Ich wusste es doch, dass mir nach dem Satz einer mit Brecht kommen würde
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Ja, auch ein modernes Märchen hat eine Moral, oder eine Lehre, die man daraus ziehen kann. Oder beides.
Nun die erste Lehre ist wohl so offensichtlich, dass sie – gerade in einem Weinforum – niemand mehr für besonders erwähnenswert hält: Weinwissen bekommt man nicht durch "Bulimielernen" (… netter Ausdruck, habe ich letztens gelernt, es bezeichnet den Umstand, innert kürzester Zeit eine große Menge an Wissen in sich hineinzufressen, um es zu gegebener Zeit komplett wieder auskotzen können. Damit hat man sich des Wissens dann auch wieder vollständig entledigt.) und auch nicht durch ein Wochenende chaotischen Intensivprobierens wahllos zusammen gestellter Weine. Aber das wussten wir hier ja schon alle.
Die zweite Lehre ist ebenfalls eher simpel gestrickt. Der Kabarettist Dieter Nuhr drückt sie etwas drastisch aus: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fr.esse halten! Oder wie latour es auf facebook kurz und prägnant formulierte: Stochern im Nebel bringt nichts.
Dass das bei Botch eher dem Umstand geschuldet war, dass er wegen des vorangegangen Wochenendes noch nicht wieder zu alter Gefechtsstärke gekommen war, ist Glück.
Und das ist die Lehre Nr. 2a: Man muss auch einfach mal Glück haben.
Die weiteren Lehren könnten nun so wie kommen, auch aus dem Handbuch für Karriereplanung stammen, nämlich dass es – wie oben angedeutet – für die Besetzung maßgeblicher Positionen im Zweifel nicht drauf ankommt (ankommen sollte), die gleichen Vorlieben und Hobbies wie der Chef zu haben, sondern fachlich und persönlich für den Posten geeignet zu sein und eine gewisse Reife erlangt zu haben.
Und dann hat Botch noch etwas, wenn auch vielleicht nicht ganz bewusst oder freiwillig, richtig gemacht: Er hat am Champagner nur genippt und den Digestif abgelehnt. Nach allem, was wir von seiner gesundheitlichen Verfassung wissen, ist auch anzunehmen, dass er zwar während des Essens durchaus Wein getrunken hat, aber eher in Maßen. Das macht immer einen guten Eindruck, der Chef sieht, dass Botch auch nach dem Essen seine Sinne nicht vom Alkohol vernebelt sondern immer noch gut beisammen hat.
Und natürlich habe ich den guten Botch an besagtem Wochenende durch ein reinigendes Fegefeuer gehen lassen, an dem er vielleicht auch ein wenig über sich nachgedacht hat. Vielleicht bekommt er sogar noch Geschmack und Spaß am Wein, dann nimmt er sich Zeit und Muße. Aber er wird sich in Zukunft lieber auf eigene Stärken besinnen als Fähigkeiten vorzutäuschen, die er nicht hat.
Dass er Frau Klever, deren unbestrittene professionelle Vorzüge er bisher noch nicht bewusst erkannt hat, nun mitnehmen will, zeigt, dass er in den paar Tagen gereift ist und den Job in Paris, der ein veritabler Karrieresprung ist, gut machen will, aber dass er auch erkannt hat, dass er alleine nicht so viel zuwege bringen kann wie mit guten Mitarbeitern. So jemand hat doch eine Chance verdient. Dass er bisher schon weit gekommen ist, spricht dafür, dass er so unqualifiziert nicht sein kann (oder natürlich, dass auch hier wieder einmal das
Peter-Prinzip zur Anwendung kam - aber so etwas gibt es im Märchen natürlich nicht). Mal sehen was er daraus macht, vielleicht lesen wir ja demnächst noch einmal von ihm.
Lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love