Möglicherweise gab es noch nie eine derartige Welle gespannter Vorfreude im Bereich deutschen Schaumweins wie die, als die Gründung des Sektguts Christmann & Kauffmann angekündigt wurde. Selbst die Zusammenarbeit von Mathieu Kauffmann, dem früheren Kellermeister von Bollinger, mit von Buhl scheint mir im Rückblick nicht so von freudiger Nervosität begleitet gewesen zu sein wie die Gründung dieses Sekthauses. Aber wie soll es auch anders sein, wenn eines der renommiertesten Weingüter Deutschlands und ein Champagnerexperte beschließen, nicht einfach Sekte für Christmann machen zu wollen, sondern gemeinsam ein Sektgut zu gründen und mit speziellem Fokus auf Sekte in die Zukunft schreiten zu wollen.
Leider bringt es die Sektbereitung dann halt mit sich, dass man als Konsument warten darf, lange warten darf, aktuell erscheint aber die Cuvée 203 Brut Nature auf dem Markt (mit der Nummer 100 werden Riesling-Sekte bezeichnet, mit 200 Burgunder-Cuvées, wobei mit jeder Tirage die Weine fortlaufend nummeriert werden).
Ich hatte sie gestern im Glas, war mir aber aber so unschlüssig, was ich von diesem Sekt halten sollte, das ich selbst heute im Rückblick nur eines sicher weiß, nämlich dass ich ihn unbedingt noch einmal kaufen muss, um einen genaueren Eindruck zu gewinnen.
Der Wein wirkte nicht unbedingt unfertig, ganz und gar nicht, er stand aufgeschlossen da, aber er machte im Laufe des Abends eine Wandlung durch, die ich so wahrscheinlich noch bei wenigen Schaumweinen erlebt habe, und ich vertrete ja die These, dass es keinen Weintyp gibt, der sich mit Luft derart verändert wie Schaumwein.
Zu Beginn wirkte der Wein auf mich eher disparat. Sollte es einen Baukasten der Sektzubereitung geben, dann wäre dieser Sekt klar hochklassig und gekonnt komponiert worden, aber er wirkte eben eher gemacht als gewachsen, fast konstruiert und in sich nicht gefestigt, was mich nicht wenig befremdete. Animierend und erfrischend war das weniger, eher verhalten-gravitätisch, aber unfertig, ohne klare Ausrichtung und Expressivität.
Nach 45 Minuten fand dann der Wein zunehmend zu sich (oder ich zum Wein) und der Wein gewann an Persönlichkeit und schließlich nach 3 Stunden stand da ein geradezu zwingender und sehniger, ernster und schließlich auch griffiger und zupackender Sekt im Glas, der mich sehr beeindruckte und auch begeisterte.
Insgesamt war das gestern eher eine intellektuelle Herausforderung als ein unmittelbares sinnliches Vergnügen, aber welche Weine schaffen es schon, einen vor ein Rätsel zu stellen und zum Nachdenken und Nachspüren anzuregen? Und eigentlich ist es genau das, was ich beim Weintrinken auch suche.
Ich kann jedem, der an deutschem Sekt interessiert ist, nur raten, sich hier unbedingt ein eigenes Bild zu verschaffen, ich werde meinen Eindruck auf jeden Fall noch einmal überprüfen.
Wenn das in Zukunft aber eine der die Basiscuvées sein sollte, dann ist wirklich Großes zu erwarten. Das Sektgut wird Lagensekte produzieren (bzw. sie liegen eben noch im Keller) und das Hefelager der Erstlinge ist ja noch im unteren Bereich anzusiedeln. Von daher vermute ich, dass hier tatsächlich gerade ein Sektgut die Bühne betritt, das in Zukunft für viel Aufsehen sorgen wird. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt!