Administrator
- Beiträge: 4163
- Bilder: 20
- Registriert: Mo 6. Dez 2010, 15:33
- Wohnort: Niederrhein
- Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Dass dem Menschen die Sprache gegeben sei, um seine Gedanken jederzeit und jedermann darzulegen, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Erstens setzt es immer auch das Vorhandensein darlegenswürdiger Gedanken voraus und zweitens geht diese Theorie davon aus, dass ein jeder seine Umwelt auch an seinen Gedanken teilhaben lassen wolle. Ein Blick in die Politik genügt, um festzustellen, dass der gemeine (im Sinne von Prototyp nicht als Charaktereigenschaft zu verstehen!) Politiker die Sprache nutzt, um seine Gedanken möglichst so sehr zu vernebeln, dass seine Aussagen Interpretationsmöglichkeiten in alle Richtungen zulassen. "Lassen Sie mich die Frage zunächst einmal anders formulieren, ….", dann kann er immer behaupten, er habe das so nie gesagt, das sei eine böswillige Unterstellung der Opposition.
Junge Menschen haben seit Menschengedenken ihre eigene Sprache gefunden, ein Idiom, das das Sprachempfinden und die Sprachgewohnheit der Erwachsenen provoziert. Das treibt gar seltsame Blüten, was sich aber meistens nach erfolgreich absolvierter Pubertät wieder legt und die schönsten Blüten gehen in den allgemeinen Sprachgebrauch über. Ob die derzeit gebräuchliche Satzkonstruktion "Yo – Subjekt – Prädikat – Provokation – Objekt – Alder/Digger!" (Yo, ich fahr scheizz.ndreck BMW, Digger!") das Zeug dazu hat, oder die in vorpubertären Kreisen verbreitete Angewohnheit, aus allem eine Verniedlichung endend auf –i zu machen ("Haussu schon Hausi, dann komm mit Fußi …" gut Schriftdeutsch: Hast Du Deine Hausaufgaben fertig, dann komm mit zum Fußballspielen!), wage ich zu bezweifeln.
Weinliebhaber haben ebenfalls ihre eigene Sprache, die Verkostungslyrik, wegen der sie sich oft genug Missverständnissen wenn nicht gar Anfeindungen ausgesetzt sehen. Elitäres Geschwafel und man müsse nur genug der abwegigsten Aromen aufzählen, schon sei man dabei. Hilfsweise solle man sich einfach das Sortiment einer italienischen Eisdiele vorstellen: Vanille, Schokolade, Mocca, Nuss, Karamell, Zitronenjoghurt, Schlümpfe ….
Gut manches schießt sicher übers Ziel hinaus, in dem Zusammenhang hat die Beschreibung des Johnerschen 2011er Sauvignon blanc Gladstone durch die Herren Lange und Lange ja inzwischen bereits Kultstatus erlangt: "..Der Wein entführte mich schwuppdiwupp auf die grüne Insel. Plötzlich hatte ich das Gefühl, an einem Strand zu stehen, wo ein paar Beachboys eine Herde Wale zurück in den Pazifik schoben. Salzige Gischt zischte mir ins Gesicht. Ich trug Bermudashorts mit psychedelischen Motiven. Was machte der Wein mit mir? Alles war plötzlich grün, Kolibris saugten aus exotischen Blüten Nektar, metallisch-glänzende Schmetterlinge im XXL-Format wippten mit den Flügeln und Limettensaft tropfte von dem glänzenden Blätterdach über mir. Wahrscheinlich alles nur Einbildung. Kein Sonnenstrahl drang zu mir herab. Grüne Bohnen, nachtschwarze Johannisbeeren, kritzekratzegrüne Erbsen, weißer Trüffelduft. Fluoreszierende Frösche machten im Unterholz mit ihren klebrigen Zungen Jagd auf irisierende Libellen. Ihre Flügel glitzerten wie Diamantkristalle in der Luft. Das musste Mittelerde sein. Und ich mitten drin. Wow .." (Zitatende)
Dagegen liest sich das Fazit des poetischsten Weinhändlers der Republik zu Schäfer-Fröhlichs 2011er Riesling Felseneck GG nachgerade wohltuend zurückhaltend: "… Dieser atmosphärische Riesling, der zwischen Himmel und Erde zu tanzen scheint, ist ein transzendentaler, ein beseelter Wein, Maßstäbe setzend, mit Kultwein-Charakter, ein göttlicher Tropfen mit unendlicher Länge, die Inkarnation seines unvergleichlichen Terroirs, dessen Ausstrahlung, dessen vibrierender Energie sich niemand wird entziehen können!...." (Zitatende)
Gut, vorher hatte er noch so mehr allgemein und unter Anleihen bei Heymann-Löwenstein philosophiert " …Sich großem Wein hingeben zu können, sich verführen zu lassen wie in einem grandiosen Liebesakt, die Vielschichtigkeit, die Komplexität, die Tiefgründigkeit und vibrierende Mineralität eines großen Terroirweins in sich aufzusaugen und mit Körper und Geist ihn erfassen, heißt auch, mit seinen unergründlichen Geheimnissen zu leben, wie bei einer klugen, interessanten Frau, die vielleicht nie alles von sich preiszugeben bereit ist! (…) Aber sind es nicht gerade die Mysterien Frauen und Wein, die uns verzaubern, gefangen nehmen und nie mehr loslassen. Zum Eintauchen verführen, zum ekstatischen Genuss. So schön und interessant wohlfeile Erklärungen und exakte Beschreibungen auch immer sein mögen, sie können immer nur einige Phänomene der Oberfläche abbilden. Wie viel spannender und genussvoller ist das Surfen zwischen den Welten, zwischen oberflächlicher Struktur und innerem Verborgenen, wie viel genussvoller ist das Abtauchen in geheimnisvolle und unbekannte Tiefen der Wahrnehmung (…)!..." (Zitatende)
Das alles klingt ja nun allemal besser und mitreißender als so ein schnödes:"… So prachtvoll wie das beerig-würzige Bouquet ist auch der Eindruck am Gaumen: vollmundig, seidige Textur, feines Tannin, Tiefe und eine Balance, die begeistert! …" (Zitatende). Das ist eben die hanseatische Zurückhaltung.
Bei allen Kritikpunkten, Weinsprache muss sein. Und ich hab mich über mich selbst fast schon nicht mehr gewundert, dass ich jetzt bereits zum zweiten Mal in kurzer Folge den Korkkapitänen recht geben musste: "Schmeckt/schmeckt nicht reicht einfach nicht aus!" . Die Weinsprache ist in erster Linie eine Fachsprache, mittels derer sich die, die dieser Sprache mächtig sind, austauschen und die notwendig ist, um den Gegenstand exakt zu beschreiben. Da mag das, was allgemein als Grapefruitaroma bezeichnet wird, den einen oder anderen an Ahoi-Brause erinnern, letztlich wissen alle was gemeint ist und können sich einen Wein vorstellen. Wenn darüber hinaus noch Gefühle angesprochen werden, Phantasie geweckt wird und noch ein Quäntchen Humor dabei ist, umso besser.
"Schmeckt/schmeckt nicht", das ist seit Jahren auch meine persönliche Hassvokabel im Zusammenhang mit Wein, eine Killerphrase, die nur ausdrückt, dass es eigentlich nicht interessiert, wie (ob) der Wein schmeckt, der die bewegendsten, komplexesten und spannendsten Weine in einen Topf wirft mit denen, denen man freundlich das Attribut "ganz nett" zugesteht. Ich hätt's da gerne ein bisschen genauer und wenn es einer noch mit überraschenden Texten garnieren kann, ungewöhnliche Bilder findet, einen Stimmungsbogen aufbaut, zur Diskussion animiert – mir kann's nur recht sein.
"…1989 – 83 Der 1989er ist ein unterernährter, schmalbrüstiger, krautiger Wein mit mittelrubinroter Farbe, wenig Charme und ganz ohne Konzentration oder Intensität. In Anbetracht des hohen Anteils an Cabernet franc und Cabernet Sauvignon im Mischungsverhältnis überrascht es nicht, dass ein ausgeprägt grüner, vegetabiler Charakter zu bemerken ist, aber der Mangel an Intensität und Geschmack war diesmal noch deutlicher, als ich es in Erinnerung hatte.!.." (Zitatende), Robert Parker über den 1989er Figeac. Abgesehen davon, dass ich den 89er jedes Mal als reifen, komplexen, eleganten, faszinierenden Wein wahrgenommen habe, aber Parker wird Figeac nie verstehen, ist eine solche Beschreibung sicher seriös und korrekt, aber transportiert sie wirklich alles, was einen großen, im Zweifel sogar einen großartig schlechten Wein ausmacht?
Alsdann: Ruhig ein bisschen Mut zur Übertreibung, zum Pathos, zum Humor!
Ich versuchs dann auch mal wieder:
2007 Alfa Crux Malbec
Bodegas Fournier, Mendoza (Argentinien)
von undurchdringlichem geheimnisvollen Schwarzrot und einem sehr intensiven Duft nach Kräutern, Heidelbeeren, Zigarrenkiste, erdig, rauchig, ein Duft, der eine Vielzahl miteinander verwobener Aromen nach und nach freigibt, so dass man alleine mit Riechen noch lange nicht fertig ist. Absolut eine Nasenschönheit. Der Wein schreit geradezu nach einem gegrillten Steak, rare, vielleicht noch eine Kartoffel dazu, aber das ist nebensächlich, das rohe Fleisch und die opulente raue Eleganz verbinden sich zu einer Einheit, das Eine ist wie geschaffen für das andere. Der Körper wuchtig, muskulös, fleischig und ein Abgang, der noch einmal alle Facetten hervorholt.
Der Wein lässt die Gedanken schweifen, … Gauchos, Tango, Steaks über offenem Feuer und der Duft endloser Grassteppe.
Junge Menschen haben seit Menschengedenken ihre eigene Sprache gefunden, ein Idiom, das das Sprachempfinden und die Sprachgewohnheit der Erwachsenen provoziert. Das treibt gar seltsame Blüten, was sich aber meistens nach erfolgreich absolvierter Pubertät wieder legt und die schönsten Blüten gehen in den allgemeinen Sprachgebrauch über. Ob die derzeit gebräuchliche Satzkonstruktion "Yo – Subjekt – Prädikat – Provokation – Objekt – Alder/Digger!" (Yo, ich fahr scheizz.ndreck BMW, Digger!") das Zeug dazu hat, oder die in vorpubertären Kreisen verbreitete Angewohnheit, aus allem eine Verniedlichung endend auf –i zu machen ("Haussu schon Hausi, dann komm mit Fußi …" gut Schriftdeutsch: Hast Du Deine Hausaufgaben fertig, dann komm mit zum Fußballspielen!), wage ich zu bezweifeln.
Weinliebhaber haben ebenfalls ihre eigene Sprache, die Verkostungslyrik, wegen der sie sich oft genug Missverständnissen wenn nicht gar Anfeindungen ausgesetzt sehen. Elitäres Geschwafel und man müsse nur genug der abwegigsten Aromen aufzählen, schon sei man dabei. Hilfsweise solle man sich einfach das Sortiment einer italienischen Eisdiele vorstellen: Vanille, Schokolade, Mocca, Nuss, Karamell, Zitronenjoghurt, Schlümpfe ….
Gut manches schießt sicher übers Ziel hinaus, in dem Zusammenhang hat die Beschreibung des Johnerschen 2011er Sauvignon blanc Gladstone durch die Herren Lange und Lange ja inzwischen bereits Kultstatus erlangt: "..Der Wein entführte mich schwuppdiwupp auf die grüne Insel. Plötzlich hatte ich das Gefühl, an einem Strand zu stehen, wo ein paar Beachboys eine Herde Wale zurück in den Pazifik schoben. Salzige Gischt zischte mir ins Gesicht. Ich trug Bermudashorts mit psychedelischen Motiven. Was machte der Wein mit mir? Alles war plötzlich grün, Kolibris saugten aus exotischen Blüten Nektar, metallisch-glänzende Schmetterlinge im XXL-Format wippten mit den Flügeln und Limettensaft tropfte von dem glänzenden Blätterdach über mir. Wahrscheinlich alles nur Einbildung. Kein Sonnenstrahl drang zu mir herab. Grüne Bohnen, nachtschwarze Johannisbeeren, kritzekratzegrüne Erbsen, weißer Trüffelduft. Fluoreszierende Frösche machten im Unterholz mit ihren klebrigen Zungen Jagd auf irisierende Libellen. Ihre Flügel glitzerten wie Diamantkristalle in der Luft. Das musste Mittelerde sein. Und ich mitten drin. Wow .." (Zitatende)
Dagegen liest sich das Fazit des poetischsten Weinhändlers der Republik zu Schäfer-Fröhlichs 2011er Riesling Felseneck GG nachgerade wohltuend zurückhaltend: "… Dieser atmosphärische Riesling, der zwischen Himmel und Erde zu tanzen scheint, ist ein transzendentaler, ein beseelter Wein, Maßstäbe setzend, mit Kultwein-Charakter, ein göttlicher Tropfen mit unendlicher Länge, die Inkarnation seines unvergleichlichen Terroirs, dessen Ausstrahlung, dessen vibrierender Energie sich niemand wird entziehen können!...." (Zitatende)
Gut, vorher hatte er noch so mehr allgemein und unter Anleihen bei Heymann-Löwenstein philosophiert " …Sich großem Wein hingeben zu können, sich verführen zu lassen wie in einem grandiosen Liebesakt, die Vielschichtigkeit, die Komplexität, die Tiefgründigkeit und vibrierende Mineralität eines großen Terroirweins in sich aufzusaugen und mit Körper und Geist ihn erfassen, heißt auch, mit seinen unergründlichen Geheimnissen zu leben, wie bei einer klugen, interessanten Frau, die vielleicht nie alles von sich preiszugeben bereit ist! (…) Aber sind es nicht gerade die Mysterien Frauen und Wein, die uns verzaubern, gefangen nehmen und nie mehr loslassen. Zum Eintauchen verführen, zum ekstatischen Genuss. So schön und interessant wohlfeile Erklärungen und exakte Beschreibungen auch immer sein mögen, sie können immer nur einige Phänomene der Oberfläche abbilden. Wie viel spannender und genussvoller ist das Surfen zwischen den Welten, zwischen oberflächlicher Struktur und innerem Verborgenen, wie viel genussvoller ist das Abtauchen in geheimnisvolle und unbekannte Tiefen der Wahrnehmung (…)!..." (Zitatende)
Das alles klingt ja nun allemal besser und mitreißender als so ein schnödes:"… So prachtvoll wie das beerig-würzige Bouquet ist auch der Eindruck am Gaumen: vollmundig, seidige Textur, feines Tannin, Tiefe und eine Balance, die begeistert! …" (Zitatende). Das ist eben die hanseatische Zurückhaltung.
Bei allen Kritikpunkten, Weinsprache muss sein. Und ich hab mich über mich selbst fast schon nicht mehr gewundert, dass ich jetzt bereits zum zweiten Mal in kurzer Folge den Korkkapitänen recht geben musste: "Schmeckt/schmeckt nicht reicht einfach nicht aus!" . Die Weinsprache ist in erster Linie eine Fachsprache, mittels derer sich die, die dieser Sprache mächtig sind, austauschen und die notwendig ist, um den Gegenstand exakt zu beschreiben. Da mag das, was allgemein als Grapefruitaroma bezeichnet wird, den einen oder anderen an Ahoi-Brause erinnern, letztlich wissen alle was gemeint ist und können sich einen Wein vorstellen. Wenn darüber hinaus noch Gefühle angesprochen werden, Phantasie geweckt wird und noch ein Quäntchen Humor dabei ist, umso besser.
"Schmeckt/schmeckt nicht", das ist seit Jahren auch meine persönliche Hassvokabel im Zusammenhang mit Wein, eine Killerphrase, die nur ausdrückt, dass es eigentlich nicht interessiert, wie (ob) der Wein schmeckt, der die bewegendsten, komplexesten und spannendsten Weine in einen Topf wirft mit denen, denen man freundlich das Attribut "ganz nett" zugesteht. Ich hätt's da gerne ein bisschen genauer und wenn es einer noch mit überraschenden Texten garnieren kann, ungewöhnliche Bilder findet, einen Stimmungsbogen aufbaut, zur Diskussion animiert – mir kann's nur recht sein.
"…1989 – 83 Der 1989er ist ein unterernährter, schmalbrüstiger, krautiger Wein mit mittelrubinroter Farbe, wenig Charme und ganz ohne Konzentration oder Intensität. In Anbetracht des hohen Anteils an Cabernet franc und Cabernet Sauvignon im Mischungsverhältnis überrascht es nicht, dass ein ausgeprägt grüner, vegetabiler Charakter zu bemerken ist, aber der Mangel an Intensität und Geschmack war diesmal noch deutlicher, als ich es in Erinnerung hatte.!.." (Zitatende), Robert Parker über den 1989er Figeac. Abgesehen davon, dass ich den 89er jedes Mal als reifen, komplexen, eleganten, faszinierenden Wein wahrgenommen habe, aber Parker wird Figeac nie verstehen, ist eine solche Beschreibung sicher seriös und korrekt, aber transportiert sie wirklich alles, was einen großen, im Zweifel sogar einen großartig schlechten Wein ausmacht?
Alsdann: Ruhig ein bisschen Mut zur Übertreibung, zum Pathos, zum Humor!
Ich versuchs dann auch mal wieder:
2007 Alfa Crux Malbec
Bodegas Fournier, Mendoza (Argentinien)
von undurchdringlichem geheimnisvollen Schwarzrot und einem sehr intensiven Duft nach Kräutern, Heidelbeeren, Zigarrenkiste, erdig, rauchig, ein Duft, der eine Vielzahl miteinander verwobener Aromen nach und nach freigibt, so dass man alleine mit Riechen noch lange nicht fertig ist. Absolut eine Nasenschönheit. Der Wein schreit geradezu nach einem gegrillten Steak, rare, vielleicht noch eine Kartoffel dazu, aber das ist nebensächlich, das rohe Fleisch und die opulente raue Eleganz verbinden sich zu einer Einheit, das Eine ist wie geschaffen für das andere. Der Körper wuchtig, muskulös, fleischig und ein Abgang, der noch einmal alle Facetten hervorholt.
Der Wein lässt die Gedanken schweifen, … Gauchos, Tango, Steaks über offenem Feuer und der Duft endloser Grassteppe.
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
James Bond in From Russia with Love