Sa 23. Nov 2019, 21:03
Hallo,
Freunde von mir leben zur Zeit in Beirut. Deshalb hatte ich die Möglichkeit für einen schmalen Taler den Libanon zu bereisen und auszutrinken.
Wir haben drei verschiedene Weinregionen besucht, Batroun, Mt. Libanon und das Bekaa Valley und eine ganze Reihe von Weinen verkostet und getrunken. Ich habe mir vorgenommen, die Eindrücke in nächster Zeit mal ins Forum einzupinseln, wollte aber mit allgemeinen Informationen und dem Fazit anfangen.
Die Kultur und Gastronomie im Libanon besitzt, durch das Völkerbundmandat Frankreichs nach dem 1. Weltkrieg, viele französische Einflüsse. Das findet man gerade auch im Weinbau wieder. Die hauptsächlich angebauten Rebsorten sind z.B. Cabernet Sauvignon, Syrah, Merlot, Carignan, Cinsault, Grenache, Chadonnay, Sauvignon Blanc und Semillion. Autochthone Rebsorten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Je nach Quelle, werden ca. 14.000 - 20.000 Hektar Rebfläche im Libanon angegeben, der überwiegende Teil davon in der Bekaa-Ebene (~90%). Alle mir bekannten Weinbauregionen im Libanon liegen oberhalb von 800 Meter und gehen bis 1500 Meter hoch. Das führt zu einem großen Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperatur, was nach Lehrbuch ja zu einer frischen Säure bei schöner Reife und aromatischer Fülle führen soll.
Den französischen Enfluss findet man auch in der Aktivität von vielen Önologen wieder. Stéphan Derenoncourt bei Marsyas (der syrische Wein Bargylus gehört auch zu der Gruppe), Hubert de Bouard bei IXSIR, Éric Boissenot für Chateau Keyfraya und Yves Confuron für Vertical 33.
Man findet Zahlen, dass es etwa 40 - 50 Weingüter und Winzer im Libanon gibt. Der Markt wird hierbei durch sehr große Wein-Unternehmen wie Ksara, Ixsir, Keyfraya und Musar geprägt. Es ist eher die Ausnahme, als die Regel, dass die Winzer die Trauben selber anbauen. Gerade die großen Weingüter haben langfristige Verträge mit Traubenbauern aus dem ganzen Libanon und kaufen zusätzlich noch situationsbedingt Trauben zu. Andersrum machen die kleinen Winzer nicht in jedem Jahr alle ihre Weine oder mit schwankenden Mengen und verkaufen einen Teil ihrer Trauben.
Das hat zur Folge, dass sich häufig nicht nur die Anteile der verschnittenen Trauben in einer Cuvée sondern die verwendeten Rebsorten von Jahrgang zu Jahrgang unterscheiden. Um einen Terroirgedanken dann vollständig zu begraben, ist die Region, Erntezeit und die Traubenbauern, woher die Trauben, stammen auch von Jahr zu Jahr und innnerhalb eines Jahrgangs nicht einheitlich. Erst bei den teuersten Produkten wird dann ausgewiesen, dass die Trauben nur aus einem Weinberg stammen.
Insgesamt fand ich die verkostete Qualität eher durchwachsen. Wirklich gute Weine sind die Ausnahme, schwache Weine sind problemlos zu finden. In meinen Augen ein ziemliches Minenfeld, gerade weil das Preisniveau auch eher hoch ist. Viele Weine sind sehr reif, kräftig extrahiert und besitzen sehr hohe Alkoholgrade. Von einer frischen Säure ist wenig zu finden.
Der ausschlaggebende Punkt, warum ich persönlich auf den häufigeren Genuss von Weinen aus dem Libanon verzichten werde, ist die hohe Pestizid- und Schwermetallbelastung im Libanon.
Der Einsatz von Pestiziden wird nicht kontrolliert (nur auf dem Papier) und es kommt zur exzessiven Verwendung. Unter anderem, zwar auch im Libanon verboten, Organochlorpestizide wie DDT, was zu den persistenten organischen Schadstoffen zählt und in der EU verboten ist. Fehlende Kontrollen machen es möglich, dass diese Substanzen in den Libanon geschmuggelt werden [1] So wurden z.B. in 61% der Äpfel zwischen 2012 und 2016 Pestizidrückstände oberhalb der Grenzwerte gefunden.[2] Neben den Rückständen in Erdbeeren[3] führen die Rückstände zu einer Anreicherung in den Menschen bei dem Verzehr von Lebensmitteln aus dem Libanon.[4] Ebenso lassen sich die Pestizide im Boden und im Wasser finden.[5,6,7,8]
Die nicht funktionierende Abfallwirtschaft im Libanon sorgt für Schwermetallrückstände und polychlorierte Biphenyle im Boden, Wasser und Lebensmitteln. Indrustieabfälle und Hausmüll werden wild auf oberirdischen, illegalen Müllkippen entsorgt. Hierbei ist die Verschmutzung leider nicht lokal, da der Müll häufig ab einer bestimmten Menge verbrannt wird und dann die schädlichen Bestandteile mit den Abgasen vom Wind verteilt werden.[1,5,9,10,11,12]
Bei meiner Reise in den Libanon haben sich verschiedene Themen immer wieder in den Vordergrund gespielt. Z.B. die Hinterlassenschaften des Bürgerkriegs, Flüchtlinge aus Syrien, die soziale Ungleichheit, die Korruption und die Umweltverschmutzung. Dabei spielt m.M. nach in Bezug auf den Wein die Umweltverschmmutzung die größte Rolle und ist in meinem Fazit entsprechend gewichtet. Die soziale Ungleichheit macht sich in Bezug auf Wein vielleicht in der Trennung von Traubenanbau und Weinbereitung sichtbar. Die Weingüter sind häufig sehr groß und in der Hand von Investoren und reichen Industriellen.
Grüße, Josef
[1] K. Helou, M. Harmouche-Karaki, S. Karake, J.-F. Narbonne, Chemosphere 231 (2019) 357-368
[Link][2] K. El Hawari, S. Mokh, M. Al Iskandarani, W. Halloum, F. Jaber, Food Additives & Contaminants: Part B, 12:2, 81-89.
[Link][3] L. Kfoury, C. Hilan, R. El-Amil, Lebanese Science Journal, Vol. 3, No. 1, 2002, 37 - 46.
[Link].
[4] L. Nasreddine, M. Rehaime, Z. Kassaify, R. Rechmany, F. Jaber, Environ Monit Assess (2016) 188: 485.
[Link][5] A. Kouzayha, A. Al Ashi, R. Al Akoum, M. Al Iskandarani, H. Budzinski, F. Jaber, Bull Environ Contam Toxicol (2013) 91: 503.
[Link][6] I. I. Bashour, S. M. Dagher, G. I. Chammas, A. E. Lteif, N. S. Kawar, Journal of Environmental Science and Health, Part B, 2004, 39:2, 273-283.
[Link][7] L. Youssef, G. Younes, A. Kouzayha, F. Jaber, Chemical Speciation & Bioavailability, 2015, 27:2, 62-70.
[Link][8] C. Chaza, S. Rayane, N. Sopheak, B. Moomen, O. Baghdad, Int J Environ Res (2018) 12: 631.
[Link][9] N. Al-Chaarani, J. H. El-Nakat, P. J. Obeid, S. Aouad, Jordan Journal of Chemistry Vol. 4 No.3, 2009, pp. 303-315.
[Link][10] T.M. Darwish, I. Jomaa, M. Awad and R. Boumetri, Lebanese Science Journal, Vol. 9, No. 2, 3-15, 2008.
[Link][11] C. M. Haydar, N. Nehme, S. Awad, B. Koubaissy, M. Fakih, A. Yaacoub, J. Toufaily, F. Villeras, T. Hamieh, Physics Procedia 55 ( 2014 ) 285 – 290.
[Link][12] J. Borjac, M. El Joumaa, R. Kawach, L. Youssef, D. A.Blake, Heliyon 5 (8), 2019, e02212.
[Link]