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Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDi 12. Jul 2011, 09:05

Na? Seid ihr auch schon alle in Google +? Wer drin ist, ist ja wer und wer noch nicht drin ist, der drückt sich an der virtuellen Fensterscheibe die Nase platt. Die wirklich wichtigen Internetgrößen waren ja schon vor dem letzten Wochenende drin. Wahre Wunderdinge sollen da ja vonstatten gehen in Circles, Hangovers – ach nee Hangouts, Clouds (oder war das nu wieder Apple, man wird ja ganz wuschig) oder Sparks. Alles wird anders, größer, besser, schöner, schneller. Versprochen.

Na ja, man wird sehen.

Ich war am Wochenende – ich erwähnte es bereits – mit ein paar Freunden an der Ahr, real – nicht virtuell.

Man hatte mich vorher gewarnt, Ahr, das sei so gar nichts mehr, da wolle keiner mehr hin, das wolle keiner mehr haben, die großen Namen nur noch teuer, die Weine lange nicht mehr das was sie mal waren, keine Überraschungen mehr, keine junge engagierte Winzergeneration, wie in anderen Anbaugebieten, nur Langeweile, ambitionierte Preise und sonst nix. Gut, der Händler, der mir das lang und breit vorbetete, hat keine Ahrweine im Programm ;).

Nun war aber gebucht und organisiert und wer einmal mit einem Tross von 13 Leuten losfährt, der kennt das, da kann man sowieso nicht mal spontan umorganisieren und fragt man 13 Leute hat man 17 Meinungen, wobei sich drei gar nicht äußern und zwei im letzten Moment doch noch abspringen.

Also hin. Unterbringung auf einem Weingut mit Ferienwohnungen, abends Buffet mit selbst gemachten Schmankerln und best bottle Party quer durch die Weinwelt von Kalifornien bis zum Mittelrhein und vorher eine Weinprobe beim Gastgeber. Pflichtveranstaltung, so dachten wir uns, probieren wir halt und kaufen ein paar Anstandsflaschen, irgendeine alte Tante finden wir bestimmt, die milden Portugieser und dropsigen Spätburgunder mag, dann haben wir schon mal ein Geburtstagsgeschenk.

Tja und dann mussten wir doch innerlich mehr als einmal Abbitte leisten. Die Probe verlief angenehm, der junge engagierte Winzer war eloquent, klug, amüsant und er weiß genau was er will und was er kann und das ist eine ganze Menge. Und seine Weine überzeugten. Mit den Basisqualitäten hatte ich genau wie u.a. bei Kreuzberg so meine Schwierigkeiten, nothing to write home about, nett, gefällig, ein bisschen mollig – und für die Qualität zu teuer, 5.90 für den Liter Spätburgunder, tja – da muss die Sache mit der Steillage, der sensiblen Rebsorte Spätburgunder, der Handarbeit natürlich sehr ausdrücklich geschildert werden.

Insgesamt glaube ich übrigens, dass maßgebliche Verbände der Ahrwinzerschaft Fortbildungsseminare für junge Winzer anbieten so z.B. zu "Die moderne Weinprobe – Weine präsentieren – verkosten – verkaufen" und das dazu erstellte Informations- und Schulungsmateriel von allen Weingütern sehr sorgfältig studiert, auswendig gelernt und angewendet wird. Wie sonst sollte man sich erklären, dass jede Weinprobe mit dem historischen Abriss des Ahrweinbaus seit Kriegsende bis heute anfängt, als die Ahr das Naherholungsgebiet der gesamten Ruhrgebiets war und der Wein den Kumpels nicht mehr abverlangen durfte, als ein frisch gezapftes Bier, leicht, bekömmlich, nicht zu trocken, geringer Alkoholgehalt, so sollte er sein und so war er. Da dieser allerdings immer noch doppelt so hoch lag wie der des Bieres waren die Folgen unabsehbar.

Bewohner des Kurortes Bad Hönningen wissen was ich meine.

An der Ahr soll dazu der Spruch kreiert worden sein

Wer an der Ahr war
und weiß, dass er da war,
war nicht an der Ahr.

Danach folgen regelmäßig immer die gleichen Zahlen, die gesamte Rebfläche der Bundesrepublik Deutschland beträgt etwas über 100.000 ha (im Vergleich dazu allein das Bordelais hat 120.000 ha), davon entfallen auf die Ahr gerade mal um die 550 ha, also knapp 5.5% (im Vergleich dazu allein das Gut Lafite Rotschild besitzt über 100 ha Rebfläche). 80% dieser Fläche liegen auf Steillagen mit z.T. extremen Steigungen von mehr als 50° Neigungswinkel und ist mit ca. 85% Rotweintrauben (in der Hauptsache Spätburgunder mit 67%) und dementsprechend 15% Weißweintrauben bestockt, insgesamt sind 45 rote und 22 weiße Rebsorten zugelassen.

Durch diese Zahlen muss der geneigte Ahrweinprobenbesucher durch, erst dann wird's spannend.

Ich mach es aber jetzt nicht länger spannend, sondern stelle ihn vor, den jungen Winzer mit Ferienwohnung und Weingut, Marc Linden, Weingut Sonnenberg in Bad Neuenahr, ein noch junges Weingut von ca. 7 ha, das von Lindens Großvater gerade dann gegründet wurde, als der Ahrweinbau in seine Krise geriet. Großvater Linden wusste also um die Vorteile antizyklischen wirtschaftlichen Handelns. Marc führt den Betrieb zusammen mit seiner Frau, die gerade letzte Woche ihre Winzerprüfung bestanden hat und das als zugereiste Niedersächsin – herzlichen Glückwünsch noch mal!, und dass die kleine Tochter, heute so um die drei Jahre alt, einmal den Betrieb übernehmen wird, das ist eh schon klar, wenn es in den Weinberg oder den Keller geht, weicht sie dem Vater nicht von der Seite.

Aber grau ist alle Theorie, der Wein will verkostet sein. Neben einem sehr gelungen vielschichtigen Frühburgunder hat mir am besten gefallen

2009 Spätburgunder A

und sehr vorbildlich stehen alle relevanten Zahlen in der Preisliste, Restzucker 1,0g Säure 4,6g Alkohol 14,5% Schwefel 85mg. Aber nackte Zahlen sagen gar nichts. Der Wein ist von kräftig klarem Rot und hat einen sehr feinen Duft nach Himbeere, Veilchenlakritz, Rauch, am Gaumen schmelzig, weiche süße Frucht, Kräuternote, feines dezentes Holzaroma, etwas Bitterschokolade, mittelschwerer Körper, leicht adstringierendes Tannin, Abgang lang, der Alkohol wirkt nicht zu wuchtig oder störend.

Intensives und spannendes Trinkvergnügen und ich freue mich schon darauf, den Wein, der jetzt in meinem Keller erst mal bis zum Herbst ruhen darf, zu einem Rehschnitzel oder einem geschmorten Fasan zu trinken, oder auch einfach so.

Prost!
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Gerald

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Re: Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDi 12. Jul 2011, 09:20

Hallo Susa,

toller Beitrag - wie schon gewohnt ;)

Nur bei

Danach folgen regelmäßig immer die gleichen Zahlen, die gesamte Rebfläche der Bundesrepublik Deutschland beträgt etwas über 100.000 ha (im Vergleich dazu allein das Bordelais hat 120.000 ha), davon entfallen auf die Ahr gerade mal um die 550 ha, also knapp 5.5%


scheint sich ein kleiner Fehler eingeschlichen zu haben: 550 von 100.000 ha wären nach meiner Rechnung 0,55% ...

Ansonsten machen mich die verschiedenen Schilderungen deutscher Spätburgunder seit längerem neugierig, da sie doch - je nach Verkoster - sehr unterschiedlich ausfallen. Leider sind sie hier in Ö so gut wie nicht erhältlich. Mit den österreichischen Pinots konnte ich mich jedenfalls bisher kaum anfreunden, meistens fallen sie in die Kategorie "ganz nette Erdbeermarmelade in Flaschen".

Grüße,
Gerald
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDi 12. Jul 2011, 09:36

*oups, da hast Du ja recht - genau


0.5%
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theater69

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Re: Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDi 12. Jul 2011, 09:39

Moin,

danke für diese schöne, nette Geschichte. Allerdings muß ich gestehen daß ich deutschem Rotwein bislang nichts abgewinnen konnte, ü-ber-haupt nichts! Ausdruckslos, geruchs- und geschmacklos. Finde ich. Egal woher, egal welche Rebe, egal welcher Winzer. Aber dieser Bericht macht mich doch wieder etwas neugierig. Wir planen ja unsere Weintour im August in den Rheingau (Wiesbadener Weinwoche! ) und da könnte ich mich ja mal wieder an deutsche Rote heranwagen ... Die Besuche sind auf jeden Fall schon mal vereinbart und vielleicht ...
LG
Andreas

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susa

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Re: Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDi 12. Jul 2011, 09:47

Nun, da gibt es aber so viele unterschiedliche, mir gefallen sehr viele aus der Pfalz sehr gut, zB Rings, auch Rebholz - ich gehöre allerdings zu der Minderheit, die mit den Roten von Friedrich Becker (Schweigen/Pfalz) nicht viel anfangen kann.

lieben Gruß
susa
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Bernd Schulz

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Re: Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDi 12. Jul 2011, 13:19

Marc Linden habe ich auch schon live und in Farbe erlebt -allerdings ist das mittlerweile 8 Jahre her, aber auch schon damals wirkte der junge Winzer sehr zielstrebig und kompetent. Sein "Feanor" 2001 war ein Pinot mit einem ausgezeichneten PLV:

Bild

Mit dem 09er aus der Neuenahrer Sonnenlay bin ich aktuell nicht richtig klargekommen:

Bild

Und ich muss gestehen, dass bei mir die Alarmglocke schrillt, wenn ich wie im Falle der A-Klasse einer Drehzahl von 14,5% gegenüberstehe. Im Gegesatz zu Andreas hatte ich schon viele deutsche Rotweine, die mir gefallen haben, im Glas, aber darunter war noch nie einer mit 14 und mehr Volt.... ..

....aber das hat natürlich auch etwas mit ganz subjektiven Vorstellungen zu tun.

Beste Grüße

Bernd
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Olafsson

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Re: Auf ein Glas ..... 2009 Spätburgunder A, Sonnenberg, Ahr

BeitragDo 14. Jul 2011, 00:15

"der war / nicht an der Ahr" ... Übrigens: glänzend auch die Scherzfrage, wie man einen Rheingauer auf 0.8 Promille bringen kann :-)

Der "A" war unser Einstieg in die Ahr: etwas opulenter als die Spätburgunder tags darauf ... egal, ob es an der Bio-Ausrichtung des Winzers lag (über dem Weinberg müsse ab und an auch ein Falke nach Mäusebeute lugen) oder am Halbieren der Reben oder am Superjahrgang 09.

Ãœbrigens warn die Ahrburgunder tolle Nasnweine. Was die 14.5 Prozent etwas relativiert :-)

O.

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