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Auf ein Glas ..... 2010 Pigato u Baccan, Bruna, Ligurien

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2010 Pigato u Baccan, Bruna, Ligurien

BeitragDi 23. Apr 2013, 07:38

Dieses Jahr gibt es keinen Spargelwein!

Nicht, dass es keinen Spargel gäbe. Der hat sich zwar witterungsbedingt ordentlich schwer getan, aber so langsam füllen sich die Gemüseregale und die Spargelbüdchen am Straßenrand. Auch hat es bei den Großkellereien keinen Versorgungsmangel mit Silvaner, Weißburgunder, Riesling oder Müller-Thurgau gegeben. Nein nein, die Sache ist von grundsätzlicher Natur.

Spargelwein ist unüberlegt, zu kurz gedacht und schrecklich deutsch. So lesen wir es im von österreichischer Genussüberlegenheit dominierten Weinboulevard. Der Deutsche braucht einen Anlasswein, weil er – wie man nicht müde wird zu betonen – quasi von Natur aus geizig, genussfeindlich und eh weinunwissend ist und Wein bei ihm nicht zum Alltag gehört. Der wahre Kenner braucht keinen Anlass, um einen Wein zu trinken, der verleibt sich den Genuss des edlen Saftes einfach so ein, wann immer ihm danach ist. L'art pour l'art, le vin pour le vin.

Nix da, zur Geburt eines Kindes einen besonders guten Wein mit entsprechendem Lagerpotenzial wegzulegen, um dann den 18. Geburtstag oder die Hochzeit desselben mit einem besonders guten Wein zu krönen. Nix da, einen frischen knackigen jungen Wein am Feierabend zu genießen und diesen kurzen Weinglücksmoment dann mit Terrassenwein zu bezeichnen. Na hört mal! Es könnte am Ende jemand auf die Idee kommen, bestimmte Weine dürften nur und ausschließlich auf der Terrasse getrunken werden. Oder im Winter am Kamin. Oder beim Yoga zur Meditation! Quasi per Gesetz, man weiß doch wie ordnungs- und regelungsgeil diese Deutschen sind. Das gilt es doch mit allen Mitteln zu verhindern.

Einziger Ausnahme scheinen sauber produzierte restsüße oder feinherbe Dornfelder zu sein, die darf man zum Metall-Konzert trinken (aber nennt sie jetzt bloß nicht Konzertwein).

Ich hab's immer geahnt. Wein trinken und genießen ist eine sehr ernste und sehr intensive Angelegenheit und diese Kunst ist nur wenigen Auserwählten vergönnt. Da haben weder familiäre Trinktraditionen, saisonale Gepflogenheit noch wahrscheinlich sowieso nur irre geleitete persönliche Vorlieben einen Platz. Da hat alles aufgeklärt zuzugehen und der Kunde hat gefälligst ein Bewusstsein zu haben und in sich zu gehen. Und der Weinhandel hat neben seiner volkswirtschaftlichen Funktion auch noch einen pädagogischen Auftrag. Und überhaupt ist alles so und nicht anders. (Hier sei mir noch ein kleiner Exkurs gestattet, vollkommen OT: Bei nicht wenigen Kunden des Weinfachhandels habe ich den Eindruck, sie kaufen bestimmte Weine nicht, weil sie sie gerne trinken, sondern um mit dem Kauf wohlwollende Zustimmung und Anerkennung ihres sich als Mentor aufspielenden Weinhändlers zu erlangen.)

Tja, Herrschaften. Ich habe letzten Sonntag zum ersten Spargel des Jahres, den ersten gibt es bei uns traditionell klassisch zubereitet (also gedämpft mit Buttersauce, Kartoffeln, Kräuteromelett) einen Riesling von Kauer getrunken, 2011er Spätlese trocken, Bacharacher Kloster Fürstenthal Alte Reben. Und wie das so ist mit der Vermählung von Wein und Speisen, manchmal klappt's, manchmal nicht. Hier hat es nicht optimal geklappt, ein Wein mit ein wenig mehr Süße hätte besser zum süßlich-bitteren Spargel gepasst, dafür war die Kombination von Wein mit Kräuteromelette hervorragend. Es gilt sowieso, dass die Gesamtheit der beteiligten Aromen und Zubereitungsarten die Weinauswahl steuern sollte. So wäre hier ein fränkischer Silvaner nicht absolut trocken (so einer der nominell trockenen Sorte) durchaus eine gute Wahl gewesen oder, wenn ein etwas stärkerer Kontrast gewünscht wäre, ein Gewürztraminer.

Und weil es ja sowieso keinen Spargelwein gibt, präsentiere ich heute einen Wein, der nun wirklich zu keiner mir bekannten Zubereitung von Spargel passt, und der uns außerdem einiges abverlangt hat. Damit kann ich hoffentlich bei den gestrengen Verfechtern der reinen Lehre wieder ein paar Pluspunkte sammeln. Auf den ersten Schluck zeigte sich der Wein als fast untrinkbar mit ein paar chemisch anmutenden Noten in Richtung Lösungsmittel. Und ich habe ihn nicht weggeschüttet oder verweigert, sondern mich weiter auf ihn eingelassen.

Aber von vorne. Weil ja Italien nicht meine Baustelle ist, luden gute Freunde (selber eher den spanischen Weinen zugetan) zum Essen ein und versprachen einen italienischen Abend, damit ich mal wieder was zu raten bekäme und etwas Neues kennenlerne. Dafür kann ich nicht genug danken, solche Ereignisse erweitern den Weinhorizont und ein Essen mit Freunden ist da immer ein wunderbarer Anlass (oh verdammt …)

2010 Pigato u Baccan
Azienda Agricola Bruna, Ligurien


Pigato ist die ligurische Bezeichnung für den Vermentino, in der Provence als Rolle bekannt. Und Baccan, so habe ich herausgefunden, ist eine Bezeichnung für das Familienoberhaupt oder eine besonders charismatische und einflussreiche Persönlichkeit.

Der Freund kannte den Wein selber nicht und hat ihn lediglich der Papierform nach (die drei Gambero Rosso Gläser haben sicher auch eine Rolle dabei gespielt) ausgewählt. Dazu gab es eine wunderbare Räucherforellenterrine mit Salat und die Kombination hat hervorragend gepasst. Der Wein, der sich beim solo Probieren sehr sperrig gab, zeigte sich zum Essen wunderbar harmonisch und auch dienend.

Aber nun erst mal von vorne.

Ins Glas eingeschüttet, blassgelbe Farbe, ziemlich dicke Kirchenfenster, duftete er ein wenig nach Bitterorangen und etwas stärker nach Lösungsmittel. Der erste Gaumeneindruck war der einer starken Bitternis, absolut trocken, später baute sich ein interessantes Marzipanaroma auf, dazu leicht bittere Zitrusnoten, Pfeffer, auch eine etwas animalische Anmutung. Insgesamt durchaus harmonisch, und gut komponiert, aber die Aromen wirkten doch etwas befremdlich und gar nicht das, was man erwartet hätte.

Nach einiger Zeit an der Luft baute die Lösungsmittelnote ab (verschwand aber nie ganz), die Marzipan- und Pfeffernote gewann die Oberhand. Trotz aller Befremdlichkeit sehr animierend.

Der Abgang eher mittellang, druckvoll, mineralisch.

Ich hätte ja gerne geschrieben, ein interessanter, spannender Wein, aber das geht ja auch nicht, das wird gerne mit "na ja, geht so" übersetzt. Der Wein fasziniert und beschäftigt, er hat Charakter und Charme, auch wenn ich nicht ganz sicher bin, ob diese Lösungsmittelnote nicht auch auf einen Flaschenfehler hinweist.

Der Freund berichtete, dass sich der Wein am zweiten Tag nicht unwesentlich verändert zeigte. Man sollte wohl einer zweiten Flasche noch einmal eine Chance geben, es lohnt sich sicher.
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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Lars Riesling

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Re: Auf ein Glas ..... 2010 Pigato u Baccan, Bruna, Ligurien

BeitragDi 23. Apr 2013, 10:39

Fürstental, liebe Susa, Fürstental :D
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... 2010 Pigato u Baccan, Bruna, Ligurien

BeitragDi 23. Apr 2013, 10:44

hhhhuuch ;)
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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