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Aus aus aus …
Das Spiel ist aus, Deutschland ist weder Welt- noch Europameister und jetzt noch nicht mal mehr Papst. Und Karneval ist auch in ein paar Stunden vorbei.
Der Karnevalsdienstag war früher mein Lieblingstag der närrischen Tage. Das war früher, als ich noch fit war, und in Köln studierte, wo es zum guten Ton gehörte von Weiberfastnacht bis Karnevalsdienstag nicht mehr ins Bett zu kommen und durchzufeiern. Ein Dozent (gebürtiger Berliner) hatte an Weiberfastnacht einmal eine Klausur angesetzt, der Mann konnte in Köln keine Karriere machen. Was uns die Klausur leider nicht erspart hat.
An Karnevalsdienstag werden in vielen Karnevalshochburgen Strohpuppen oder Stroh geflochtene Wagenräder verbrannt, in einem nahe gelegenen Fluss ertränkt oder mit großen Brimborium zu Grabe getragen und mit ihr alle Sünden und Unannehmlichkeiten, die sich während der Karnevalstage so angesammelt hatten. Und es gibt Nacht- und Geisterzüge, die noch etwas Dämonisches ja fast Archaisches haben. Eine sehr angenehme (und durch und durch katholische) Sache. Wenn es sich nicht um wirklich gravierende Verfehlungen handelt, so reicht ein Bekennen und aufrichtige Reue und man ist die Sünde los, ganz ohne Beichte. So wie den Schmutz nach einem erholsamen Wannenband.
Zurück zum Ritual. In Köln gibt es denNubbel, in Düsseldorf den Hoppeditz, selbst im Karneval in New Orleans, dem Mardi Gras, findet sich eine Entsprechung. In meiner alten Heimat, der Stadt Jülich, gibt es die Tradition des Lazarus Strohmanus eines "Strohmannes", der grundsätzlich alles schuld gewesen ist, weswegen er am Karnevalsdienstag von den Mitgliedern seines Narrenvereins unter unablässigem Murmeln eines an katholische Litaneien erinnernden Singsangs (dessen genauer Text nur den Mitgliedern bekannt ist und mündlich an die nächste Generation weitergegeben wird) in einer Strafprozession durch die Straßen getragen wird, immer wieder in die Luft geschleudert und am Ende des Tages in der Rur (jawoll ohne h, die Rur) geworfen. Danach gibt es ein großes Feuerwerk, ein letztes ausgelassenes Feiern vor der Fastenzeit, die vom gemeinsamen Gottesdienst mit Aschenkreuz eingeläutet wird.
Und dann überlegt man, ob man vielleicht auch mal wieder fastet oder verzichtet. 7 Wochen ohne, eine – auch ohne christlichen oder brauchtümlichen Hintergrund – immer größer werdende Bewegung. Verzichtet wird auf vieles, nicht nur auf üppiges Essen, Fleisch, Alkohol, Süßes, auch nicht-leiblichen Genüssen wird temporär entsagt, Fernsehen, Kino, Teilnahme an Sportveranstaltungen, Internet, Parties etc. etc. Manche legen ihr alljährliches Heilfasten in diese Zeit.
Es soll da auch mal einen Menschen gegeben haben, der hat sich vorgenommen, sieben Wochen lang nicht zu lügen, noch nicht mal zu schummeln oder kleine Not- oder Höflichkeitslügen anzubringen, sondern immer nur die Wahrheit (oder das, was er dafür hielt) auszusprechen. Noch nicht einmal schweigen anstatt lügen hat er sich gestattet. Die Sache ist gründlich in die Hose gegangen. Freunde haben sich von ihm abgewandt, in seiner Ehe kam es zu einigen Krisen (seine Frau war in das Thema nicht eingeweiht, das war Teil der Strategie), und beruflich hat ihm die Sache doch eher geschadet als genützt. Am Ende war reichlich Porzellan zerschlagen.
Das bedeutet also im Umkehrschluss, es wäre besser, zu lügen? Ich behaupte, nur eine Lüge die bewusst den Nachteil eines anderen in Kauf nimmt um eines eigenen Vorteils oder Vergnügens willen, ist absolut nicht zulässig. Die große Grauzone der Freundlich- und Mitleidigkeiten, der Lügen um der Barmherzigkeit willen, ohne die wäre ein friedliches und gedeihliches Miteinander wirklich sehr sehr sehr schwierig (wie unser Herr Favre zu pflegt). Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Bibelstelle mit dem falschen Zeugnis wider Deinen Nächsten solche Situationen im Blick hatte, sie ist ja auch anderen Orts eher für Barmherzigkeit.
Öfter mal bekomme ich einen Wein kredenzt oder geschenkt und ich sehe die erwartungsvollen Augen des Gegenübers, das sich viel Mühe gemacht hat, um mir eine Freude zu bereiten. Dem soll ich glatt ins Gesicht sagen: Der Wein ist eine belanglose Plörre und ich finde ihn nicht gut. Patsch! Ohrfeige! Warum? Ich bin kein professioneller Weinkritiker und das ist keine wissenschaftliche Analyse oder professionelles Ambiente. Da vergeb ich mir nichts, wenn ich sage: Der Wein ist gut! Der schmeckt! Punkt! Höchstens Finger hinter dem Rücken kreuzen. Und allzu euphorisch muss man auch nicht werden, man muss ja nicht übertreiben (sonst bekommt man den Wein zuverlässig immer wieder kredenzt/geschenkt).
Hier, in unserem Kreis, kann ich offen sagen, dass ich einen solchen Wein nicht besonders gut finde und von Ankauf und Genuss abrate. Und auf manche Fragen, wie zum Beispiel die ob nun deutscher oder österreichischer Rotwein besser sei, gibt es sowieso keine wahre, ehrliche Antwort, sondern nur Näherungen, Erklärungen und persönliche Vorlieben. Selbst das Addieren aller Kritikerpunkte und Ermitteln einer Punktequote ergäbe keine sinnvolle geschweige denn wahre/richtige Antwort. Was die Dienstagsweine in dieser Kolumne angeht, da hab ich ein ganz einfaches Prinzip: Was mir nicht geschmeckt hat, was ich für nicht gut halte, das wird nicht erwähnt. Für die schonungslose Kritik sind die anderen Foren und Unterforen zuständig.
Letzten Sonntag gab es
2003 Vosne Romanée AOC
Camille Giroud, Côtes de Nuits
und der war (bzw. gefiel mir) hervorragend, da fehlte wenig an der Perfektion. Eine kräftige dunkelrote Farbe, die hätte durchaus auch für einen Bordeaux durchgehen können und ein feiner Duft nach Brom- und Himbeeren, Kirsche. Am Gaumen seidige Eleganz, mittelkräftiger Körper, nur ganz zarte Säure und samtiges Tannin und wiederum ein wunderbarer Reigen von zarten Fruchtaromen, Holz, Lakritz und Schokolade, der Abgang recht lang und komplex.
Der einzige Wermutstropfen, es war die letzte Flasche und der Händler dV hat Giroud aus dem Programm genommen. Da werde ich mich, getreu dem listigen Fuchsmotto "die Trauben sind mir eh zu sauer" damit trösten, dass die Giroud-Stilistik nach dem Besitzerwechsel ja irgendwie ganz anders geworden sein soll.
Das Spiel ist aus, Deutschland ist weder Welt- noch Europameister und jetzt noch nicht mal mehr Papst. Und Karneval ist auch in ein paar Stunden vorbei.
Der Karnevalsdienstag war früher mein Lieblingstag der närrischen Tage. Das war früher, als ich noch fit war, und in Köln studierte, wo es zum guten Ton gehörte von Weiberfastnacht bis Karnevalsdienstag nicht mehr ins Bett zu kommen und durchzufeiern. Ein Dozent (gebürtiger Berliner) hatte an Weiberfastnacht einmal eine Klausur angesetzt, der Mann konnte in Köln keine Karriere machen. Was uns die Klausur leider nicht erspart hat.
An Karnevalsdienstag werden in vielen Karnevalshochburgen Strohpuppen oder Stroh geflochtene Wagenräder verbrannt, in einem nahe gelegenen Fluss ertränkt oder mit großen Brimborium zu Grabe getragen und mit ihr alle Sünden und Unannehmlichkeiten, die sich während der Karnevalstage so angesammelt hatten. Und es gibt Nacht- und Geisterzüge, die noch etwas Dämonisches ja fast Archaisches haben. Eine sehr angenehme (und durch und durch katholische) Sache. Wenn es sich nicht um wirklich gravierende Verfehlungen handelt, so reicht ein Bekennen und aufrichtige Reue und man ist die Sünde los, ganz ohne Beichte. So wie den Schmutz nach einem erholsamen Wannenband.
Zurück zum Ritual. In Köln gibt es denNubbel, in Düsseldorf den Hoppeditz, selbst im Karneval in New Orleans, dem Mardi Gras, findet sich eine Entsprechung. In meiner alten Heimat, der Stadt Jülich, gibt es die Tradition des Lazarus Strohmanus eines "Strohmannes", der grundsätzlich alles schuld gewesen ist, weswegen er am Karnevalsdienstag von den Mitgliedern seines Narrenvereins unter unablässigem Murmeln eines an katholische Litaneien erinnernden Singsangs (dessen genauer Text nur den Mitgliedern bekannt ist und mündlich an die nächste Generation weitergegeben wird) in einer Strafprozession durch die Straßen getragen wird, immer wieder in die Luft geschleudert und am Ende des Tages in der Rur (jawoll ohne h, die Rur) geworfen. Danach gibt es ein großes Feuerwerk, ein letztes ausgelassenes Feiern vor der Fastenzeit, die vom gemeinsamen Gottesdienst mit Aschenkreuz eingeläutet wird.
Und dann überlegt man, ob man vielleicht auch mal wieder fastet oder verzichtet. 7 Wochen ohne, eine – auch ohne christlichen oder brauchtümlichen Hintergrund – immer größer werdende Bewegung. Verzichtet wird auf vieles, nicht nur auf üppiges Essen, Fleisch, Alkohol, Süßes, auch nicht-leiblichen Genüssen wird temporär entsagt, Fernsehen, Kino, Teilnahme an Sportveranstaltungen, Internet, Parties etc. etc. Manche legen ihr alljährliches Heilfasten in diese Zeit.
Es soll da auch mal einen Menschen gegeben haben, der hat sich vorgenommen, sieben Wochen lang nicht zu lügen, noch nicht mal zu schummeln oder kleine Not- oder Höflichkeitslügen anzubringen, sondern immer nur die Wahrheit (oder das, was er dafür hielt) auszusprechen. Noch nicht einmal schweigen anstatt lügen hat er sich gestattet. Die Sache ist gründlich in die Hose gegangen. Freunde haben sich von ihm abgewandt, in seiner Ehe kam es zu einigen Krisen (seine Frau war in das Thema nicht eingeweiht, das war Teil der Strategie), und beruflich hat ihm die Sache doch eher geschadet als genützt. Am Ende war reichlich Porzellan zerschlagen.
Das bedeutet also im Umkehrschluss, es wäre besser, zu lügen? Ich behaupte, nur eine Lüge die bewusst den Nachteil eines anderen in Kauf nimmt um eines eigenen Vorteils oder Vergnügens willen, ist absolut nicht zulässig. Die große Grauzone der Freundlich- und Mitleidigkeiten, der Lügen um der Barmherzigkeit willen, ohne die wäre ein friedliches und gedeihliches Miteinander wirklich sehr sehr sehr schwierig (wie unser Herr Favre zu pflegt). Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Bibelstelle mit dem falschen Zeugnis wider Deinen Nächsten solche Situationen im Blick hatte, sie ist ja auch anderen Orts eher für Barmherzigkeit.
Öfter mal bekomme ich einen Wein kredenzt oder geschenkt und ich sehe die erwartungsvollen Augen des Gegenübers, das sich viel Mühe gemacht hat, um mir eine Freude zu bereiten. Dem soll ich glatt ins Gesicht sagen: Der Wein ist eine belanglose Plörre und ich finde ihn nicht gut. Patsch! Ohrfeige! Warum? Ich bin kein professioneller Weinkritiker und das ist keine wissenschaftliche Analyse oder professionelles Ambiente. Da vergeb ich mir nichts, wenn ich sage: Der Wein ist gut! Der schmeckt! Punkt! Höchstens Finger hinter dem Rücken kreuzen. Und allzu euphorisch muss man auch nicht werden, man muss ja nicht übertreiben (sonst bekommt man den Wein zuverlässig immer wieder kredenzt/geschenkt).
Hier, in unserem Kreis, kann ich offen sagen, dass ich einen solchen Wein nicht besonders gut finde und von Ankauf und Genuss abrate. Und auf manche Fragen, wie zum Beispiel die ob nun deutscher oder österreichischer Rotwein besser sei, gibt es sowieso keine wahre, ehrliche Antwort, sondern nur Näherungen, Erklärungen und persönliche Vorlieben. Selbst das Addieren aller Kritikerpunkte und Ermitteln einer Punktequote ergäbe keine sinnvolle geschweige denn wahre/richtige Antwort. Was die Dienstagsweine in dieser Kolumne angeht, da hab ich ein ganz einfaches Prinzip: Was mir nicht geschmeckt hat, was ich für nicht gut halte, das wird nicht erwähnt. Für die schonungslose Kritik sind die anderen Foren und Unterforen zuständig.
Letzten Sonntag gab es
2003 Vosne Romanée AOC
Camille Giroud, Côtes de Nuits
und der war (bzw. gefiel mir) hervorragend, da fehlte wenig an der Perfektion. Eine kräftige dunkelrote Farbe, die hätte durchaus auch für einen Bordeaux durchgehen können und ein feiner Duft nach Brom- und Himbeeren, Kirsche. Am Gaumen seidige Eleganz, mittelkräftiger Körper, nur ganz zarte Säure und samtiges Tannin und wiederum ein wunderbarer Reigen von zarten Fruchtaromen, Holz, Lakritz und Schokolade, der Abgang recht lang und komplex.
Der einzige Wermutstropfen, es war die letzte Flasche und der Händler dV hat Giroud aus dem Programm genommen. Da werde ich mich, getreu dem listigen Fuchsmotto "die Trauben sind mir eh zu sauer" damit trösten, dass die Giroud-Stilistik nach dem Besitzerwechsel ja irgendwie ganz anders geworden sein soll.
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
James Bond in From Russia with Love