Di 1. Apr 2014, 09:35
Wein ist eine ernste Angelegenheit. Da macht man keine Witze drüber.
Es geht sogar noch weiter. Wer Wein nicht versteht, hat jedes Recht verwirkt, ein geachtetes Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu sein. Hab ich schriftlich. Und wer den falschen Wein trinkt, nicht alle deutschen Einzellagen und Erstes/Großes-Gewächs-Lagen unfallfrei hersagen kann oder den Unterschied zwischen Comtes Lafon und Lafon-Rochet nicht kennt, der trinke lieber Bier und schweige für immer. Bei Bier muss er sich auch nur die Vokabeln "untergärig", "obergärig", "Anheuser-Busch" und "Dr. Oetker" merken.
Jedenfalls beschlich mich dieser Eindruck, als ich letzte Woche über die ProWein schlenderte, vor allem übrigens in Halle 6, bei den VDP- und den anderen deutschen Ständen. Da konnte auch die Fußballtorwand für den guten Zweck wenig dran ändern. Diese Haltung wurde übrigens mitnichten von den anwesenden Winzern und Weingutbeauftragten gezeigt, gefordert oder gefördert, nein, sie wurde ganz freiwillig dargeboten. Einmal hat einer "lecker" gesagt, ich hab es genau gehört. Zu seinem Glück hat der die bohrenden Blicke in seinen Rücken nicht bemerkt.
Wenn ich dazu ein erfrischendes Kontrastprogramm haben will, begebe ich mich zu den Australiern, die sind so herrlich unkompliziert. Und wer das auf ihre Weine überträgt ist selber schuld.
Der Klappentext meiner australischen Entdeckung "First Drop is about passion for life, fun and flavour!... a lifelong commitment to making kick arse booze... wines with flavour and texture, and a splash of funk....".
Kick arse booze – das kann man kaum so übersetzen, dass es richtig rüberkommt, jedenfalls ist "geiler Stoff" nur eine schwache Andeutung dessen, was Matt Gant (der hat einen unterirdischen Musikgeschmack) und John Retsas gemeint haben. Die beiden betreiben die First Drop Winery, Matt nach eigenem Bekunden, weil es mit der Karriere zum Playboy nicht geklappt hat.
Vielleicht liegt das an seiner Mutter. Die managte den Stand bei der ProWein. Für die Winzer der südlichen Hemisphäre ist der Messe-Termin nämlich ziemlich ungünstig, das ist dort immer knapp vor, nach oder während der Ernte. Und da bleibt ein ordentlicher Winzer bei seinen Babies, sonst wird das nix mit dem kick arse booze. Selbst wenn, wie im Falle Gant/Retsas die winery über keine eigenen Rebflächen verfügt, sondern in jedem Jahr gezielt Trauben ankauft und sich da nicht festlegt, von Riesling über Roero Arneis über Chardonnay, Nebbiolo, Trincadeira bis zum Shiraz ist alles da, wenn es das Jahr hergibt und die Qualität der Trauben stimmt.
Mutter erzählte dann auch gleich den ganzen Werdegang, bot die passenden Weine und meinte so nebenbei, in skandinavischen Ländern hätten sie großen Erfolg und würden gut verkaufen. In Deutschland hörten sie ständig, die Weine wären ja toll, aber mit DEN Etiketten bekäme man die nicht verkauft. Die Deutschen wollten Wein trinken und keine Comics lesen. Und Sohn habe auch ein wenig verwundert von seinem Deutschlandbesuch berichtet, dass er den Eindruck gewonnen habe, Wein habe hier bei uns schon fast eine religiöse Dimension.
Allerdings habe ich auch scherzhaft gefragt, was denn bei der Erziehung schief gelaufen sei, wenn er seinen flagship wine, einen wunderbaren Shiraz ausgerechnet Muttermilch nennt.
2012 Mother's Milk
First Drop Wines, Adelaide Hills (Barrossa)Nein, nein, er sei ein "good boy", wie man
hier im Video gut erkennen kann (Matt ist der Herr mit dem Bart).
Die Muttermilch ist von kräftigroter Farbe mit leicht ziegelroten Reflexen am Glasrand und duftet sehr würzig nach Kirschen, gekochten Pflaumen und Gewürzen, auch ein Hauch von Pfingstrose und Schokolade; am Gaumen gut strukturiert, extraktreich aber vor allem weich und saftig ohne in die Breite zu gehen, dafür sorgt schon eine kräftige Säure. "Slurpiness" heißt die Zauberformel und auch das ist mit "Süffigkeit" nur unzureichend übersetzt.
Ich wünsche mir, dass wir uns von diesen Australiern (Matt ist, jetzt müsst ihr ganz stark sein, gebürtiger Brite und eigentlich hat er Geologie studiert. In London.) ein wenig abgucken.
Vielleicht das Etikett.
- Mother's Milk, 1st Drop Wines