-Advocate einen weiteren wichtigen Schritt in die Zukunft gemacht. Von dieser Seite sind somit beste Voraussetzungen geschaffen, um die gute Marktposition weiter zu festigen. Eine gravierende Lücke besteht allenfalls noch im Verkosterteam im Bereich Italien. Monica Larner scheint (wohl aus gesundheitlichen Gründen) nicht in der Lage, die riesige Menge der dort erzeugten Weine voll umfänglich zu verkosten und zu bewerten.

Ein bisschen off-topic. Ich war noch nie Wine-Advocate Fan und finde das Team jetzt insgesamt auch relativ schwach mit der Ausnahme von Martin für Bordeaux und Gutierrez für Spanien. Da finde ich das Vinous Team viel besser. David Schildknecht für Deutschland, Österreich und die Loire ist eine Traumbesetzung. Josh Raynolds für Rhône, Beaujolais, Australien und andere Regionen finde ich auch top und die Rhône Notizen von Raynolds um Lichtjahre besser als die von Jeb Dunnuck. Tanzer (Burgund, Neuseeland, u.a.) ist eh einer meiner Lieblings-Profiverkoster. Deshalb finde ich einzig Galloni selbst einen Schwachpunkt bei Vinous außer vielleicht für Italien, was aber nicht meine Baustelle ist. Ich denke auch, dass Vinous dem Wine Advocate auf Dauer viel Wasser abgraben wird. Daran, dass der WA für Bordeaux die erste Geige spielen wird, ändert das aber m.E. trotzdem nichts.
Beste Grüße, Stephan
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UlliB

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Re: Bordeaux 2015

BeitragMi 25. Mai 2016, 12:59

octopussy hat geschrieben: David Schildknecht für Deutschland, Österreich und die Loire ist eine Traumbesetzung.

Interessant. Ich sehe das völlig anders - was Schildknecht z.B. bei restsüßen Moseln an Bewertungen fabriziert, ist für mich nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar; er reagiert noch nicht einmal auf fundamentale stilistische Unterschiede zwischen einigen Erzeugern und scheint die irgendwie gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Für mich ist das nicht nur irrelevant, sondern regelrecht irreführend.

Aber zurück zu Bordeaux:
Ich bin nicht sicher und könnte mir vorstellen, dass die, die von einem marktbeherrschenden Großkritiker profitieren können (z.B. Händler), Neal Martin schon zum neuen Parker hochheben werden.

Natürlich gibt es einige Leute, die gerne einen Parker-Nachfolger etablieren würden, weil es ihnen das Leben einfacher macht. Manche Händler verwenden ja gerade im Moment Neil Martins Bewertungen als "Parker-Punkte".

Nur bezweifele ich, dass das dauerhaft funktioniert. Wirklich Interessierte haben den Rückzug von Parker natürlich mitbekommen, und die verärgert es vielleicht eher, dass man den Lehrling als Meister verkaufen möchte.

Darüber hinaus: die Emanzipation von Parker hat im Bordelais schon lange vor dem Abschied von Parker selber begonnen; ein erneuter Stilwandel, der sich kurz mit Entfettung, Entholzung, Entsüßung (und damit auch mit Ent-Parkerisierung) zusammenfassen lässt, hat bei vielen bedeutenden Erzeugern bereits vor etwa 10 Jahren begonnen und erreicht mit dem 2015er (um mal wieder kurz zum Thema des Threads zu kommen) offensichtlich einen ersten Höhepunkt. Es wäre wohl sehr gewagt, anzunehmen, dass die Chateaux diesen sukzessiven Stilwandel im Hinblick auf Parkers irgendwann bevorstehenden Abschied vorgenommen haben und dabei bereits antizipiert haben, dass Neil Martin sein Nachfolger werden wird.

Die Schlüsselspieler im Markt sind heute die Erzeuger. Und die herausragenden Erzeuger brauchen keinen Parker mehr. Vermutlich wollen einige auch keinen mehr.

Gruß
Ulli
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Matthias Hilse

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 26. Mai 2016, 12:49

Eine Blase kann dann eine Blase werden, wenn kaum jemand die Genese eines Sachzusammenhangs, der in sich etwas begründet, was sich zu einer Blase entwickeln könnte, vorhersieht. Denkt man sich Parker als Punkteblase, so ist das Phänomen seines unvergleichbaren Erfolgs aus verschiedenen Gründen zu erklären. Zunächst (in Analogie zu Jeremy Rifkins Untersuchungen rund um den Begriff "energy regime") vertrat er die zu den Zeiten seiner Anfänge unangefochten wichtigste Wirtschafts- und Militärmacht, er sprach die richtige Sprache - und er war "nachfragekongruent stilistisch richtig sozialisiert".

Darüberhinaus war er unabhängig; sein Aufstieg ist nur dadurch überhaupt denkbar, dass er solide und interessenneutrale Urteile aussprach.

Was ich aber für seine wichtigste Innovation halte, ohne die er gerade in Europa nicht so hätte reüssieren können: er hat der Weinkritik eine Grammatik gestiftet, ohne die die Differenzierungen, die nötig wurden, um die immensen Verbesserungen der Weine auch semantisch und im Hinblick auf ihre Einordnung untereinander korrekt zu erfassen, garnicht denkbar sind. (s.hierzu auch auszugsweise: http://www.aux-fins-gourmets.de/blog/20 ... tion-2014/)

Es gab zunächst eine Nische, die vorher nicht besetzt war - oder auch so: er hat mit seinem Tun sich einen Nische geschaffen, die er dann konsequent in den 80er Jahren immer besser definiert hat.

Keine der Bedingungen, die ich als Gründe seines Erfolgs ansehe, sind heute duplizierbar. Durch das Informationsmonster Internet gibt es kaum von Vakuen, die sich im Sinne einer neuerlichen Markenbildung als Nuklei einer zukünftigen Hegemonie identifizieren ließen.

Bordeaux war von der Ölkrise der 70er Jahre schwer gezeichnet, so dass es so etwas wie eine symbiotische Beziehung zwischen schwächelnden Erzeugern und einem prognosebegabten Kritiker mit dem richtigen Konsumentenmarkt im Rücken geben konnte.

Um zu verstehen, was gerade in Bordeaux passiert ist, reicht die Nennung eines einzigen Namens: Tertre Roteboeuf. Das ist ja nichts anderes als der Gang nach Canossa.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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Jochen R.

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 26. Mai 2016, 13:47

Matthias Hilse hat geschrieben:...
Was ich aber für seine wichtigste Innovation halte, ohne die er gerade in Europa nicht so hätte reüssieren können: er hat der Weinkritik eine Grammatik gestiftet, ohne die die Differenzierungen, die nötig wurden, um die immensen Verbesserungen der Weine auch semantisch und im Hinblick auf ihre Einordnung untereinander korrekt zu erfassen, garnicht denkbar sind. (s.hierzu auch auszugsweise: http://www.aux-fins-gourmets.de/blog/20 ... tion-2014/)
...

Jedenfalls kann man seine Weinkritik ohne ein Wörterbuch in die
Hand nehmen zu müssen lesen und verstehen ;-)

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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innauen

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Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 26. Mai 2016, 15:19

Hallo,

können wir die Sticheleien mal lassen? Leben und Leben lassen. Über die Sprache von Herrn Hilse gab es schon viele Debatten. Mir ist es ganz lieb, wenn ich ein paar Infos aus dem Weinhandel bekomme. Ich verstehe ja auch nicht alles. Aber man kann ja nachfragen, zB habe ich diese Andeutung nicht verstanden. Was meinen Sie damit, Herr Hilse?

Matthias Hilse hat geschrieben:
Um zu verstehen, was gerade in Bordeaux passiert ist, reicht die Nennung eines einzigen Namens: Tertre Roteboeuf. Das ist ja nichts anderes als der Gang nach Canossa.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse


Grüße,

Wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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