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Heute im Glas ..... 2000 Remirez de Ganuza Reserva

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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BuschWein

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Re: Heute im Glas ..... 2000 Remirez de Ganuza Reserva

BeitragDo 3. Mär 2011, 13:28

Der Weinhändler:
Viele Weinanfänger bekunden eine Scheu, ein Weingeschäft zu betreten, das ist zwar verständlich ("wahrscheinlich blamier ich mich, was ist, wenn der mich was fragt und ich hab keine Ahnung….") aber vollkommen unbegründet. Den meisten Weinhändlern ist die kühle Arroganz und der mitleidige Blick vollkommen fremd, den Galeristinnen und Parfümeriefachverkäuferinnen (anwesende mitlesende weinvernarrte Parfümeriefachverkäuferinnen und Galeristinnen natürlich ausgenommen ) so virtuos beherrschen. Dieses gezogene etwas seufzende "ach soooo", wenn man nur das einfache Eau de Toilette oder nur den simplen Siebdruck des gerade ausstellenden Künstlers kaufen will. Die meisten Weinhändler tun nichts lieber als ihren Kunden was über Wein zu erzählen (abgesehen von Wein verkaufen natürlich), am liebsten die Basics, die alle ihre anderen Kunden, Freunde und Familienmitglieder schon zur Genüge kennen


Ich bin mir da gar nicht so sicher, ob wir Weinhändler wirklich so viel anders sind. Natürlich ist die Befürchtung, dass man sich "blamieren" könnte vollkommen falsch, aber kann die unverholen vorgetragene Begeisterung des Händlers nicht auch manchmal nerven? Da will man als Weininteressierter nur eine Flasche Wein für den Abend kaufen und schon befindet man sich in einem mittleren Verhör, "für was soll der Wein denn sein?" - hm, warum soll ich als Kunde dem Verkäufer jetzt meine ganze Abendplanung nahelegen? "Welche Weine trinken Sie denn gern?" Soll man jetzt jeden Wein aufzählen der einem schon mal geschmeckt hat, vor allem dann ein Problem, wenn man als "normaler" Weinkunde gar nicht mehr weiß wie die Weine hießen, wo sie herkamen, wer sie gemacht hat. Oder der Weinhändler erzählt einem erst einmal die gesamte Familiengeschichte des Weinguts seit der Reconquista, wahlweise der französischen Revolution oder der Märzrevolution in der Pfalz. Das kann ja alles richtig spannend sein, nur man wollte doch nur eine Flasche Wein und nicht den ganzen Abend bei einem Proseminar zum Thema Wein im Wandel der Zeit verbringen.

Ich will damit nur sagen, nur weil wir uns alle für Wein interessieren, muss ein begeisterter und von Sendungsbewußtsein getriebener Weinhändler nicht für jeden Kunden eine Freude sein. ;) Ich versuche mich selbst da auch ab und an selbst zu beobachten und mich zu zügeln oder zu warten bis der Kunde selbst eine Frage stellt. TMI (to much information) hilft auch nicht.

Wenn man ankommt, sichere man sich sofort eine der (meistens in viel zu geringer Anzahl ausliegenden) Preislisten. Man mache sich mit den Namen und Preisen der angebotenen Weine vertraut. Im Zweifel sind die teuren Weine die besten. Ja, so einfach ist das.


Sind diese Zeiten nicht längs passé? Preislisten oder Verkostungslisten bekommt man doch mittlerweile immer und zum Thema der teuerste Wein ist auch der Beste, das stimmt definitiv nicht!Lieber Weinanfänger bitte vertraue immer Deinem Gaumen mehr als dem Preis oder angegebene Punkten.

Nun hat man Wein, das ist ja nur so ein kleines Pfützchen, eingeschenkt bekommen und man probiert. Bitte nicht runterschlucken, ausspucken! Das kann man zu Hause mit Johannisbeersaft üben, und sollte es vor dem ersten Mal auch tun, die Oberbekleidung dankt es einem und Rotweinflecken pflegen eine ewige und unauflösliche Verbindung mit Kaschmirpullis einzugehen. DAS ist auch die einzig entscheidende Garderobenfrage, den Lieblingspulli ziehe man besser ein anderes Mal an, ansonsten gilt: dresscode casual.

Da kommt es schon auch ein wenig drauf an, wer einfach nur einen schönen Wein für sich entdecken will und auch nicht den Ehrgeiz hat alle Weine zu probieren und bis zum letzten Tropfen ein unbestechlicher Juror zu sein, der kann die Weine ruhig auch runterschlucken. Klar macht man sich da als schnöder Hedonist bei den anwesenden "Profis" und anderen "Freaks" verdächtig womöglich dem Wein nicht die ausreichende Ehrfurcht zu zollen, aber man macht das was man mit Wein vor allem machen sollte, trinken. Übrigens es ist auch nicht schlimm am Ende des Abends einen leichten Schwipps zu haben, schön wäre es aber schon (sage ich als Veranstalter) die Probe nicht mit Weinfesten verwechseln und bitte auch den Endzeitpunkt einhalten, wir Veranstalter müssen danach noch aufräumen und sind am nächsten Tag ja auch wieder früh im Laden.

Beim Wein ist es ungleich schwieriger, da hat man ja was Reelles, was Stoffliches, da verbieten sich Vokabeln wie apokalyptisch oder enigmatisch, bei Wein muss man auch im Deutschen bleiben, man kann nicht auf bedeutungsschwangere Universal-Fremdwörter ausweichen. Und ein Wort verbietet sich ganz entschieden "lecker", ein Wein kann alles sein, aber nicht "lecker".

Och, ich habe schon Weine verkostet, bei denen mir die Vokabel apokalyptisch durchaus durch den Kopf ging. :twisted: ;) Und für mich kann ein Wein auch alles sein, aber eines MUSS er sein, wenn er mir gefallen soll, nämlich LECKER!
Ach so ja, eines noch: Ein bisschen was sollte man kaufen, das wird schon von einem erwartet und deswegen ist man doch auch hingegangen. 6 Flaschen ist immer ok, das ist nicht zu wenig, nach oben ist natürlich alles offen. Kann auch gemischt sein, 4 Flaschen Basisqualität und 2 Flaschen von dem teuren – das ist schon mal was. Da wird man wieder eingeladen, man wird sowieso wieder eingeladen. Irgendwann wirft man die Einladungen ungeöffnet zum Altpapier - wirklich.

NEIN. Man muss definitiv nichts kaufen, wenn man zu einer Weinprobe geht. Meist kostet das ja heute auch einen kleinen Probenobulus, damit ist der Aufwand des Veranstalters beglichen. Bitte nur Weine mitnehmen , die einem wirklich gefallen haben. Damit ist zwar auch nicht 100% gewährleistet, dass die Weine einem daheim auch schmecken (das kann schon mal ähnlich wie im Urlaub sein), aber auch der Winzer oder der Weinhändler hat nichts davon, wenn beim Weinfreund, Kunden Weine herumliegen, die diesem nicht schmecken.

Natürlich freue ich mich als Händler wenn der Verkaufsumsatz bei einer Weinprobe richtig hoch ist, aber aus Höflichkeit muss niemand etwas mitnehmen. Und Eingeladen wird man sowieso immer wieder, außer man kauft nie ein und fällt dann irgendwann aus der Kundendatei. Tendenziell pflegen Weinhändler und Winzer aber ihre Datei eher wenig bis nie, sprich man fliegt nicht raus, bis man es nicht selbst fordert.

Am Ende freut sich aber der Winzer und der Weinhändler schon sehr, wenn dessen Weine gelobt werden, also jeder Besucher einer Weinverkostung darf seiner Begeisterung hemmungslos freien Lauf lassen, das ist vielleicht wirklich anders als bei der Kunst. Weinhandlungen und Weingüter sind keine Orte der stillen Kontemplation. Hier geht es um Genuss und nicht um höhere Weihen.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
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Rinquinquin

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Re: Heute im Glas ..... 2000 Remirez de Ganuza Reserva

BeitragDo 3. Mär 2011, 17:17

susa hat geschrieben:
und sollte es vor dem ersten Mal auch tun, die Oberbekleidung dankt es einem und Rotweinflecken pflegen eine ewige und unauflösliche Verbindung mit Kaschmirpullis einzugehen. DAS ist auch die einzig entscheidende Garderobenfrage, den Lieblingspulli ziehe man besser ein anderes Mal an, ansonsten gilt: dresscode casual.


nur nebenbei - da regt sich bei mir Widerspruch: Kaschmir ist meiner Meinung nach ein Stöffchen, das unempfindlicher ist, als man denkt. Flecken? Ruckzuck sind die weg. Aber SEIDE, ohhh !! Die nimmt ja alles übel.

susa hat geschrieben:Das Glas fasse man (aber wem erzähl ich das) beim Stiel


..... meines Mannes Lieblingsstory: in einem bekannten Heft über essen und trinken sah er viele Fotos von der Verlegerin, wie sie das Glas hielt - nicht am Stiel......

susa hat geschrieben:Und ein Wort verbietet sich ganz entschieden "lecker", ein Wein kann alles sein, aber nicht "lecker".


Ach, wie herrlich, endlich hat es mal jemand ausgesprochen! Dieser Sammelbegriff steht bei mir auf dem Index: ich benutze ihn auf gar keinen Fall. Genau richtig: bei Wein passt "lecker" nicht - und bei so vielen anderen Dingen auch nicht.

Wieder eine dieser schönen susa-Geschichten, ganz vielen Dank.

Gruss von Rinquinquin
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kreutzer

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Re: Heute im Glas ..... 2000 Remirez de Ganuza Reserva

BeitragMo 14. Mär 2011, 12:42

susa hat geschrieben:Und so kaufte ich auf meiner ersten "richtigen" Weinprobe

2000 Reserva
Remirez de Ganuza, Rioja


und sicher nicht nur deswegen, weil ich mich verpflichtet fühlte oder weil bei dieser Probe Alexandra Schmedes anwesend war, die zu der Zeit auf dem Gut für den Wein mitverantwortlich zeichnete und in deren Gegenwart man schnell alle Scheu verlor und sich auch traute, die "dummen Fragen" zu stellen. Und die Herren erlagen ihrem Charme sowieso reihenweise ;).

Der Wein begeisterte mich damals und er tut es heute noch, kraftvoll und fast schon majestätisch. Die Farbe ein undurchdringliches Dunkelrot, Nase von roten Beeren, Pflaumenmus, warmes Holz, Röstaromen und am Gaumen samtig-eleganter Schmelz, muskulös, Zigarrenkiste, damals noch sehr kräftiges Tannin, das inzwischen fast ganz abgebaut ist, dafür kam ein feines Schokoladenaroma dazu, Mineral und ein wirklich langer beeindruckender Abgang.

Ich bin nicht sicher, ob die damals sehr optimistischen Lebenserwartungshochrechnungen von 20 Jahren und mehr eintreffen werden, die letzte Flasche wurde schon vor gut einem Jahr getrunken, wo sie sich auf dem Höhepunkt zeigte, wie lange der Wein so bleibt, ich möchte nicht raten.

Prost!


Liebe Susa,

Deine Notizen zum 2000er Rioja Remirez de Ganuza Reserva haben mich fast zwanghaft dazu getrieben, meinen Weinkeller daraufhin zu durchstöbern, ob ich derartiges nicht auch im Keller habe. Bei derart hoch gelobten Weinen gelingt mir das ja recht häufig, da ich mich ebenfalls zwanghaft von der Neugier getrieben, die guten Weine dieser Welt kennen zu lernen, meist mit Einzelflaschenkäufen beschäftige. Mehr geht einfach nicht mehr und in meinem Alter schon gar nicht.

Nun bin ich nicht der leidenschaftliche Rioja-Liebhaber, da mir die klassischen Riojas in der Regel eine zu starke Holzröstung und eine Neigung zur Oxidation aufweisen. Aber ich weiß, es gibt Ausnahmen. Deine Beschreibung hörte sich zumindest so an.
Computer an, dass Access-Programm auf die geeignete Sortierung einstellen und was springt raus. Kein 2000er Rioja Remirez de Ganuza Reserva. Dafür aber ein 1998er Rioja Remirez de Ganuza Reserva. Warum nicht.

Nun hatte ich mich bereits vor einigen Wochen mit Ingo, einem Weinfreund aus Dortmund, der mich im Rahmen dieses neu erstandenen Weinforums kontaktiert hatte, zu einem gemeinsamen Abendessen mit unseren besseren Hälften im völlig unterbewerteten Oberhausener Restaurant „3 Mahl“ verabredet. Ein Restaurant mit ambitionierter Frischeküche zu moderaten Preisen aber stark unterentwickelter Weinkarte. Vor diesem Hintergrund habe ich mich mit den Inhabern vor einiger Zeit darauf verständigt, dass ich bei besonderen Gelegenheiten, auch eigene Weine mitbringen kann. Die Verabredung mit Ingo schien mir eine solche Gelegenheit zu sein.

Auf vier Weine hatten wir uns verständigt. Deine Notiz zum 2000er Rioja Remirez de Ganuza Reserva hat mich dann spontan veranlasst den ursprünglich vorgesehenen Wein, einen 1998er Fox Creek Shiraz Reserve gegen den 1998er Rioja Remirez de Ganuza Reserva auszutauschen.

Kurzum: ich oder besser wir haben es nicht bereut. Deine Notizen könnte ich problemlos auf den 1998er übertragen. Ein Ausbund an Frische und Saftigkeit. Dunkel und rotbeerig. Die Röstigkeit tritt bei dem 1998er vermutlich noch weiter in den Hintergrund. Und ich hatte keine Zweifel, dass dem 1998er auch einige weitere Ruhejahre noch gut zu Gesicht gestanden hätten. Aber wir haben ihn jetzt bereits rundum genossen.

Letztlich trägst Du jetzt ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung dafür, dass ich derzeit versuche, noch eine 6er Kiste der 2004er Ausgabe zu bekommen. :)

Gruß aus Oberhausen
Norbert
Zuletzt geändert von kreutzer am Mo 14. Mär 2011, 17:31, insgesamt 1-mal geändert.
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susa

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Re: Heute im Glas ..... 2000 Remirez de Ganuza Reserva

BeitragMo 14. Mär 2011, 13:14

Viel Erfolg dabei.

Aber jetzt muss ich doch mal ernsthaft darüber nachdenken, ob ich unter meine Postillen einen offiziellen Disclaimer setze; ich will's doch nicht schuld sein, wenn eheliche Eintracht oder der Inhalt des Sparstumpfs gefährdet sind. :lol:

lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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kreutzer

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Re: Heute im Glas ..... 2000 Remirez de Ganuza Reserva

BeitragMo 14. Mär 2011, 14:59

susa hat geschrieben:
Aber jetzt muss ich doch mal ernsthaft darüber nachdenken, ob ich unter meine Postillen einen offiziellen Disclaimer setze; ich will's doch nicht schuld sein, wenn eheliche Eintracht oder der Inhalt des Sparstumpfs gefährdet sind. :lol:

lieben Gruß
susa


Laß mal. Meine Frau ist Kummer gewohnt. :lol:

Die Kiste steht schon bereit. Ich muss sie nur noch abholen. Da ich erst in paar Jahren dran gehe, musst Du Dir keine Sorgen machen. Vermutlich habe ich es bis dahin vergessen. Oder: ich schreibe mit einem dicken Markierer "Susa" auf die Kiste. Notfalls kann meine Frau dann googlen und die Verantwortliche ausfindig machen.
:lol:

Aber sie mochte ihn auch. Kann also nicht so schlimm werden.

Weiter so.

Macht Spaß.

Gruß
Norbert
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