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Di 10. Jul 2012, 09:08
Eine alte Binsenweisheit im Showgeschäft besagt, wenn jemand nur noch mit Artikel und Nachnamen bekannt ist und bezeichnet wird, dann hat er es geschafft, dann hat er die letzte nur wenigen vorbehaltende Stufe des Ruhmes erlangt. Meistens bezieht sich diese Regel allerdings auf Protagonistinnen, DIE Garbo, DIE Knef, DIE Deneuve, DIE Gedeck. Nach dieser Regel hat Dirk Würtz es geschafft, zumindest in der Weinwelt. Wenn von ihm die Rede ist, dann heißt es DER Würtz, auch gerne im Dialekt "de Wetz" (und klingt so schon fast adelig).
Ich müsste also lügen, wenn ich behaupten würde, dass der vergangene Samstag, vereinbarte Weinprobe beim Gut Balthasar Ress in Hattenheim, geleitet von niemand Geringerem als DEM Würtz, mich nicht in mindestens so aufgeregte Erwartung versetzte wie vereinbarte Treffen mit bordelaiser Weingrößen wie z.B. Alexandre Thienpont auf Vieux Château Certan.
Natürlich spielte sich die Probe im Garten der Vinothek des Hauses mit der Lockerheit ab, die Würtz auch in seinem medialen Auftreten ausstrahlt, auf social media, in verschiedenen Videos oder über sein Blog. Alles ganz easy, großer Bogen über alle relevanten Themen, die die Weinwelt derzeit bewegt, VDP-Lagenklassifikation, Traubenklau, Handlese predigen und hintenrum den Vollernter starten, gruppendynamische Prozesse bei den Verantwortlichen von Weinbeurteilungen, die 873ste Auflage der Verschlussdiskussion (das Wort reiche ich mal als Frage bei WWM ein), Wahnwitz der Weinbürokratie mit besonderer Berücksichtigung des Schleswig-Holsteinischen Weingesetzes, ein bisschen name und event dropping etc. etc. Amüsant, kurzweilig, lehrreich ohne oberlehrerhaft zu wirken. Dazwischen Wein, das ganze Sortiment "sagt ruhig, wenn's Euch nicht gefällt – ich kann das ab". Hätten wir auch, ehrlich, aber gefiel uns. Dabei hätt ich mir einen kontroversen Diskurs über einen Wein durchaus gewünscht.
Anschließend noch Besichtigung der WINEBANK, ein Angebot des Hauses gegen eine Monatsmiete seinen Wein unter optimalen Bedingungen in einem alten Gewölbekeller zu lagern, auch zur Schau zu stellen (wobei ich allerdings bei der Durchsicht einiger Fächer dachte, dass ich so manchen Wein lieber nicht an prominenter Stelle präsentieren würde, andere Weine wiederum – vergesst es – auch die schlanksten Halbflaschen lassen sich nicht durch die Gitterstäbe vor den Regalfächern bugsieren). Ansonsten ist das ein stylischer Treffpunkt weinbegeisterter Menschen mit einem gewissen Hang zur … *öhm … Repräsentation. Jeder Weinbanker hat das Recht mit bis zu 5 Personen zu jeder Zeit die Räumlichkeiten zu betreten und für Zusammenkünfte zu nutzen. Alles bestens bewacht mit neuster Sicherheitstechnik, was die beiden Damen aus unserer Gruppe, die die Alarm gesicherte Fluchttür für die Toilettentür hielten, dann auch gleich feststellten. Fast wäre das Rollkommando von Polizei und Sicherheitsdienst angerückt.
Szenenwechsel: Nachmittag
Besuch beim Weingut Dr. Randolf Kauer in Bacharach in einer alten Kellerei direkt am Rhein gelegen. Kauer ist so ziemlich das Gegenteil von Würtz, wobei er auch durchaus eloquent ist, allerdings hat er so gar nicht das Zeug zur Rampensau, eher der Typ "der nette Kerl von nebenan". Auch die Betriebe könnten unterschiedlicher kaum sein, Ress ist ein (zumindest für deutsche Verhältnisse) recht großer Erzeuger mit entsprechendem Mitarbeiterstab und professioneller Organisation, Kauer bewirtschaftet wenn ich es richtig erinnere so um die 5 Hektar fast allein und hat noch ein zweites wirtschaftliches Standbein, einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Geisenheim für Ökologischen Weinbau. Folgerichtig ist sein Gut Ecovin zertifiziert.
Mut beweist er auch, dass er eine Karikatur seines Portraits, die ein befreundeter Zeichner angefertigt hat, auf das Etikett seines Basisweins anbringt, das blitzt ein schelmischer Humor auf.
Auch die Entstehungsgeschichte seines Standardflaschenetiketts passt zu ihm: Es musste schnell gehen, viel Geld durfte es auch nicht kosten, also hat er mit feinem Bleistift eine Ansichtspostkarte von Bacharach auf Pauspapier abkopiert.
Es hat funktioniert, das Etikett passt zum Produkt, passt zu ihm. Und der Entwurf hat – so Kauer – gerade mal eine halbe Stunde in Anspruch genommen.
Und um noch schnell ein Wort zu den Ressschen Etiketten zu verlieren, mustergültige Vertreter meiner Etikettentheorie.
Zurück zu Kauer, vollends hat er mich für sich eingenommen, als wir feststellen, dass auch er ein Fan von Frank Zappa ist. Ein Zappafan kann weder ein schlechter Mensch und schon gar kein schlechter Winzer sein – so! Und seine Weine, die sich durch die gleiche Zurückhaltung auszeichnen, wie er selber, mag ich schon seit längerem. Das sind keine Knaller, die gleich mit Pomp and Circumstance auftauchen, das sind Little Feats, kleine Kunstwerke.
Und welcher war nun besser?
Dass es nur einen richtigen Weg, nur eine richtige Antwort geben kann, das mag vielleicht ein Mathematiker so sehen, aber selbst die Mathematik kommt ja irgendwann an den Punkt, an dem es mit der Eineindeutigkeit zu Ende ist. Sogar der Begriff Eineindeutig hat in der Mathematik zwei unterschiedliche Bedeutungen. Bevor ich mich allerdings auf mathematischem Terrain, das nachgewiesenermaßen aber mal gar nicht zu meinen Kernkompetenzen zählt, verzettele, geb ich lieber was ins Glas und zwar
2011 Hattenheimer Nussbrunnen Qualitätswein
Weingut Balthasar Ress, Rheingau
"Da müsst Ihr ja jetzt was riechen!" so die Ansage des Probenmoderators und wer da kein Walnussaroma in der Nase hatte, dem war sicher nicht zu helfen. Immerhin saßen wir ja auch unter zwei großen Walnussbäumen im Garten. Insofern lasse ich das mit dem Nussaroma mal dahin gestellt sein lassen, aber neben zarten Fruchttönen war eine feine Mineralnote erkennbar, klare geschliffene etwas karamellige Süße, Zitrus- und Steinobst, gestützt von feiner Säure und guter Abgang.
und ins zweite Glas kommt
2011 Oberdiebacher Fürstenberg Riesling Spätlese
Weingut Dr. Randolf Kauer, Mittelrhein
Hier mussten wir nichts auf Ansage riechen, es wäre aber kein Wunder gewesen, wenn alle gleich "Schiefer" gerufen hätten. Die Kauersche Terrasse liegt direkt am schattigen Schieferfelsen. Der Wein zeigte sich in der Nase zunächst recht verhalten, gab dann aber ein fein verwobenes etwas rauchig mineralisches Aroma und angenehm weichen Pfirsichduft frei. Am Gaumen intensive Pfirsichnote, feine Fruchtsüße, klare geschliffene Säure, nachhaltig am Gaumen und mittellanger Abgang.
Die Kauerschen Weine werde ich allesamt, selbst den Kabinett, erst mal mindestens ein wenn nicht zwei Jahre in den Keller verfrachten und dort ruhen lassen, ich glaube, erst dann präsentieren sie sich abgerundet und fertig. Bei den Ress Weinen, zumindest den Kabinetten und drunter, kann man durchaus dieses Jahr schon ran.
Prost
susa
Ich müsste also lügen, wenn ich behaupten würde, dass der vergangene Samstag, vereinbarte Weinprobe beim Gut Balthasar Ress in Hattenheim, geleitet von niemand Geringerem als DEM Würtz, mich nicht in mindestens so aufgeregte Erwartung versetzte wie vereinbarte Treffen mit bordelaiser Weingrößen wie z.B. Alexandre Thienpont auf Vieux Château Certan.
Natürlich spielte sich die Probe im Garten der Vinothek des Hauses mit der Lockerheit ab, die Würtz auch in seinem medialen Auftreten ausstrahlt, auf social media, in verschiedenen Videos oder über sein Blog. Alles ganz easy, großer Bogen über alle relevanten Themen, die die Weinwelt derzeit bewegt, VDP-Lagenklassifikation, Traubenklau, Handlese predigen und hintenrum den Vollernter starten, gruppendynamische Prozesse bei den Verantwortlichen von Weinbeurteilungen, die 873ste Auflage der Verschlussdiskussion (das Wort reiche ich mal als Frage bei WWM ein), Wahnwitz der Weinbürokratie mit besonderer Berücksichtigung des Schleswig-Holsteinischen Weingesetzes, ein bisschen name und event dropping etc. etc. Amüsant, kurzweilig, lehrreich ohne oberlehrerhaft zu wirken. Dazwischen Wein, das ganze Sortiment "sagt ruhig, wenn's Euch nicht gefällt – ich kann das ab". Hätten wir auch, ehrlich, aber gefiel uns. Dabei hätt ich mir einen kontroversen Diskurs über einen Wein durchaus gewünscht.
Anschließend noch Besichtigung der WINEBANK, ein Angebot des Hauses gegen eine Monatsmiete seinen Wein unter optimalen Bedingungen in einem alten Gewölbekeller zu lagern, auch zur Schau zu stellen (wobei ich allerdings bei der Durchsicht einiger Fächer dachte, dass ich so manchen Wein lieber nicht an prominenter Stelle präsentieren würde, andere Weine wiederum – vergesst es – auch die schlanksten Halbflaschen lassen sich nicht durch die Gitterstäbe vor den Regalfächern bugsieren). Ansonsten ist das ein stylischer Treffpunkt weinbegeisterter Menschen mit einem gewissen Hang zur … *öhm … Repräsentation. Jeder Weinbanker hat das Recht mit bis zu 5 Personen zu jeder Zeit die Räumlichkeiten zu betreten und für Zusammenkünfte zu nutzen. Alles bestens bewacht mit neuster Sicherheitstechnik, was die beiden Damen aus unserer Gruppe, die die Alarm gesicherte Fluchttür für die Toilettentür hielten, dann auch gleich feststellten. Fast wäre das Rollkommando von Polizei und Sicherheitsdienst angerückt.
Szenenwechsel: Nachmittag
Besuch beim Weingut Dr. Randolf Kauer in Bacharach in einer alten Kellerei direkt am Rhein gelegen. Kauer ist so ziemlich das Gegenteil von Würtz, wobei er auch durchaus eloquent ist, allerdings hat er so gar nicht das Zeug zur Rampensau, eher der Typ "der nette Kerl von nebenan". Auch die Betriebe könnten unterschiedlicher kaum sein, Ress ist ein (zumindest für deutsche Verhältnisse) recht großer Erzeuger mit entsprechendem Mitarbeiterstab und professioneller Organisation, Kauer bewirtschaftet wenn ich es richtig erinnere so um die 5 Hektar fast allein und hat noch ein zweites wirtschaftliches Standbein, einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Geisenheim für Ökologischen Weinbau. Folgerichtig ist sein Gut Ecovin zertifiziert.
Mut beweist er auch, dass er eine Karikatur seines Portraits, die ein befreundeter Zeichner angefertigt hat, auf das Etikett seines Basisweins anbringt, das blitzt ein schelmischer Humor auf.
Auch die Entstehungsgeschichte seines Standardflaschenetiketts passt zu ihm: Es musste schnell gehen, viel Geld durfte es auch nicht kosten, also hat er mit feinem Bleistift eine Ansichtspostkarte von Bacharach auf Pauspapier abkopiert.
Es hat funktioniert, das Etikett passt zum Produkt, passt zu ihm. Und der Entwurf hat – so Kauer – gerade mal eine halbe Stunde in Anspruch genommen.
Und um noch schnell ein Wort zu den Ressschen Etiketten zu verlieren, mustergültige Vertreter meiner Etikettentheorie.
Zurück zu Kauer, vollends hat er mich für sich eingenommen, als wir feststellen, dass auch er ein Fan von Frank Zappa ist. Ein Zappafan kann weder ein schlechter Mensch und schon gar kein schlechter Winzer sein – so! Und seine Weine, die sich durch die gleiche Zurückhaltung auszeichnen, wie er selber, mag ich schon seit längerem. Das sind keine Knaller, die gleich mit Pomp and Circumstance auftauchen, das sind Little Feats, kleine Kunstwerke.
Und welcher war nun besser?
Dass es nur einen richtigen Weg, nur eine richtige Antwort geben kann, das mag vielleicht ein Mathematiker so sehen, aber selbst die Mathematik kommt ja irgendwann an den Punkt, an dem es mit der Eineindeutigkeit zu Ende ist. Sogar der Begriff Eineindeutig hat in der Mathematik zwei unterschiedliche Bedeutungen. Bevor ich mich allerdings auf mathematischem Terrain, das nachgewiesenermaßen aber mal gar nicht zu meinen Kernkompetenzen zählt, verzettele, geb ich lieber was ins Glas und zwar
2011 Hattenheimer Nussbrunnen Qualitätswein
Weingut Balthasar Ress, Rheingau
"Da müsst Ihr ja jetzt was riechen!" so die Ansage des Probenmoderators und wer da kein Walnussaroma in der Nase hatte, dem war sicher nicht zu helfen. Immerhin saßen wir ja auch unter zwei großen Walnussbäumen im Garten. Insofern lasse ich das mit dem Nussaroma mal dahin gestellt sein lassen, aber neben zarten Fruchttönen war eine feine Mineralnote erkennbar, klare geschliffene etwas karamellige Süße, Zitrus- und Steinobst, gestützt von feiner Säure und guter Abgang.
und ins zweite Glas kommt
2011 Oberdiebacher Fürstenberg Riesling Spätlese
Weingut Dr. Randolf Kauer, Mittelrhein
Hier mussten wir nichts auf Ansage riechen, es wäre aber kein Wunder gewesen, wenn alle gleich "Schiefer" gerufen hätten. Die Kauersche Terrasse liegt direkt am schattigen Schieferfelsen. Der Wein zeigte sich in der Nase zunächst recht verhalten, gab dann aber ein fein verwobenes etwas rauchig mineralisches Aroma und angenehm weichen Pfirsichduft frei. Am Gaumen intensive Pfirsichnote, feine Fruchtsüße, klare geschliffene Säure, nachhaltig am Gaumen und mittellanger Abgang.
Die Kauerschen Weine werde ich allesamt, selbst den Kabinett, erst mal mindestens ein wenn nicht zwei Jahre in den Keller verfrachten und dort ruhen lassen, ich glaube, erst dann präsentieren sie sich abgerundet und fertig. Bei den Ress Weinen, zumindest den Kabinetten und drunter, kann man durchaus dieses Jahr schon ran.
Prost
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
James Bond in From Russia with Love
