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Di 18. Sep 2012, 08:58
Die Spiele der Erwachsenen!
Die Älteren unter uns werden sich erinnern, Mitte/Ende der 60er Jahre rollte im Zuge allfälliger Befreiungstendenzen langsam aber unaufhaltsam die so genannte Sexwelle auch auf deutsche gutbürgerliche Haushalte zu. Und es galt, aufgeklärt und unverklemmt zu sein, da biss die Maus kein Faden ab.
Ich erinnere mich noch wie heute, dass mir zwar offiziell die Lektüre solch verruchter Blättchen, wie es die BRAVO war, verboten wurde, aber insgeheim meine Eltern gottfroh waren, die Beantwortung eher delikater Fragen elegant just dorthin outgesourct zu haben (weswegen das Heft auch immer erst konfisziert wurde, nachdem offensichtlich war, dass ich es ausgelesen und auch die Seite mit dem Starschnitt gesichert hatte). Obwohl meine Eltern sich leidlich bemühten, mit den neuen Anforderungen der modernen Zeit und ans zwischenmenschliche Zusammenleben Schritt zu halten, hatten die Zeiten keinen gravierenden Einfluss auf unser Familienleben (von den Klagen über die Jugend von heute, die verlodernden Sitten sowie die Langhaarigen mal abgesehen).
Und so erinnere ich mich auch noch gut daran, dass in unserem Haushalt das Buch "Die Spiele der Erwachsenen" von Eric Berne Einzug hielt. Natürlich sorgsam vor den Augen der Kinder versteckt, da wo auch Lady Chatterley und der einschlägige Brockhausband standen, wie wir nach kurzer Zeit herausgefunden haben. Und ich erinnere mich genauso gut daran, dass meine Eltern dann doch recht enttäuscht waren, dass sich das Ganze als hauptsächlich populärwissenschaftliches Werk der Transaktionsanalyse herausstellte und kaum Anregungen enthielt, das eheliche Beziehungsleben ein wenig aufzupeppen.
So kann's kommen.
Herr susa und ich sind da eher fürs Reelle. Und deswegen spielen wir diese Woche auch ein Spiel. Mit Hand und Fuß. Und 13 Flaschen Wein. Wer jetzt "Strip-Poker" denkt, gehe sofort in die Ecke, schäme sich und denke mal drüber nach!
Natürlich hat unser Spiel einen weinverkostungstechnischen quasi wissenschaftlichen Hintergrund und geht so:
In dieser Woche bekommt Herr susa von mir in loser Folge Weine kredenzt, die er nicht kennt und noch nie in seinem Leben getrunken hat (an dieser Stelle muss ich noch mal einen ganz besonderen Dank an Herrn Gudegast von Gute Weine Lobenberg loswerden, der mich bei diesem Projekt gut und geduldig beraten hat) und zwar kreuz und quer durch die Weinwelt. Und Herr susa muss die Weine erraten so weit es geht, das heißt er muss die Rebsorte (bzw. die maßgebliche/n Rebsorte/n einer Cuvée) herausfinden, den Jahrgang, das Anbaugebiet und den ungefähren Preis. Einen Sonderpreis gibt es für das genaue Erraten des Erzeugers.
Stellt Euch das mal nicht so einfach vor, ihr wisst nichts, im Glas seht ihr lediglich weiß oder rot (rosé hab ich ihm erspart, die Sache soll ihm ja Spaß machen) und ich hab mich bemüht, doch eher typische Weine zusammenzusuchen und nicht etwa Amphoren ausgebaute restsüße Rieslinge aus der Estremadura oder solche Späßchen.
Und ich bin begeistert, Herr susa schlägt sich genial! Unser Praktikant mutmaßte schon, dass nicht abzusehen sei, wer mehr Spaß an der Sache habe, die Spielleitung (also ich) oder der Proband (also Herr susa), der schon mal versucht, mich mit einem munteren "soll ich schon mal den Wein aufmachen?" aufs Glatteis zu führen. Die Weinauswahl hat mir verdammt viel Spaß gemacht, viele auch mir unbekannte oder ewig nicht mehr getrunkene Weine kamen auf die Liste, wurden wieder verworfen, alleine das Zusammensuchen der Informationen zu den Weinen und die Überlegung, wann welcher Wein ggf. auch mit welchem Essen präsentiert werden sollte, hat mir riesigen Spaß gemacht. Und Herr susa ist massig gespannt auf das jeweils neuste Rätsel. Meistens kann er zumindest Rebsorte oder Anbaugebiet herausfinden und, so viel ist inzwischen klar, das ist dann mindestens die halbe Miete.
Aber es gab auch einen Probanden, da musste er absolut passen, nicht einen Punkt hat er einfahren können. Ich geb es zu, der war auch wirklich schwer, der
2007 Vinho Tinto
Quinta de Chocapalha, Estremadura, Portugal
eine der größten Überraschungen im Spiel. Ich hatte mir eine Preisobergrenze gesetzt und so ein paar "Schmankerln" ausgesucht, also Weine aus der gehobenen Preiskategorie, die ich ihm dringend präsentieren wollte, u,a. diesen hier, das wollte ich doch mit ihm teilen. Und das bedeutet ja nichts anderes als, dass man dann zum Ausgleich natürlich auch ein paar Weine aus dem Basissegment einbauen muss, wenn man seinen Preisrahmen nicht sprengen will (oder zumindest nur ein ganz klein wenig).
Und so kam der rote Portugiese in den Karton und zu der Ehre, gleich der erste Kandidat im Spiel zu sein.
Herr susa zückte also seinen Kuli, stellte sein Glas hin und bat sich absolute Ruhe aus. Er roch und schnüffelte, wie man das so macht, kritzelte ein paar Bemerkungen auf seinen Notizblock, nahm schließlich einen ersten Schluck und bemerkte dann als erstes "Geiler Wein!". Ich bitte die etwas rustikale Ausdrucksweise zu entschuldigen, aber schließlich waren wir unter uns und zweitens hatte er absolut recht.
"Das muss irgendwie Übersee sein!" waren dann die nächsten Annäherungen an das Objekt, "ich rieche rote Beeren, ein etwas minziges Aroma, auch ein wenig Vanille, Pfeffer, Holz. Kräftiger Wein und so eine dunkel granatrote Farbe? In jedem Fall kommt der aus einer ziemlich heißen Gegend! Und ein echt guter Abgang"
Natürlich darf man nicht sofort alle Informationen aus der Hand geben, der Proband muss noch ein wenig raten, sonst ist das Spiel zu schnell zu Ende. "Da ist schon einiges Richtige dabei, aber das hätte ich gerne präziser. Was denkst Du, was das für eine Rebsorte oder für eine Cuvée ist?" Herr susa biss sich ziemlich lange an Cabernet Sauvignon fest, kam aber dann doch zu der Erkenntnis, dass wohl eher die an der Rhône üblichen Sorten wie Syrah, Grenache oä beteiligt seien. Eigentlich lag alles auf der Hand, das Anbaugebiet hatte er schon von Frankreich nach Spanien verlegt, aber irgendwie wollte der Knoten nach Portugal nicht platzen. Nur der Vollständigkeit halber, es handelt sich um eine Cuvée aus hauptsächlich Tinta Roriz (also Tempranillo) sowie Castelao, Touriga Nacional, Syrah und Alicante Bouschet.
Aber, hey, bevor ihr darüber vorschnell urteilt, es war der erste Wein in der Reihe, inzwischen ist er eingearbeitet, ich bin überzeugt, würde ich ihm diesen Wein am Ende der Reihe (das noch nicht erreicht ist und noch eine ziemliche Überraschung bereit hält) servieren, er würde wesentlich besser abschneiden. Natürlich kann ich diese Überraschung noch nicht verraten, er liest hier mit – ihr versteht -, aber sie wird in einer der nächsten Dienstagspostillen thematisiert werden.
Interessant ist, dass er – und das mit Fug und Recht – den Wein für fast doppelt so teuer eingeschätzt hat, als er wirklich war. "Zwischen 12 und 15€!" war sein Votum, was ich durchaus nachvollziehen konnte. 7,95€ hab ich für die Flasche bezahlt und dass wir davon noch eine Kiste nachordern werden, steht schon fest. So einen Wein holt man sich gerne einfach mal Abends raus, der passt auch wunderbar zum Essen, gerade zu den kräftigen Eintöpfen oder Schmorgerichten, die wir jetzt zum Herbst und Winter wieder auf den Tisch bringen. Und man muss nicht fürchten, dass er "zu gut für einfach so" ist.
Der Einfachheit halber kopier ich hier noch die Stichworte aus unserer Verkostungsdatenbank rein und empfehle jedem von Euch, dieses Spiel mal mit einem guten Freund* nachzuspielen, es macht Riesenspaß und man lernt wirklich eine ganze Menge, sowohl als Spielleitung als auch als Rater.
91+ P
klares Dunkelrot
Nase: kühle Minze, Beerenfrucht
Mund: straff, Vanille, Beerenfrucht, seidige Textur, kraftvoller Körper, Pfeffer, Holz
Abgang: mittellang
*
Ich meine natürlich grundsätzlich alle Geschlechter, aber diese Wortungetüme, die man um der Political Correctness willen auf sich nehmen muss, sind mir zuwider.
Die Älteren unter uns werden sich erinnern, Mitte/Ende der 60er Jahre rollte im Zuge allfälliger Befreiungstendenzen langsam aber unaufhaltsam die so genannte Sexwelle auch auf deutsche gutbürgerliche Haushalte zu. Und es galt, aufgeklärt und unverklemmt zu sein, da biss die Maus kein Faden ab.
Ich erinnere mich noch wie heute, dass mir zwar offiziell die Lektüre solch verruchter Blättchen, wie es die BRAVO war, verboten wurde, aber insgeheim meine Eltern gottfroh waren, die Beantwortung eher delikater Fragen elegant just dorthin outgesourct zu haben (weswegen das Heft auch immer erst konfisziert wurde, nachdem offensichtlich war, dass ich es ausgelesen und auch die Seite mit dem Starschnitt gesichert hatte). Obwohl meine Eltern sich leidlich bemühten, mit den neuen Anforderungen der modernen Zeit und ans zwischenmenschliche Zusammenleben Schritt zu halten, hatten die Zeiten keinen gravierenden Einfluss auf unser Familienleben (von den Klagen über die Jugend von heute, die verlodernden Sitten sowie die Langhaarigen mal abgesehen).
Und so erinnere ich mich auch noch gut daran, dass in unserem Haushalt das Buch "Die Spiele der Erwachsenen" von Eric Berne Einzug hielt. Natürlich sorgsam vor den Augen der Kinder versteckt, da wo auch Lady Chatterley und der einschlägige Brockhausband standen, wie wir nach kurzer Zeit herausgefunden haben. Und ich erinnere mich genauso gut daran, dass meine Eltern dann doch recht enttäuscht waren, dass sich das Ganze als hauptsächlich populärwissenschaftliches Werk der Transaktionsanalyse herausstellte und kaum Anregungen enthielt, das eheliche Beziehungsleben ein wenig aufzupeppen.
So kann's kommen.
Herr susa und ich sind da eher fürs Reelle. Und deswegen spielen wir diese Woche auch ein Spiel. Mit Hand und Fuß. Und 13 Flaschen Wein. Wer jetzt "Strip-Poker" denkt, gehe sofort in die Ecke, schäme sich und denke mal drüber nach!
Natürlich hat unser Spiel einen weinverkostungstechnischen quasi wissenschaftlichen Hintergrund und geht so:
In dieser Woche bekommt Herr susa von mir in loser Folge Weine kredenzt, die er nicht kennt und noch nie in seinem Leben getrunken hat (an dieser Stelle muss ich noch mal einen ganz besonderen Dank an Herrn Gudegast von Gute Weine Lobenberg loswerden, der mich bei diesem Projekt gut und geduldig beraten hat) und zwar kreuz und quer durch die Weinwelt. Und Herr susa muss die Weine erraten so weit es geht, das heißt er muss die Rebsorte (bzw. die maßgebliche/n Rebsorte/n einer Cuvée) herausfinden, den Jahrgang, das Anbaugebiet und den ungefähren Preis. Einen Sonderpreis gibt es für das genaue Erraten des Erzeugers.
Stellt Euch das mal nicht so einfach vor, ihr wisst nichts, im Glas seht ihr lediglich weiß oder rot (rosé hab ich ihm erspart, die Sache soll ihm ja Spaß machen) und ich hab mich bemüht, doch eher typische Weine zusammenzusuchen und nicht etwa Amphoren ausgebaute restsüße Rieslinge aus der Estremadura oder solche Späßchen.
Und ich bin begeistert, Herr susa schlägt sich genial! Unser Praktikant mutmaßte schon, dass nicht abzusehen sei, wer mehr Spaß an der Sache habe, die Spielleitung (also ich) oder der Proband (also Herr susa), der schon mal versucht, mich mit einem munteren "soll ich schon mal den Wein aufmachen?" aufs Glatteis zu führen. Die Weinauswahl hat mir verdammt viel Spaß gemacht, viele auch mir unbekannte oder ewig nicht mehr getrunkene Weine kamen auf die Liste, wurden wieder verworfen, alleine das Zusammensuchen der Informationen zu den Weinen und die Überlegung, wann welcher Wein ggf. auch mit welchem Essen präsentiert werden sollte, hat mir riesigen Spaß gemacht. Und Herr susa ist massig gespannt auf das jeweils neuste Rätsel. Meistens kann er zumindest Rebsorte oder Anbaugebiet herausfinden und, so viel ist inzwischen klar, das ist dann mindestens die halbe Miete.
Aber es gab auch einen Probanden, da musste er absolut passen, nicht einen Punkt hat er einfahren können. Ich geb es zu, der war auch wirklich schwer, der
2007 Vinho Tinto
Quinta de Chocapalha, Estremadura, Portugal
eine der größten Überraschungen im Spiel. Ich hatte mir eine Preisobergrenze gesetzt und so ein paar "Schmankerln" ausgesucht, also Weine aus der gehobenen Preiskategorie, die ich ihm dringend präsentieren wollte, u,a. diesen hier, das wollte ich doch mit ihm teilen. Und das bedeutet ja nichts anderes als, dass man dann zum Ausgleich natürlich auch ein paar Weine aus dem Basissegment einbauen muss, wenn man seinen Preisrahmen nicht sprengen will (oder zumindest nur ein ganz klein wenig).
Und so kam der rote Portugiese in den Karton und zu der Ehre, gleich der erste Kandidat im Spiel zu sein.
Herr susa zückte also seinen Kuli, stellte sein Glas hin und bat sich absolute Ruhe aus. Er roch und schnüffelte, wie man das so macht, kritzelte ein paar Bemerkungen auf seinen Notizblock, nahm schließlich einen ersten Schluck und bemerkte dann als erstes "Geiler Wein!". Ich bitte die etwas rustikale Ausdrucksweise zu entschuldigen, aber schließlich waren wir unter uns und zweitens hatte er absolut recht.
"Das muss irgendwie Übersee sein!" waren dann die nächsten Annäherungen an das Objekt, "ich rieche rote Beeren, ein etwas minziges Aroma, auch ein wenig Vanille, Pfeffer, Holz. Kräftiger Wein und so eine dunkel granatrote Farbe? In jedem Fall kommt der aus einer ziemlich heißen Gegend! Und ein echt guter Abgang"
Natürlich darf man nicht sofort alle Informationen aus der Hand geben, der Proband muss noch ein wenig raten, sonst ist das Spiel zu schnell zu Ende. "Da ist schon einiges Richtige dabei, aber das hätte ich gerne präziser. Was denkst Du, was das für eine Rebsorte oder für eine Cuvée ist?" Herr susa biss sich ziemlich lange an Cabernet Sauvignon fest, kam aber dann doch zu der Erkenntnis, dass wohl eher die an der Rhône üblichen Sorten wie Syrah, Grenache oä beteiligt seien. Eigentlich lag alles auf der Hand, das Anbaugebiet hatte er schon von Frankreich nach Spanien verlegt, aber irgendwie wollte der Knoten nach Portugal nicht platzen. Nur der Vollständigkeit halber, es handelt sich um eine Cuvée aus hauptsächlich Tinta Roriz (also Tempranillo) sowie Castelao, Touriga Nacional, Syrah und Alicante Bouschet.
Aber, hey, bevor ihr darüber vorschnell urteilt, es war der erste Wein in der Reihe, inzwischen ist er eingearbeitet, ich bin überzeugt, würde ich ihm diesen Wein am Ende der Reihe (das noch nicht erreicht ist und noch eine ziemliche Überraschung bereit hält) servieren, er würde wesentlich besser abschneiden. Natürlich kann ich diese Überraschung noch nicht verraten, er liest hier mit – ihr versteht -, aber sie wird in einer der nächsten Dienstagspostillen thematisiert werden.
Interessant ist, dass er – und das mit Fug und Recht – den Wein für fast doppelt so teuer eingeschätzt hat, als er wirklich war. "Zwischen 12 und 15€!" war sein Votum, was ich durchaus nachvollziehen konnte. 7,95€ hab ich für die Flasche bezahlt und dass wir davon noch eine Kiste nachordern werden, steht schon fest. So einen Wein holt man sich gerne einfach mal Abends raus, der passt auch wunderbar zum Essen, gerade zu den kräftigen Eintöpfen oder Schmorgerichten, die wir jetzt zum Herbst und Winter wieder auf den Tisch bringen. Und man muss nicht fürchten, dass er "zu gut für einfach so" ist.
Der Einfachheit halber kopier ich hier noch die Stichworte aus unserer Verkostungsdatenbank rein und empfehle jedem von Euch, dieses Spiel mal mit einem guten Freund* nachzuspielen, es macht Riesenspaß und man lernt wirklich eine ganze Menge, sowohl als Spielleitung als auch als Rater.
91+ P
klares Dunkelrot
Nase: kühle Minze, Beerenfrucht
Mund: straff, Vanille, Beerenfrucht, seidige Textur, kraftvoller Körper, Pfeffer, Holz
Abgang: mittellang
*
Ich meine natürlich grundsätzlich alle Geschlechter, aber diese Wortungetüme, die man um der Political Correctness willen auf sich nehmen muss, sind mir zuwider.
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
James Bond in From Russia with Love
