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Auf ein Glas ..... 2008 Domaine JP Gaussen, Bandol

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2008 Domaine JP Gaussen, Bandol

BeitragDi 24. Mai 2011, 09:59

Heute kommt natürlich keiner drum rum, His Bobness, ach nee, das ist ja der andere, His Bobness ist Sir Bob Geldof, also der eine, der Erste, der Große, Robert Allen Zimmerman, besser bekannt als Bob Dylan feiert heute Geburtstag. 70 Jahre! Als wir auf großer Klassenfahrt im Vondelpark in Amsterdam "Blo-wo-wo-wo-wing in se winnnt" falsch zum 3 Akkord-Gitarrenspiel sangen, da konnten wir uns nicht vorstellen, wie das ist, einmal 70 Jahre alt zu sein. Mit 70 hatte man gefälligst tot zu sein, oder wenigstens nicht mehr zu nerven oder auf einer Bühne zu stehen.

Inzwischen sind wir mit Bob gealtert. Man hat sich zwischenzeitlich aus den Augen verloren aber immer wieder gefunden. Bob Dylan gehörte zu im Erwachsenwerden, zur jugendlichen Rebellion und war der lebende Beweis, dass sich Folk-, Rock- oder Bluesmusik und Poesie keinesfalls gegenseitig ausschließen.

Mit Bob Dylan konnte man Eltern, die an der Seriosität der "Beatlesmusik" zweifelten, vom intellektuellen Gehalt der zeitgenössischen Musik überzeugen, indem man lässig "Dylan Thomas" und "Arthur Rimbaud" erwähnte (nicht, dass man damals schon was davon gelesen hätte) und sagte "da muss man sich auch auf die Texte einlassen" und um unser Seelenheil, unsere Unschuld und unsere Zukunft besorgte Eltern sagten sich, dass es doch wenigstens der Verbesserung unserer Englischkenntnisse diene, wenn wir uns mit Herrn Zimmermans Texten beschäftigen. Der war auch nicht so suspekt, wie dieser Herr Jagger mit seinen Frauengeschichten.

Zu meinen Lieblingsliedern gehört "The times they are a-changing", es beschreibt exakt die Aufbruchstimmung meiner Jugend, das Gefühl, bei einem Umbruch der Gesellschaft dabei zu sein und das auf der richtigen Seite "…. Come mothers and fathers throughout the land; And don't criticize what you can't understand. Your sons and your daughters are beyond your command ….. "

Inzwischen, um den Bogen zum Anliegen dieser Seite zu schlagen, hat Bob Dylan auch einem Wein seinen Namen gegeben, dem "Planet Waves" des italienischen Winzers Antonio Terni aus Ancona nach dem Album, das gemeinhin als Dylans Übergangswerk gilt und den wunderbaren Titel "Forever young!" enthält. Es galt als kleine Sensation, dass der als verschroben und abweisend geltende Dylan dem Winzer letztendlich seine Zustimmung für dieses Projekt gab.

Den Wein habe ich noch nicht probiert, deswegen kann ich da leider nichts zu schreiben, aber ich überlege, welcher Wein wohl geeignet wäre, zu Bob Dylans Geburtstag geöffnet zu werden. Der Wein muss kantig sein und darf sich nicht so schnell erschließen, vielschichtig muss er sein, tiefgründig und voller Poesie. Wahrscheinlich ist das für jeden von uns ein anderer Wein, der eine sinniert vielleicht bei einem weichen buttrigen Chardonnay mit geschliffener Mineralnote und hört dazu den Subterranean Homesick Blues; andere greifen zu einem fetten Zin und genießen dazu das Gemeinschaftswerk von Bob Dylan und den Grateful Dead und passt zu Maggies Farm vielleicht ein Südtiroler Vernatsch? Zu Just like a Woman vielleicht ein rosa Champagner? Jedem seinen Dylan – ich trinke auf ihn einen Bandol, einen etwas untypischen, fast würde ich meinen einen schrägen

2008 rouge
Domaine Jean Pierre Gaussen, Bandol


Den Wein habe ich in der Maison du Vin in Bandol gekauft und als ich den Verkäufer bat, mir noch so etwas Ähnliches einzupacken, da sagte er "Es gibt keinen Wein im Bandol, der sich mit Gaussen vergleichen lässt. Gaussen ist einmalig! Gaussen ist anders!" Das passt auch auf Dylan, immer wenn man meint, man hat Dylan erfasst, ist er wieder anders.

Und der Verkäufer hatte recht. Der Wein ist von einem fast undurchsichtigen Schwarzrot und präsentiert sich eher kräftig wild als elegant aber sehr komplex mit einem ganzen Bündel verschiedener Aromen, in der Nase Kirsche, Pfingstrose, Veilchenlakritz, am Gaumen samtiges Tannin, Bitterschokolade, Blaubeeren und einem wunderbaren Abgang, der neben den fruchtigen vor allem die erdigen und mineralischen Aspekte herausarbeitet. Wo andere Bandols Kraft und Eleganz aufweisen, hat der Gaussen eine eher ungeordnete Mischung von Aromen und Texturen und bezaubert mit seiner Kraft.

Ein Wein, mit dem man sich gerne zurückzieht und dazu Musik hört. Muss nicht unbedingt Dylan sein, aber das passt schon. Happy Birthday, Bob, and hey ….. you look younger than ever.

Prost!

Und was trinkt Ihr auf Bobs Wohl?
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harti

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Domaine JP Gaussen, Bandol

BeitragDi 24. Mai 2011, 10:12

Hallo Susa,

ein weiteres Mal vielen Dank dafür, dass Du Deine wunderbaren Essays in unserem Forum schreibst.

Grüße

Hartmut
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dylan

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Domaine JP Gaussen, Bandol

BeitragDo 26. Mai 2011, 18:27

susa hat geschrieben:Heute kommt natürlich keiner drum rum,


in der Tat, Susa, auch ich bin nicht drum rumgekommen, mir auf einer fünfstündigen Autobahnfahrt nach Erfurt auf diversen Radiosendern (vom Kultursender bis zu Privatsendern, die Dylan bestenfalls in Coverversionen spielen) diverse Würdingungen von noch diverseren Dylan-Kennern anhören zu dürfen und müssen.
Das Problem daran war, dass einige der Herren ohne Rücksicht darauf, dass man mit Lachtränen in den Augen ein Risiko für den Strassenverkehr darstellt, in ihrem heiligen Ernst doch recht komisch waren. Ich habe mich ernsthaft gefragt, was da an seinem hoffentlich noch fernen Todestag auf uns zukommen wird.
Sei es wie es sei, ich gönne jedem "seinen" Dylan. Ich persönlich halte es mit diesen Zeilen von Kris Kristofferson (The Pilgrim: Chapter 33), die, auch wenn sie auf einen anderen Künstler gemünzt sind, die Person Dylan ganz gut beschreiben:
He's a poet, he's a picker
He's a prophet, he's a pusher
He's a pilgrim and a preacher, and a problem when he's stoned
He's a walkin' contradiction, partly truth and partly fiction
Takin' every wrong direction on his lonely way back home

Was Trinken zu seinem Geburtstag? Mann könnte es ja mit dem Meister halten: " I started out on burgundy, but soon hit the harder stuff" (Just Like Tom Thumb's Blues), also Burgunder und Bourbon, in dieser Reihenfolge! ;)

Beste Grüsse

dylan
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Domaine JP Gaussen, Bandol

BeitragDo 26. Mai 2011, 19:17

Ach dylan,

das hast Du sooo schön geschrieben ....

vielleicht hält man es auch mit Sir Anthony Barton "Eine Magnum-Flasche? Genau die richtige Größe für einen schönen Abend. Vorausgesetzt, man beginnt mit einem Champagner, man endet das Menu mit einem Sauternes, und man ist allein daheim…"

Vielleicht spricht auch das für Dylan, dass sein Sohn einer der wenigen Abkömmlinge berühmter Rock-, Blues- oder Folklegenden ist, der wirklich gute und eigenständige Musik macht. So gute, dass er nicht unter Pseudonym auftreten muss ;) und es auch nicht nötig hat, Vatersnamen als Promoter zu benutzen.

lieben Gruß
susa
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