Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

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Pechstein
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Pechstein »

Ich hatte kürzlich den Chardonnay "Rossbach" 2016 von Richard Östreicher aus Franken im Glas.

Ein Wein aus der Lage mit dem ziemlich loriotesken Namen Sommeracher Katzenkopf (reiner Muschelkalk), dessen Reben aber vom selben Veredler stammen wie die von Coche-Dury, der Legende nach auf Vermittlung von Jean-François Coche höchstpersönlich (die Geschichte dahinter kann man noch bei thewineparty.de nachlesen). Insofern also schon einmal mit großer Nähe zum Burgund.

Im Glas zeigte sich ein Chardonnay, der - im besten Sinne - alles andere als ein Möchtegern Coche-Dury Klon war: trotz jugendlichen Alters war das Barrique-Holz in Nase und am Gaumen sehr gut integriert und drängte sich nicht in den Vordergrund. Am Gaumen war der Wein sehr geradlinig und präzise, mit eher kühler Frucht und einer frischen, aber ebenfalls bereits gut integrierten Säure und schöner Länge. Mit Luftzufuhr wurde der Chardonnay zunehmend vielschichtiger, ohne in die Breite zu gehen. Richtig klasse! Ich habe mir noch ein paar Flaschen besorgt und freue mich, diese mit ein paar Jahren Flaschenreife zu genießen.

Viele Grüße,
Dirk
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Der Wein-Schwede
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Der Wein-Schwede »

Hallo Dirk,

vielen Dank für Deinen Bericht, sehr interressant!

Ich habe vom Weingut Östreicher nie gehört, kann ja auch damit zu tun haben dass Franken abseits von meinen normalen "Jagdgebieten" (Rheinhessen, Pfalz und Baden) liegt.
Ich habe den Zeitungsartikel thewineparty.de gelesen, tolle Sache.

Jetzt zum Chardonnay, die Website des Weingutes verratet kaum Information darüber. Ich habe einge Onlinehändler gefunden - stimmt es dass der Wein 35 Euro kostet?
Auf dem Preislevel gibt es mehrere kompetente "Mitbewerber" (z.B. Huber). Spielt der Wein Qualitätsmässig auch in der Preisklasse mit?
Wenn ja, werde ich bei Gelegenheit einen Besuch im Weingut Östreicher machen.

Viele Grüsse
Rolf
Canardo
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Canardo »

So, den Chardonnay vom Bürgerspital hatte ich nun die Tage auch mal im Glas.

Allerdings anders als der Schnutentunker nicht nach 18 Stunden Belüftung, sondern pop and pour. In diesem Zustand, und auch noch zwei Stunden später, käme man kaum auf die beim Schnutentunker geäußerte Vermutung, das sei hier ein Wein aus dem Stahltank. Au contraire. Das Holz macht sich gewaltig bemerkbar. Von der Stilistik eher an von Winning/Milch(Rheinhessen)/Knipser erinnernd als in das Raster dieses Threads passend.

Stand jetzt und ohne Belüftungsexzesse wäre ich von der Bewertung her in der Mitte zwischen Gault-Millau und Eichelmann (89 - 90 Punkte).

Aber in jedem Fall ein interessanter Tipp jenseits der üblichen Verdächtigen. Auch wenn, wie Rolf schon andeutete, fränkischer Chardonnay wohl nichts für Sparfüchse ist.
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Der Wein-Schwede
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Der Wein-Schwede »

Canardo hat geschrieben:So, den Chardonnay vom Bürgerspital hatte ich nun die Tage auch mal im Glas.

Allerdings anders als der Schnutentunker nicht nach 18 Stunden Belüftung, sondern pop and pour. In diesem Zustand, und auch noch zwei Stunden später, käme man kaum auf die beim Schnutentunker geäußerte Vermutung, das sei hier ein Wein aus dem Stahltank. Au contraire. Das Holz macht sich gewaltig bemerkbar. Von der Stilistik eher an von Winning/Milch(Rheinhessen)/Knipser erinnernd als in das Raster dieses Threads passend.

Stand jetzt und ohne Belüftungsexzesse wäre ich von der Bewertung her in der Mitte zwischen Gault-Millau und Eichelmann (89 - 90 Punkte).

Aber in jedem Fall ein interessanter Tipp jenseits der üblichen Verdächtigen. Auch wenn, wie Rolf schon andeutete, fränkischer Chardonnay wohl nichts für Sparfüchse ist.
Hallo Canardo,

Hier meldet sich der schwedische "Sparfuchs" Wieder! :)

Es ist interessant wie die professionellen Verkoster sich manschmal äussern. Im Artikel von dem Bürgerspital Chardonnay, hat Eichelmann gesagt dass die Verkoster überseugt waren dass der Wein ein Huber Chardonnay war. Wenn der Wein stilistisch an z.B. von Winning errinnert, ja dann muss man sagen hier stimmt etwas nicht. Ich habe zu Hause einige Flaschen von Winning Chardonnay I 2015, und der Wein ist eine exotische/tropische Flüssigkeit von Chardonnay/Vanillesalat, weil ein Huber Chardonnay superpräzise und messerscharf ausgebaut ist. Ich sehe null Ähnlichkeit da.

Für 30 Euro erwartet auch ein "Sparfuchs" mehr als 89-90 Punkte. :geek: :)
Mein bisjetziger beste PLV Chardonnay ist der Knewitz Ch Holzfass 2016 für 13 Euro. Ein Hochgenuss für das Geld!

Unsere Pilgerreise nach dem heiligen Chardonnay-Gral geht weiter! :)

Viele Grüsse
Rolf
Canardo
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Canardo »

Hallo Rolf,

der "Sparfuchs" war in keinster Weise auf Dich persönlich bezogen oder despektierlich gemeint. Es sollte zum Ausdruck bringen, dass ich - ebenso wie Du, so habe ich das jedenfalls verstanden - zunächst einmal skeptisch bin, wenn für einen Chardonnay wie den aus dem Hause Östreicher € 35 aufgerufen werden und ich auch den Bürgerspital Chardonnay mit € 30 relativ sportlich bepreist finde. Mein Eindruck ist - ich mag mich aber auch täuschen - dass man sich in Franken den dortigen Exotenstatus solcher Weine recht teuer bezahlen lässt.

Zurück zum Bürgerspital Chardonnay: Dieser ist keinesfalls ein von Winning-Klon. Mein Hinweis bezog sich etwas pauschalisierend auf solche Erzeuger, die ich im Chardonnay-Bereich - bei vielen Unterschieden im Detail - mit einem bewusst prägnanten Holzeinsatz und eher opulentem Charakter assoziiere. Also quasi das Gegenteil von Knewitz und auch nicht vergleichbar mit Huber.

Nun mag ich mit diesem Eindruck irren. Die Randbemerkung im Podcast des Schnutentunkers, wonach der Bürgerspital nach dem Öffnen "nicht so viel Spaß" gemacht hätte, bestätigt mich aber darin, dass ich nicht ganz so falsch liege. Mag sein, dass sich das mit ganz viel Luft alles dramatisch ändert. Ich gehöre aber nicht zu denjenigen, die einen Weißwein einen Tag vor dem Verzehr öffnen. Und ob sich das in ein paar Jahren alles durch bessere EInbindung des Holzes fügt? Mag sein. Kann aber auch sein, dass der Wein dann schlapp im Glas hängt.

Der Chardonnay Rossbach hört sich da stilistisch schon ganz anders an. Dazu aber siehe oben: der Preis löst nicht gleich einen Kaufreflex aus.


Viele Grüße,

Canardo
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Der Wein-Schwede
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Der Wein-Schwede »

Hallo Canardo,

den "Sparfuchs" habe ich überhaupt nicht schlecht aufgenommen, im Gegenteil, meine Antwort war ja locker und freundlich. :) ;)
"Sparfuchs" bin ich natürlich in der Weise dass ich so viel Weinqualität wie möglich für die Euronen bekommen möchte (wie die meisten Weinliebhaber, glaube ich).

Ich habe kein Problem manchmal 30-40 Euro pro Flasche auszugeben (doch nicht für die "Jedentagflasche") aber dann muss auch etwas "drin" sein. Ich bin der Meinung dass jeder Weingüter sollte für sich, wenn er an die 30 Euro für eine Flasche (Ch oder PN) verlangen will, einen Masstab haben. Für mich heisst der Masstab "Bernhard Huber - Alte Reben". Diese Qualität muss er dann in die Flasche bringen. Will er 40-50 Euro verlangen, dann heisst der Masstab "Bernhard Huber - GG Bienenberg".
Geschmäcker sind ja unterschiedlich, aber ich meine dass das Weingut Bernhard Huber die äusserste Verfeinerung der Weinart ist. :ugeek:

Gute Chardonnay-Weine bringen mir im Moment sehr viel Freude, und ich werde hier in diesem Thread weiterhin meine Erfahrungen schreiben. Und ich schätze alle Eure Kommentare und Tipps sehr hoch, vielen Dank! :)

Viele Grüsse
Rolf
Georg R.
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Georg R. »

Der Wein-Schwede hat geschrieben: ..................
Es ist interessant wie die professionellen Verkoster sich manschmal äussern.
.................
Das ist mir gerade beim Chardonnay auch schon aufgefallen.
Ich könnte mir vorstellen, daß manche noch kein klares Geschmacksbild im Kopf haben, wie denn ein deutscher Chardonnay "zu schmecken hat". (ich habe das übrigens auch nicht)
Beim Riesling und den anderen Burgundersorten haben die Verkoster Ihre Benchmarks, beim Chardonnay fehlt es vielleicht einfach noch etwas an Zeit und Erfahrung.

Bei der Gelegenheit noch zwei Empfehlungen mit sehr gutem PLV, die Chardonnays vom Weingut Claus Schneider und den Muggardter Berg von Schlumberger, beide fein gestrickt.

Und vom Kaiserstuhl den neuen Chardonnay von Holger Koch und den Kirchberg von Franz Keller.
Aber Vorsicht mit den beiden, sie könnten an Deiner Überzeugung rütteln, daß Chardonnay nur auf Kalkböden gut gedeiht ;)

Gruß
Georg
Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich.
Mark Twain
Käfi
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Käfi »

Die Weinlyriker aus Saarwellingen haben sich ja äußert positiv über Jülg geäußert. Gerade der einfache Chardonnay 2016 kam ja bei WS und bei mir nicht so gut an. Den 2015er fand ich gut. Den Opus kenne ich aber noch nicht.

Ich hatte gestern den Chardonnay R Kühling Gillot im Glas. Ich kann leider die Beschreibungen mancher Onlinehändler nicht bestätigen, "burgundisch" ist da nix. In der Nase zwar sehr schön, karg, ganz leicht reduktiv und angenehm rauchig. Der Gaumen wird aber leider von einer schweren Extraktsüße überrollt, was zumindest meinen Chardonnay GEschmack so gar nicht trifft.
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Der Wein-Schwede
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von Der Wein-Schwede »

Vielen Dank, Georg und Julian, für die neuen Empfehlungen und Beurteilungen!

Bis jetzt habe ich gefunden (wenn ich überlege) dass selten sind richtig gute Chardonnays zu finden bei Weingütern welche nur einen Chardonnay Wein machen, und wo es nur eine "Nebensache" abseits von deren Hauptrebsorten ist. Ausnahme wäre dann Rebholz mit Chardonnay R.
Andere Weingüter wie Huber, Knewitz und Wageck-Pfaffmann machen mehrere verschiedenen Chardonnay Weine verschiedener Qualitätsstufen, und haben die Rebsorte als ein Warenzeichen des Weingutes gemacht. So können diese Weingüter natürlich die Qualität weiter nach oben bringen.

Ich werde weiterhin versuchen so viele Deutsche Chardonnays wie möglich zu probieren. Die Empfehlungen von Georg (Badische Weingüter) passen ganz gut zu besuchen wenn die jährliche Reise zu Weingut Huber losgeht.
Für Info - die Jahrgangspräsentation bei Weingut Huber wird dieses Jahr am 17-18 November stattfinden!

Viele Grüsse
Rolf
amateur des vins
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

Beitrag von amateur des vins »

Käfi hat geschrieben:Ich hatte gestern den Chardonnay R Kühling Gillot im Glas. Ich kann leider die Beschreibungen mancher Onlinehändler nicht bestätigen, "burgundisch" ist da nix. In der Nase zwar sehr schön, karg, ganz leicht reduktiv und angenehm rauchig. Der Gaumen wird aber leider von einer schweren Extraktsüße überrollt, was zumindest meinen Chardonnay GEschmack so gar nicht trifft.
Welchen Jg. hattest Du denn da? Ich hatte Anfang März den 2016er zum Antesten.

Deine Eindrücke kann ich mit Einschränkung unterstützen. Ich fand, daß er dem opulenten, barocken Stil des Hauses entspricht, dabei aber durchaus tief, frisch und nicht breit ist; auch nur 12,5%. "Schwere Extraktsüße" oder Vergleichbares habe ich mir nicht notiert, aber "kräftig und voll". Mein Schlußwort war "hedonistischer Spaßwein".

Mit dem Attribut "burgundisch" kann ich selber nicht so viel anfangen - auch wenn ich es selber nicht immer zu vermeiden schaffe. :? Aber so, wie es hier verstanden wird (schlank, karg, straff) trifft es auf den K-G sicher nicht zu. Keinerlei Nachkaufreflex bei mir.
Besten Gruß, Karsten
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