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Auf ein Glas ..... Retsina

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 08:20

"….. der Wein erfreue des Menschen Herz, dass seine Gestalt schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke ….." so weiß es bereits das Alte Testament im 104. Psalm und man könnte durchaus die ersten Ansätze der "mediterranen Diät" also des "French Paradox" erkennen, Wein, Brot, Olivenöl. Und dass die Gestalt des Menschen schön wird durch den Genuss des Weines, na das ist doch mal was – vielleicht wird da aber auch nur auf eine durch Alkoholgenuss veränderte Wahrnehmung angespielt, Schönheit liegt im Auge des Betrachters.

Ich würde ja zu gerne wissen, wie der Wein damals geschmeckt hat, wahrscheinlich hatte das mit dem was wir heute kennen nicht viel zu tun und es war wohl ein recht knarziges Getränk von eher geringem Alkoholgehalt.

Die Römer waren ja dankenswerterweise in erster Linie gute Bürokraten, was zur Folge hat, dass alles was der bürokratischen Regelung bedurfte, aufgeschrieben wurde. Und natürlich finden sich auch Regelungen über den Weinbau "….Jeder Wein, der ohne Zusatz haltbar ist, ist der beste. Man soll ihm nichts beimischen, wodurch sein natürlicher Geschmack verändert werden könnte. Das Beste ist immer der naturbelassene Wein, sine condimento…“ L.Junius Moderatus Columella (geb. ca. 4 n.Chr.), De re rustica. Die Definition des natürlichen Geschmackes, der unverfälscht zu bleiben habe, füllt ja bis heute noch Bände und Internetforen.

Die Praxis der Beimischungen entstand in erster Linie aus der Notwendigkeit, den Wein haltbar zu machen und ihm ein angenehmes Geschmacksbild zu verpassen. Wer einmal versucht hat, die paar Trauben, die seine Gartenpergola so hergibt, zu Wein zu vergären, hat sicher eine ungefähre Ahnung davon, wie der Wein damals geschmeckt haben mag und wie schnell er sich in eine vollends ungenießbare Masse verwandelt.

So ist zum Beispiel auch der Retsina entstanden, der Wein wurde in Tonkrügen gelagert, die mit Harzverbindungen abgedichtet wurden und die Aromen aus dem Harz gingen mit längerer Lagerfrist allmählich in den Wein über. Dieses Merkmal galt dann irgendwann als das typische für den griechischen Wein und wurde auch dann noch beibehalten, als es nicht unbedingt mehr technische Notwendigkeit war.

Viele der Praktiken muten heute seltsam an, sind aber ein beredtes Beispiel dafür, wie umfangreich schon die Kenntnisse über Weinbau und Weinbereitung waren und manches findet sich noch heute in veränderter Form wieder. Faszinierend fand ich, dass die Römer zur Vermeidung von zu hohen Säurewerten dem Wein auch Meerwasser befügten, ich mag mir das so nicht recht vorstellen und heutzutage spielt meines Wissens Salz keine nennenswerte Rolle mehr in der Weinbereitung. Es ist aber durchaus spannend, der Geschichte des Weines von seinen Ursprüngen, die irgendwann vor etwa 8000 Jahren im griechischen, ägyptischen oder persischen Raum vermutet werden, nachzugehen.

Aber da wir nun schon mal beim Restina sind, möchte ich ihm auch eine kleine Skizze widmen. Retsina gehörte in meiner Jugend zum studentischen Aufbruch. "Der Grieche" bei dem es preiswertes Essen in großzügig bemessenen Portionen gab, war so etwas wie unser zweites Wohnzimmer, auf den Kunstlederbänken um die mit Wachstuch bedeckten Tische wurde gelernt, gestritten, sich wieder versöhnt. Klausurergebnisse wurden ebenso durchdiskutiert wie die demnächst stattfindende Weltrevolution oder der nächste Rucksackurlaub. Lieben entstanden und zerbrachen begleitet von Unmengen Krautsalat, Souvlaki, Brot und Retsina aus Zweiliterflaschen (schon damals visionär mit Kornkorken verschlossen) in Viertelliterkupferkännchen gefüllt und aus Wassergläsern genossen – eiskalt. Im Hintergrund Sirtakimusik, die immer so klang wie aus Alexis Sorbas.

Bei

Retsina

interessiert weder Winzer noch Jahrgang, die Rebsorten kann man in den entsprechenden Nachschlagewerken finden, meistens Savatino, manchmal auch Beimischungen von Roditis und streng gesehen ist Retsina kein Wein sondern ein weinhaltiges Getränk.

Retsina ist Frische, Jugend, Sommer, Unbeschwertheit auch heute noch. An einem heißen Sommerabend ein erfrischendes Getränk, dazu ein einfacher Bauernsalat mit Brot, der Klassiker mit Gurken (man nehme einmal eine richtige Feldgurke statt der niederländischen Treibhauseinheitsware), Tomaten, Schafskäse, schwarzen Oliven, Olivenöl und Majoran. Über die Zugabe von Zwiebelringen kann man Glaubenskriege führen, ich mache sie von den weiteren Plänen für den Abend abhängig.

Einmal habe ich einen Retsina von einem richtigen Winzer gekauft, so richtig mit Korken und von einem anerkannten Betrieb für fast 9€, das hätte damals zweimal ausgereicht, um unsere ganze Tischgesellschaft mit Retsina zu versorgen: Retsina Ritinitis Nobilis von Gaia Wines (Peloponnes). Ja, der war richtig gut, aber eigentlich hat er mich eher verwirrt (abgesehen davon dass ich bei Ritinitis an Schnupfen denken musste), ein Retsina soll nicht elegant sein sondern bäuerlich, da mag ich nicht lange drüber nachdenken, das muss knarzen und zum Schluss eine erfrischende harzige Bitternote haben und den mag ich auch nicht aus Weingläsern trinken oder wenn dann höchstens aus diesen Pressballons, aus denen sowieso kein Wein schmeckt. Außerdem ist der Ritinitis Nobilis zu 100% aus Roditis, also nicht originalgetreu ….. so!

Ich habe meinen Sommer-Retsina gefunden, ich trau es mich kaum zu schreiben, aber irgendwie müssen wir ja auch alle unser Scherflein beitragen zur Rettung Griechenlands, also ich hab meinem beim Lidl gefunden, da steht nichts Erhellendes drauf weder ein Erzeuger noch ein Abfüller, nur dass er 11 vol% Alkohol hat (wo sich so manch ein südfranzösisches Schwergewicht gerne ein Beispiel dran nehmen darf), er hat den unabdingbaren Kronkorken und er schmeckt so, wie ein "richtiger" Retsina zu schmecken hat. Und das für 99 Cent den halben Liter.

Yamas!
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slowcook

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 08:59

Und das für 99 Cent den halben Liter


Hallo susa

Da haben wir die Ursache für die Schuldenkrise... ;)

Und jetzt ernsthaft: Vielen Dank für den vergnüglichen Start in den Tag; so könnte er gerne weitergehen!

Gruss
Werner
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Gerald

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 09:12

Hallo Susa,

Faszinierend fand ich, dass die Römer zur Vermeidung von zu hohen Säurewerten dem Wein auch Meerwasser befügten, ich mag mir das so nicht recht vorstellen ...


finde ich auch schwer nachvollziehbar. Meersalz besteht fast ausschließlich aus Natriumchlorid (siehe http://www.meersalz.info/wissen/msalz.php), das die Säure im Wein nicht reduzieren kann. Dazu wären nur die diversen Carbonate darin in der Lage, die kommen aber in so geringer Menge vor, dass man den Wein wohl schon 1:1 mit Meerwasser mischen müsste, um einen merkbaren Effekt zu haben ;) Es wird vielleicht eher daran liegen, dass der salzige Gaumeneindruck von der Säure ablenkt, das funktioniert im Essen ja auch manchmal.

dazu ein einfacher Bauernsalat mit Brot, der Klassiker mit Gurken (man nehme einmal eine richtige Feldgurke statt der niederländischen Treibhauseinheitsware), Tomaten, Schafskäse, schwarzen Oliven, Olivenöl und Majoran


mit "Majoran" meinst du Oregano, oder? Echter Majoran (Origanum majorana) im griechischen Salat wäre mir jedenfalls unbekannt. Obwohl ich in einem Restaurant schon einmal einen solchen mit Dill statt Oregano serviert bekommen habe - war gar nicht schlecht, aber irgendwie ganz anders ...

Grüße,
Gerald
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Weinzelmännchen

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 09:23

Liebe susa!

Vorschläge für deine nächsten Sommerbeiträge:

1. Lambrusco
2. Aperol Sprizz
3. Pernod
4. Sangria (nur echt aus dem Plastikeimer)

:lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol:

Aber Ganz im Ernst: ein wirklich vergnüglicher Text!!
MvG
(Mit vinophilen Grüssen)

Daniel
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 10:02

Weinzelmännchen hat geschrieben:Liebe susa!

Vorschläge für deine nächsten Sommerbeiträge:

.....


müssen wir dann auf nächstes Jahr vertagen, dieses Jahr wird das mit dem Sommer wohl nix mehr, Herr susa hat sich für das Wochenende einen harten St. Estèphe oder so was gewünscht und dazu "was mit Rindfleisch".

Ich nehme immer Majoran zum Bauernsalat manchmal auch Bohnenkraut, das ist sicher nicht original genauso wenig wie Dill (aber solche Rezepte leben nun mal und haben irgendwann ihr Eigenleben), aber das schmeckt mir besser.

Das mit dem Meerwasser entnahm ich Wein plus, leider wird das da nicht genauer ausgeführt. Es gab wohl auch noch die Methode, dazu Gips einzusetzen.

lieben Gruß
susa
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dylan

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 10:04

susa hat geschrieben:, aber irgendwie müssen wir ja auch alle unser Scherflein beitragen zur Rettung Griechenlands


Oh,oh, da müssen aber noch viele Hektoliter durch Susa's Kehle rinnen. Die Idee ist allerdings löblich: "Saufen für Griechenland". Ich habe das am vergangenen Samstag beim Italiener (!) auch beherzigt, und Mova von Kokkalis und Sigalas von Santorini (guter Weisswein!) geordert. Bei näherer Betrachtung hätte man allerdings auch direkt für Italien saufen können.
Retsina und Samos kommen mir seit einer Griechenland-Klassenfahrt nicht mehr über die Lippen. Da müsste man schon Methoden anwenden, die seit dem Dreissigjährigen Krieg mehr und mehr in Vergessenheit geraten sind.

Trotzdem: Wohl bekomms!

dylan
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 10:07

dylan hat geschrieben:....
Oh,oh, da müssen aber noch viele Hektoliter durch Susa's Kehle ....
dylan


Muss ich denn immer alles alleine machen? *seufz

susa
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Gerald

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 11:20

Das mit dem Bohnenkraut ist auch ein interessanter Tipp. Stellt sich die Frage - wenn ich so neugierig sein darf - welche Art du davon genau verwendest?

Bei uns bekannter ist das Sommerbohnenkraut (Satureja hortensis), hingegen finde ich das Aroma des Bergbohnenkrauts (Satureja montana), das ich erstmals vor ca. 20 Jahren in der Provence kennengelernt und seitdem ständig im Garten habe, viel attraktiver und würziger. Auch in einem griechischen Bauernsalat kann ich mir es sehr gut vorstellen (obwohl ich es noch nicht probiert habe). Allerdings sind die Blättchen ziemlich hart, man muss sie also vorher fein zerkleinern.

http://de.wikipedia.org/wiki/Sommer-Bohnenkraut

bzw.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bergbohnenkraut

Grüße,
Gerald
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C9dP

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 11:33

Hallo zusammen,

Die Verdünnung mit Meerwasser war bei den Griechen und Römern durchaus genauso üblich, wie die Versetzung von Wein mit Gewürzen, Honig und Harz. Jedoch bei den Römern nur noch bei griechischem Wein, der im Regelfall extrem süß und schwer gewesen sein muss (Odysseus besiegte den Zyklopen durch einem Wein, den die Griechen mit 20 Teilen Wasser verdünnten) und dem Landwein fürs Fußvolk, der sonst wohl ungenießbar war. Der gute römische Wein, insbesondere der Falerner wurde natürlich pur getrunken und bereits nach Jahrgängen bewertet. Hier war der Gelehrte Robertus Parkerus von besonderem Rang, der den Jahrgang 121 v. Chr. mit legendären C* von C Punkten bewertete. :lol:
Als Quelle zur Vertiefung kann ich das Buch Weingeschichte von Hugh Johnson empfehlen.

Btw: Ich finde, ein guter Samos Nectar ist durchaus eine Süßweinvariante mit Daseinsberechtigung.
Viele Grüße

Aloys
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... Retsina

BeitragDi 19. Jul 2011, 11:58

Da mein Bohnenkraut winterhart ist, wird es sich wohl um das Winterbohnenkraut handeln; ich trockne die Blättchen leicht vor und zermörsere sie dann, das geht ganz gut. Aber sooo hart sind sie auch wieder nicht, sorgfältig von den Stilen entfernt und gut gehackt funktionieren sie auch frisch.

Samos habe ich schon recht annehmbare erlebt, meine Schmerzgrenze ist bei Mavrodaphne erreicht ;).

lieben Gruß
susa
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