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Auf ein Glas ..... Grande Réserve GC, A. Clouet

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... Grande Réserve GC, A. Clouet

BeitragDi 6. Nov 2012, 09:35

Langsam aber unaufhaltsam rückt sie näher, die Weihnachtszeit. Ich hab ja schon rechtzeitig gewarnt. Nun aber gibt es kaum ein Entrinnen, hier eine Hausmesse, da eine Verkostung und dort ein Geschenkservice. Bei letzterem beschleicht mich so eine Ahnung, dass der eine Art Nobelverklappung schwer verkäuflicher Ladenhüter ist. Man nehme, einen vernünftigen Wein und einen bis zwei eher schlecht verkäufliche, packe sie in eine Holzkiste, gebe noch ein paar weitere Gimmicks dazu, wie Gläser, Korkenzieher, Schokolade, Chutneys oder Zigarren, winde noch ein nettes Geschenkband drum herum, beachte bei der Preiskalkulation steuerlich absetzbare Höchstgrenzen … et voilà … das repräsentative Weihnachtsgeschenk für den anspruchsvollen Geschäftspartner. Von derartigen Kreszenzen habe ich noch ein ganzes Kellerregal voll, aber es gibt ja immer mal wieder einen Sauerbraten einzulegen, Ochsenbacken oder einen Coq au vin zu schmoren.

Merke als Nichtweinkenner schenke man Weinkennern besser keinen Wein (und umgekehrt besser auch nicht). Weinkenner bekommen zwar nichts lieber geschenkt als Wein, aber was Nichtweinkennern oft genug als angemessenes Geschenk für Weinkenner ange…dreht wird, das schreit zum Himmel. Der Händler resp. die Verkaufskraft gibt sich der Illusion hin, der Nichtweinkenner käme ja sowieso nicht wieder, abgesehen davon, dass er auch gar nicht einschätzen könne, was er im Packerl hat (wenn's denn die Verkaufskraft immer so genau weiß...).

Ja, lieber Händler, das mag wohl so sein, aber der derart beschenkte Weinkenner, der nichts lieber tut, als neue Weinangebote zu erkunden, der kommt nach einer solchen "Empfehlung" erst gar nicht hin und der ließe sicher den einen oder anderen Euro da, wenn ihm das Gebotene gefallen hätte. Und der Nichtweinkenner oder Nichtweintrinker ließe sich durch ein vernünftiges Angebot sicher überzeugen, einmal die Nase zur Tür hinein zu stecken und mal was zu probieren.

Natürlich muss jeder Händler rechnen und jeder hat irgendwann mal was im Laden, was sich nur schwer absetzen lässt. Da spricht auch nichts dagegen, es mit oder ohne entsprechenden Abschlag als Rest- oder Ausverkaufsposten anzubieten. Aber einen Ackergaul als Rennpferd verkaufen? und dann noch denken, das merkt keiner?

Der Schlimme ist, oft genug merkt es wirklich keiner.

Da meinte dann letztens eine Bekannte, der Wein, den sie uns anböte, wäre etwas ganz besonders Gutes, den habe sie von jemand geschenkt bekommen, der für seinen exquisiten Geschmack (ob auch weinaffin blieb offen) bekannt sei. Nur, ihr schmecke der Wein gar nicht, aber sie sei ja auch keine Weinkennerin. Kenner wüssten diesen Wein sicher zu schätzen.

Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es große Weine gibt, die sich auch dem erfahrenen Trinker nur schwer erschließen. Der 2011 Berg Rottland GG vom Weingut Ress wird derzeit genau so diskutiert. Meine Exemplare liegen noch unverkostet im Keller, ich kann noch nicht mitreden, glaube aber jedem Verkoster aufs Wort, dass das ein Weinerlebnis ist, mit dem man sich lange und intensiv auseinandersetzen muss. Was ich allerdings nicht glaube, ist, dass ein Nichtweinkenner nach Genuss eines Glases sagen würde "Nää, nää, der schmeckt aber scheußlich!" auch wenn ihm die Trinkerfahrung fehlt, einen solchen Wein in all seinen Facetten und in seiner ganzen Komplexität zu erfassen.

Aber die Gleichung dass große Weine "nicht schmecken" hält sich in den Köpfen von Nichtweinkennern hartnäckig. Ob das daran liegt, dass ihnen das meiste von dem Voodoo, den der Weinkenner (schon ohne weiter darüber nachzudenken) veranstaltet, unverständlich ist (um es mal freundlich auszudrücken). Das fängt schon damit an, dass man ja inzwischen gedankenverloren auch das Mineralwasserglas schwenkt und seine Nase in selbiges versenkt, bevor man einen Schluck nimmt, um die morgendliche Blutdruckpille zu nehmen. Oder dass man Stun_den mit Dekantieren und Gläserauswahl und Riechen und Korkeninspektion verbringt, bevor man überhaupt den ersten Schluck Wein nimmt. Und bis man den dann endlich mal hinuntergeschluckt hat ….

Will man Nichtweinkenner mit Wein überraschen, dann rate ich gerne zu was Prickelndem, Champagner, ein feiner Winzersekt oder einen Prosecco frizzante (da gibt es ja entgegen landläufiger Ansicht durchaus feine, allerdings kosten die mehr als 2.99€ und haben nicht so Gimmicks wie Kordelarrangements um den Plastikzapfen). Champagner geht immer und man kann schön zeigen, dass neben den allfälligen Moet & Chandons oder Veuve Cliquots auch was richtig Feines gibt, was im Zweifel noch nicht mal teurer ist.

Champagne Grande Réserve Grand Cru
André Clouet, Bouzy, Champagne


Wenn man einen Champagner als guten Einstiegschampagner bezeichnen möchte, dann ist es die Grande Réserve von Clouet, die preislich unterhalb der oben genannten Mainstreamer liegt, qualitativ aber im Gegenteil. Schon der Blick ins Glas macht Spaß, zartgelb, feinperlig, elegant und sehr fein duftend nach reifen Früchten, Zitrus, Blüten, Mandeln und ein wenig Mineral. Im Mund ist er erfrischend klar und legt sich mit feinem Schmelz um Zunge und Gaumen, dabei schmeckt man frische Brioche und auch eine kleine Milchschokoladennote, ausgewogen und ein intensiver mittellanger Abgang.

"Was Du da alles riechst und schmeckst", sagte die Bekannte, der wie oben erwähnt der geschenkte Wein nicht geschmeckt hat (ich fand ihn übrigens ok, aber eher belanglos, ein bisschen tanninstreng, wenig charmant, aber nicht weltbewegend und decke deswegen den Mantel des Schweigens über ihn). Aber den Clouet, den fand sie "lecker" und das darf sie auch!
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theater69

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Re: Auf ein Glas ..... Grande Réserve GC, A. Clouet

BeitragDi 6. Nov 2012, 09:45

Guten Morgen

Daß ich das noch erleben darf: Besprechung eines Weines/Champagners, den ich schon vor kurzem im Glas gehabt habe (anläßlich einer Champagnerprobe von Clouet in Hamburg). Ja, diese Champagner gefielen mir alle, jeder mit eigener Note, absolut keine Massenware wie die der sog. "berühmten" Häuser. Und zu Weihnachten gibt es dann den "1911" von Clouet - ich freu mich jetzt schon drauf.
LG
Andreas

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Es soll keiner so wenig Wein trinken, dass er seiner Gesundheit schadet (Marc Aurel)

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