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Bordeaux 2020

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDo 15. Apr 2021, 13:09

Quarin
https://www.quarin.com/fr/primeurs-2020 ... ts_-n.html
Fazit:
'Le millésime 2020 à Bordeaux est très hétérogène.'
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small talk

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Re: Bordeaux 2020

BeitragFr 16. Apr 2021, 07:41

Ob 2020 sehr heterogen ist kann ich nicht sagen. Dazu habe ich nicht genug probiert.
Die Erklärung die Monsieur Quarin dafür heran zieht ist Quatsch, Mist, Blödsinn, ... die so beliebte Vereinfacherei.
Übrigens hat es schon immer Spätfröste gegeben, davon war 2020 aber auch nicht betroffen. Erst etwas Verwirrung, dann Verallgemeinern und schließlich ...
Und noch was, es gibt tatsächlich auch in großen Jahrgängen mal nicht so gelungene Kandidaten. Ganz spontan erinnere ich mich da an an Weine aus 1982 oder 2010, die ich nie wieder probieren wollte.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
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stollinger

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Re: Bordeaux 2020

BeitragFr 16. Apr 2021, 15:41

Hallo Stefan,

kannst du diese Aussage etwas konretisieren?
small talk hat geschrieben:Ob 2020 sehr heterogen ist kann ich nicht sagen. Dazu habe ich nicht genug probiert.
Die Erklärung die Monsieur Quarin dafür heran zieht ist Quatsch, Mist, Blödsinn, ... die so beliebte Vereinfacherei.

Ich habe Quarin so verstanden, dass die schnelle Abfolge von extremen Wetterereignissen wie Hitze, Dürre, Regen, etc. die Reben vor Herausforderungen stellen, die im Kontrast bei einer gleichmäßigen Vegetationsperiode nicht vorhanden sind. Abhängig vom Terroir und der sehr lokalen Wetterlage führt das teilweise zu Überstress mit z.B. Wachstumshemmung oder auch Rosinierung. Im Resultat ist die phenolische und aromatische Reife nicht optimal.
Das ist zwar recht verallgemeinert, aber hältst du die These für grundlegend falsch?

Grüße, Josef
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small talk

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Re: Bordeaux 2020

BeitragFr 16. Apr 2021, 18:13

Konkreter - wie soll ich es sagen...
Also mit 2020 vergleichbar extreme Witterungsverhältnisse hatten wir hier bei uns 2014, 2015, 2016, 2018 und 2019.
Man könnte jetzt sagen dass man sich dran gewöhnen wird, trotzdem ist jedes Jahr anders.
Zu einer Blockade der Reife kam es 2014, 2015, 2019, 2020. Davon waren aber immer nur die jungen Reben betroffen egal welches Terroir - zumindest bei mir. OK- bei den Böden mit einer höheren Wasserhaltekapazität haben die jungen Reben nicht ganz so gelitten. Trotzdem bin ich der Meinung, dass da besser Mais hingehört - der Meinung muss sich aber nicht jeder anschließen. Die Drainage ist sehr viel wichtiger als Wasserkapazität. Bei guter Drainage überleben die Wurzeln auch mal Nässeperioden und das Wurzelsystem bleibt intakt und kann die Rebe auch weiter versorgen wenn es richtig trocken wird. Alte Reben wurzeln tief genug und Trockenheit ist kein Thema. Selbst große Bäume halten da nicht mehr mit - die schmeißen die Blätter ab und die Reben daneben machen lustig weiter als wär nix. Das sehe ich hier regelmäßig.
Der 2020er ist - hier bei mir - extrem Tanninreich. Wirklich extrem - solche Werte hatte ich noch nie! Die Säure ist sehr gering. Zu den Cabernets musste vor dem Barriqueausbau etwas Merlot hinzu tun um den pH-Wert so weit zu senken, dass ein stabiler Barriqueausbau erst möglich ist. Wären die Reben in der Reifephase wegen Trockenstress 'blockiert', dann hätte es keinen Säureabbau gegeben - so viel dazu. Auf Brettanomyces muss ich wegen der hohen pH-Werte höllisch aufpassen. Vereinfacht ausgedrückt ist der 2020er ein Tanninmonster. Hoffentlich wir er nicht platt und langweilig. Mal sehen was ich da hin bekomme.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2020

BeitragFr 16. Apr 2021, 19:33

Danke, lieber Stefan, für deine ausführliche und sehr informative Antwort (ich schätze deine Insider-Sicht aus dem nördlichen Médoc überhaupt sehr)! Die Rebe ist schon eine erstaunliche Pflanze, resistent wie ein Unkraut!
Was Quarin betrifft, könnte es allerdings sein, dass er mit seinem zitierten Fazit nicht ganz Unrecht hat, auch wenn seine Hauptbegründung (Trockenstress) nicht zutreffen sollte. Letztendlich könnte ja nach deiner Erfahrung mit den eigenen Weinen auch das Tannin für unterschiedliche Qualitäten sorgen, je nachdem, wie und inwieweit die Tannine in den Griff zu kriegen sind. Übertriebener Neuholzeinsatz könnte dann leicht ein schlechter Ratgeber gewesen sein und das Betonei könnte sich in Zukunft fast so etwas wie als Ei des Kolumbus entpuppen - oder wie siehst du das?
Gruß
Jean
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small talk

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Re: Bordeaux 2020

BeitragFr 16. Apr 2021, 20:35

Naja Jean,
aus meiner Haut komme ich halt auch nicht raus...
Le Reysse 2020 ist jedenfalls im neuen Barrique und das mal wieder ganz wie seit dem 2010er. Er wird es nicht nur aushalten oder es wird ihm nicht nur gut tun. Er braucht genau das - da bin ich mir sicher. Von Betonei oder Amphoren halte ich nichts - bisher jedenfalls. So ist das nun mal.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
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Charmail

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Re: Bordeaux 2020

BeitragSo 18. Apr 2021, 09:02

Stéphane Derenoncourt : « le 2020 est un très bon millésime »

https://france3-regions.blog.francetvin ... Axi_aaxIGY
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2020

BeitragSo 18. Apr 2021, 09:52

Charmail hat geschrieben:Stéphane Derenoncourt : « le 2020 est un très bon millésime »

https://france3-regions.blog.francetvin ... Axi_aaxIGY


"C’est le millésime de la surprise, un grand millésime de fraîcheur, mais pas un grand grand, [...]"
Was auch immer D. mit dieser etwas enigmatischen Bemerkung meint...
Es ist sprachlich (und wohl auch sachlich) nicht einfach, Jahrhundert- und Jahrtausendjahrgänge, die sich in Serie jagen, noch zu differenzieren. ;)
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vanvelsen

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDi 20. Apr 2021, 08:32

Ich habe vor einigen Tagen damit begonnen, die 2020er zu verkosten. Es sind aktuell zwar erst um die 20 Weine, doch nun kommen täglich so 10-20 dazu (das ist eigentlich ganz entspannt, so eine Primeur-Verkostung in den eigenen vier Wänden).

So Anfang Mai sollte ich mir ein einigermassen gutes Bild des Jahrgangs machen können. Was ich bisher festgestellt habe, sind merkliche Unterschiede zwischen den "grossen" und den "kleinen" (Zweit-)Weinen. Jüngere Reben und kleinere Terroirs haben in der 2. Jahreshälfte mit der Hitzewelle teils unter Trockenstress gelitten, so dass man bei der Vinifikation vorsichtig sein musste, um nicht zu viel zu wollen... Der Gap zwischen Erst-Wein (Grand Vin) und Zweitwein könnte darum 2020 etwas deutlicher ausfallen als in anderen Jahren. Das eine oder andere Gespräch - u.a. mit Fabien Teitgen von SHL - hat mir diesen Eindruck bestätigt. Aber eben, das ist nun erst mal ein ganz waghalsige Einschätzung meinerseits aufgrund von wenigen Fassmustern. Bitte mich deswegen nicht gleich lynchen ;)

Gruss,

Adrian
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stollinger

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDi 20. Apr 2021, 17:37

Hallo,

der Report on the 2020 vintage in Bordeaux [Link] des Institute of Vine and Wine Sciences of Bordeaux University, Oenological Research Unit ist jetzt veröffentlicht.

Der Report orientiert sich jedes Jahr an fünf, hauptsächlich empirisch belegten, Bedingungen, die für einen gelungenen Jahrgang erfüllt sein sollten (habe ich grob aus dem Artikel übersetzt, genauer findet es man da):

1) und 2) schnelle und gleichmäßige Blüte und Fruchtbildung
3) Einsetzender Trockenstress, damit das vegetative Wachstum der Rebe bis zur Veraison gestoppt hat.
4) Vollreife Trauben durch eine optimale Photosynthese bis zur Ernte ohne das Wiedereinsetzen des vegetativen Wachstums der Reben.
5) Warmes und trockenes Wetter bei der Lese, um Verdünnung oder Fäulnis zu vermeiden.

Die ersten beiden Bedingungen werden in der Zusammenfassung als erreicht beschrieben. Im Text weiter unten wird jedoch vermerkt: Even if vine growth was slow just after fruit set, the berries continued to swell and bunch closure was observed in early July (Figure 3), thus confirming the earliness of the vintage. Nevertheless, in certain cases, this slowdown was sufficient to trigger millerandage (abnormal fruit set), which prevented complete bunch closure.

Die dritte Bedingung wurde nur teilweise erreicht, lokal sehr unterschiedlich und abhängig von der Wasserhaltefähigkeit der einzelnen Weingärten und dem uneinheitlich verteilten Regen. The fulfilment of the third prerequisite thus varied considerably, depending onthe terroirs, grape varieties, and location of the plots.

Für den Merlot und Cabernet auf frühreifendem Terroir waren die Bedingungen 4 und 5 erfüllt. Cabernet aus spätreifenden Weingärten hat jedoch nicht die optimale und gleichmäßige phenolische und aromatische Reife bis zu einsetzenden Regenfällen in der zweiten Septemberhälfte erreicht.

Zusätzlich ist das Jahr von extremen schnellwechselnden Wetterereignissen wie Hagel, Hitzewellen und Kälteeinbrüchen geprägt. Zusammen führt das zu sehr inhomogenen Resultaten abhängig von der Lage, dem Boden und der Rebsorte. Für mich will sich da auch kein klar bevorzugtes Terroir herauskristallisieren, irgendein Kreuz hatte da wohl fast jeder zu tragen.

Für die erste Jahreshälfte wird die Ähnlichkeit zu 2011 erwähnt, aber auch deutliche analytische und sensorische Unterschiede: Although the phenological development of the 2020 vintage was similar, particularly in the first stage, to that of 2011, the analytical and sensory characteristics of the grapes are clearly different.

Analytisch macht sich das z.B. durch den sehr hohen Gehalt an Äpfelsäure, Anthocyaninen und Tanninen bemerkbar.

Das Fazit finde ich schon recht interessant: In conclusion, like every year, it is very tempting to play the comparison game, by looking for similarities between 2020 and a particular vintage. However, given current climate trends, marked by increasingly extreme events, such comparisons are becoming even more dubious. Each vintage boasts a unique identity, and, above all, extreme weather tends to exacerbate local variations. The success of a vintage should be considered at the level of individual vineyards, while remaining wary of general assumptions and instead focusing on the personality of each wine.

Ah ha, ok. Also keine generalisierten Annahmen im Bezug auf den Jahrgang treffen, weil man sonst denken könnte, der Jahrgang ist nicht großartig?

Klingt für mich nach einem Jahrgang, den man en primeur getrost auslassen kann.

Grüße, Josef
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