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Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kinder

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kinder

BeitragDi 30. Okt 2012, 09:07

Oh wie süüüüß …..

Habt Ihr bestimmt auch alle gehasst, wenn irgendwelche Busen wogenden Tanten Euch in die Wangen kniffen. Danach folgte unweigerlich die Bemerkung, dass ihr aber schon sooo groß geworden wäret, beim letzten Mal, als sie Eurer ansichtig geworden seien, wäret ihr ja noch sooo klein gewesen.

Süß, oh je – wer wollte schon süß sein? Kein ordentliches Kind, das was auf sich hielt, wollte süß sein. Noch nicht mal diese Alles-in-Pink-Prinzessinnen. Süß geht gar nicht. Noch nicht mal beim Wein.

Wahrscheinlich immer noch vom Glykolskandal traumatisiert besteht der Verbraucher darauf, dass nur Trockenes Wahres sei und deswegen ehrlich und unverfälscht. Dass ihm Weine mit so einem kleinen reizenden Süßeschwänzchen aber eigentlich doch besser schmecken, gehört zu den Widersprüchen des Alltags. Aber was wäre der Mensch ohne seine Widersprüche, wahrscheinlich edel, gerecht, wahrhaftig, treu und tugendsam und … schrecklich langweilig.

Die Hersteller jedenfalls (die müssen immerhin davon leben, dass sie Wein verkaufen, und am besten verkauft sich immer noch, was den meisten schmeckt) haben reagiert und nicht wenige "trockene" Weine haben die maximal zulässigen 9g/l bis zum letzten I-Tüpfelchen und unter Berücksichtigung aller zulässigen Rundungsfaktoren ausgereizt. Schließlich weiß doch jedes Kind: "… just a spoonful of sugar helps the medicine go down, the medicine go down, in a most delightful way …."

Und so wogen in regelmäßigen Abständen zwischen den ebenso regelmäßig wiederkehrenden Discounterwein- und Jahrgangsdiskussionen die Süßweindebatten durch den önologischen Blätter- und Webseitenwald. Wie all den anderen Diskussionen ist auch dieser die unnachgiebige Haltung aller Beteiligten eigen, nur die eigene Weinsicht als Reverenz und Maß aller Dinge anzuerkennen. Ein Wein muss so und so sein und alles andere ist vom Übel. Und wenn man dem anderen Wein schon nicht seine Qualität absprechen kann, dann ist er zu teuer (das Killerargument zieht immer). Jemand, der sowohl trockene als auch süße Weine zu schätzen weiß, gilt im Zweifel als wankelmütiger, unentschlossener Charakter.

Dabei ist es doch so: Ein vernünftiger Süßwein gehört in jeden Haushalt und nicht nur in Form von Ports und Sherries. Gut gekühlt ist er ein feiner Aperitif oder Begleiter zu Leberpastete und Süßspeisen. Oder auch einfach so.

In Sauternes gibt es ein kleines Restaurant, Le Saprien, dort bietet man ein ganzes Menü mit durchgehender Sauternesbegleitung an und ich habe mir ein ums andere Mal vorgenommen, das einmal zu probieren. Bei meinem Besuch auf Lafaurie-Peyraguey berichtete uns die Assistentin des Betriebsleiters, dass der Chef dorthin seine Gäste einlade, "… quand il faut impressioner les gens ..", in diesem kleinen eher unspektakulärem Ambiente erwarte man weder eine derartig gute Küche und Weinkarte und die Kombination von Essen und Sauternes trage das Übrige dazu bei.

Bei uns gibt es bei einem Menü immer einen Süßwein, meistens zum Dessert, manchmal aber auch als Aperitif oder zur Vorspeise wenn Foie gras involviert ist.

Letzte Woche gab es als Dessert roh marinierte Ananas und Zimtsorbet. Bei diesem wäre wahrscheinlich jeder Wein an seine Grenzen gestoßen, ich hätte da vielleicht besser einen Champagner oder Winzersekt zu gereicht. Ananas ist für mich das komplizierteste Lebensmittel, wenn es um die Vermählung von Essen und Wein geht. Beim Testessen ein paar Tage vorher hatten wir noch einen Schluck vom einfachen von Winningschen Sauvignon blanc II übrig (der das Trockenspektrum auch nach oben ziemlich ausreizt, ich kenne zwar die exakten Daten nicht, aber ich denke, das sind mehr als 4 g/l Restzucker). Warum nicht mal probieren, wie das wohl so mit der Ananas passt? Liebe Kinder, bitte niemals nachmachen! Diesen ekelhaften metallischen Geschmack und dieses schreckliche Mundgefühl kriegt ihr bis zum nächsten Tag nicht mehr von der Zunge und egal was ihr anschließend zur Neutralisierung esst und trinkt, es schmeckt einfach nur … bääääh!

Ich dachte mir, der

2008 Randersackerer Sonnenstuhl Rieslaner Auslese
Weingut Schmitt's Kinder, Franken


würd es wohl richten, aber auch der kam mit der rohen Ananas nicht wirklich gut zurecht (allerdings nicht mit solch verheerenden Folgen wie der SB), so dass wir zum Dessert keinen Wein getrunken und den Rieslaner anschließen in Ruhe und Muße genossen haben.

Und das war auch gut so.

Der Wein ist von einem kräftig hellen Gelb und duftet nach Kräutern, etwas erdig und nach reifen Birnen, am Gaumen ist er saftig und klar, fein definierte Noten von Apfel und Pfirsich, Trockenobst, Haselnüsse, erdig-mineralisch und von einer feinen nicht zu dominanten Säure gestützt, Abgang recht lang.

Zu einer Tarte Tatin oder unserer Quitten-Apfeltarte mit Salzkaramell kann ich ihn mir sehr gut vorstellen.

Besonders reizend finde ich übrigens die 0.375l-Bocksbeutelflasche, Weinflasche mit Kindchenschema, die muss man einfach gern haben, fast bin ich geneigt zu sagen … ach, wie süüüß!
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octopussy

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kin

BeitragDi 30. Okt 2012, 11:35

Hallo susa,

eine schöne Kolumne wie immer.

susa hat geschrieben:Jemand, der sowohl trockene als auch süße Weine zu schätzen weiß, gilt im Zweifel als wankelmütiger, unentschlossener Charakter.

Noch viel schwerer haben es die, die auch noch Weine zwischen trocken und süß mögen. Denn zwischen Schwarz und Weiß gibt es ja noch unendlich viele Graustufen...

susa hat geschrieben:Dabei ist es doch so: Ein vernünftiger Süßwein gehört in jeden Haushalt und nicht nur in Form von Ports und Sherries. Gut gekühlt ist er ein feiner Aperitif oder Begleiter zu Leberpastete und Süßspeisen. Oder auch einfach so.


...und so gehören aus meiner Sicht in den versatilen Haushalt auch halbtrockene und restsüße Weine. Schaut man sich in der Haute Cuisine aktuelle Trends an, stellt man fest, dass die Grenzen in Menus oft immer mehr verschwimmen, auch wenn die klassische Reihenfolge aus Meeresfrüchten-, Gemüse- und Foie Gras Vorspeisen, Fisch und Fleisch, gefolgt von Käse und Dessert häufig noch bestehen bleibt. Desserts mit Gemüse, Kräutern oder Erdknollen sieht man immer häufiger. Ein Dessert muss nicht mehr zwingend süß sein. Und vor dem Hintergrund wundert es mich, dass Weine nach dem allgemeinen Geschmack immer noch trocken oder süß (dann aber richtig süß à la Sauternes, deutsche Süßweine ab Auslese aufwärts) sein müssen. Die Stufen dazwischen werden immer mehr ausgeblendet, was ich persönlich schade finde.

susa hat geschrieben:Ananas ist für mich das komplizierteste Lebensmittel, wenn es um die Vermählung von Essen und Wein geht.


Wirklich? Ich finde, das geht ganz gut, und zwar gerade mit Weinen mit nur ein bisschen Restsüße. Zu karibisch oder pazifisch angehauchten Gerichten mit Ananas (als Salsa, Chutney, o.ä.) geht für mich ein feinherber Riesling oder ein restsüßer Kabinett der nicht ganz so süßen Art eigentlich immer. Und auch zur Ananas als Dessert habe ich schon ausgezeichnete Getränkekombinationen gehabt, insbes. mit einem Poiré von Eric Bordelet, aber auch - völlig gegensätzlich - mit einem Rivesaltes Ambré. So richtig sattelfeste "geht immer" Empfehlungen habe ich aber auch nicht.
Beste Grüße, Stephan
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kin

BeitragDi 30. Okt 2012, 12:38

Hallo Stephan

Du hast ja so recht, vor allem was Du über modernen Anforderungen an Wein und Essen schreibst.

Bei der Ananas muss ich differenzieren. Gekochte Ananas ist kein Problem, rohe Ananas (das hängt wohl mit irgendwelchen Enzymen, dem Bromelain und ich glaub noch einem, zusammen) ist wirklich schwierig. Nach Erhitzung ist das abgetötet, dann gibt es keine Probleme mehr.

lieben Gruß
susa
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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kin

BeitragDi 30. Okt 2012, 13:38

Hallo,

rohe Ananas (und Kiwi) nehmen ja auch in punkto Gelierfähigkeit eine Sonderstellung ein, weshalb man statt Gelatine Agar Agar verwenden muss.
Vielleicht sind die gleichen Enzyme verantwortlich? Ansonsten finde ich putzigerweise Weintrauben auch besonders schwierig, wenn es um die passende Weinbegleitung geht.
Problematisch an klasssischen Menü- und Weinfolgen finde ich allerdings die häufig zu Gänse- oder Entenlebergerichten empfohlenen Sauternes und Co. Danach wird es für mich sensorisch häufig schwierig, wieder auf einen trockeneren und vor allem leichteren Wein umzuschwenken.

Viele Grüße
Guido
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Ollie

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kin

BeitragDi 30. Okt 2012, 16:06

Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Problematisch an klasssischen Menü- und Weinfolgen finde ich allerdings die häufig zu Gänse- oder Entenlebergerichten empfohlenen Sauternes und Co. Danach wird es für mich sensorisch häufig schwierig, wieder auf einen trockeneren und vor allem leichteren Wein umzuschwenken.


Hierfuer hat Gott, der ja bekanntlich in Frankreich zu speisen pflegt, das Sorbet erfunden. :)

Cheers,
Ollie
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octopussy

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Re: Auf ein Glas ..... 2008 Rieslaner Auslese, Schmitt's Kin

BeitragDi 30. Okt 2012, 19:08

Ollie hat geschrieben:
Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Problematisch an klasssischen Menü- und Weinfolgen finde ich allerdings die häufig zu Gänse- oder Entenlebergerichten empfohlenen Sauternes und Co. Danach wird es für mich sensorisch häufig schwierig, wieder auf einen trockeneren und vor allem leichteren Wein umzuschwenken.


Hierfuer hat Gott, der ja bekanntlich in Frankreich zu speisen pflegt, das Sorbet erfunden. :)

Erstaunlicherweise habe ich im Restaurant nach einem Foie Gras Gericht noch nie ein Sorbet bekommen, obwohl das zum Neutralisieren tatsächlich passen würde.

susa hat geschrieben:Bei der Ananas muss ich differenzieren. Gekochte Ananas ist kein Problem, rohe Ananas (das hängt wohl mit irgendwelchen Enzymen, dem Bromelain und ich glaub noch einem, zusammen) ist wirklich schwierig. Nach Erhitzung ist das abgetötet, dann gibt es keine Probleme mehr.

Das war mir gar nicht klar. Ich hatte bislang noch keine Probleme mit roher Ananas und Wein, esse öfter eine Ananas-Salsa zu gegrilltem Fisch oder Huhn. Ich fand bislang, dass Wein (z.B. ein feinherber Riesling oder ein Albarino) ganz gut dazu passt. Aber nächstes Mal werde ich noch mal genauer "hinschmecken".

Ich habe jetzt übrigens den ganzen Tag ein Ananas-Dessert (gegrillte Ananas mit Butterkaramell und Vanilleeis, gegessen bei Herrn Lohse in Berlin) im Kopf und schmachte ;).
Beste Grüße, Stephan

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