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Eigentlich wollte ich ja heute mal das Thema "Konsequenz" thematisieren, z.B.die Konsequenz mit der ich postulierte, dass ich Halloween aber so was von ignoriere und dann stand gestern Abend so ein niedlicher kleiner zahnlückiger Fratz im Mönchskostüm vor der Türe und piepste nervös "Süßes, sonst gibt's Saures!" Da hab ich unseren Gummibärchenvorrat schwester- (oder sollte ich schreiben "mütterlich" ) mit ihm geteilt.
Oder das Thema "Nein, dieses 2010er Sub-Hype mache ich nicht mehr mit, das ist doch alles nicht mehr angemessen" und dann fanden doch ein paar Flaschen den Weg in unseren Keller.
Ich halte es eben gerne mit Erich Kästner, der viel Wahres gesagt und geschrieben hat: "Entweder man lebt, oder man ist konsequent!"
Aber dann bin ich bei Dirk Würtz über die aufgebauschte Kontroverse "Werdet erwachsen…" gestolpert und stand einigermaßen fassungslos davor. Erwachsen, so hab ich den Eindruck, wird oft mit einer grimmigen Humorlosigkeit gleichgesetzt. Und so wie Frank Zappa fragte "Does humor belong in music?" (auch hier ist die Rezeption umso humorloser, je anspruchsvoller das Werk, ich sage nur Keith Jarrett) so glaube ich, dass manch einer der Auffassung ist, je besser, anspruchsvoller und komplexer der Wein, desto ernsthafter und strenger seine Rezeption. 82er Las Cases! wehe es lacht einer!
Ehrlich, ich versteh das Problem nicht. Da treffen wohl einige Alleinvertretungsansprüche und Kämpfe um Deutungshoheiten aufeinander und die Frage (à la "I was a punk before you were a punk") wer der bessere, der authentischere, der wahrere Weinliebhaber ist und schon war als der andere noch mit dem Trömmelchen um den Weihnachtsbaum gelaufen ist. Und wer in seiner Wein-Art total auf dem Holzweg ist. Und es werden viele Schubladen aufgezogen, damit jeder in eine hineingesteckt werden kann und da darf er dann drin bleiben, selbst in der Anarchie muss alles seine Ordnung haben, wäre ja noch schöner, wenn sich jeder als Punk gerieren dürfe.
Da darf man so scheint's demnächst nicht mehr im Anzug zur Weinprobe gehen und ohne dass ich mit Tatoo und Nasenpiercing erscheine, verkauft mir wohl niemand mehr eine ordentliche Flasche Wein und ich muss auf feinherben Dornfelder im Liter umsteigen. Und – was noch schlimmer ist – ich muss mich wohl in Grund und Boden schämen, dass ich - ewig-gestrig – meine Tages- und noch einige andere Zeitschriften auf so einem veralteten Trägermedium wie Papier beziehe und lese.
Hach, keine vertrödelten Frühstücke mit Zeitungslesen und dem täglichen Sudoku mehr, susa, das ist uncool und wenn Du so etwas weiterhin pflegst, dann nimmt Dir keiner ab, dass Du einen Bordeaux von einem Burgenländer Blaufränkisch unterscheiden kannst.
Gut, hochparfümierte Damen und Herren, stören mich auch bei Weinproben, aber ob sie im Marc Jacobs Dress oder in der Latzhose erscheinen, ist mir ehrlich gestanden wurscht. Und ob sie den Wein wirklich verstehen und schätzen oder nur um einer gesellschaftlichen Konvention oder der Steigerung des eigenen sozialen Marktwertes willen konsumieren, geschenkt. Es ist genug Wein für alle da, Winzer und Händler wären schlecht beraten, wenn sie irgendeine Zielgruppe um irgendwelcher nebulösen tieferen oder höheren – wie man's nimmt - Werte willen ausschließen würden.
Es ist schön, dass vor allem durch die schnell verfügbaren Informationen in den modernen Medien, jeder den Zugang zum Wein finden kann, der zu ihm passt, ob in Form von hochkonspirativem Freimaurertreffen mit eigener Geheimsprache, oder in lockerem Zusammensein mit guten Freunden, leise, in sich gekehrt oder laut, deftig, knallig. Solange ich meinen Lieblings-Figeac nicht aus der Flasche oder mit Eiswürfeln trinken muss, nur zu.
Gleiches gilt für die Medien. Klar, die schreibende Zunft verteidigt ihr Territorium und sieht zunächst mal in allen anderen Kommunikationsformen den Erbfeind und würde am liebsten das Schreiben/Kommunizieren über Wein ganz alleine unter sich ausmachen. Allein, deswegen werden sie die Entwicklung nicht aufhalten. Die Kuchenstücke werden kleiner, die unterschiedlichen Medien werden alle ihr Teil davon abbekommen, das Säbelgerassel sorgt ein paar Tage für Aufregung, wird aber weder etwas ändern noch die Uhr zurück drehen. Der Markt wird's richten, ob uns das gefällt oder nicht.
Allerdings zeigt es mir eines ganz deutlich. Manchmal sind wir alle zu tief drin und sind bis zur Humorlosigkeit betriebsblind. Wir sollten alle mal hin und wieder einen großen Schritt zurück treten, tief Luft holen und uns und unsere Leidenschaften mit der Brille eines Außenstehenden betrachten. Und dann müssen wir wahrscheinlich laut lachen und werden in der Art einer guten Kindergärtnerin ausreichend Förmchen und Schäufelchen im Sandkasten verteilen und zusehen, dass jedes Kind einen Sandhaufen zum bearbeiten hat. Dann ist eine Zeitlang wieder Ruhe und man kann sich den wichtigen Dingen zuwenden. Zum Beispiel denen, was wir heute trinken.
Bordeaux kann man ja immer trinken, selbst im Hochsommer und selbst zum gegrillten Marshmellow (sagt Herr susa, ich ersetze das Marshmellow im Zweifel doch lieber durch ein Ochsenkotelett). Und so gibt es heute für alle Punks, Rocker, Banker im Anzug, Society-Ladies, Opernliebhaber, Rosamunde-Pilcher-Gucker, Sloterdijk-Leser, Weinblogger, Wertkonservative, Realos und Fundis und selbst für den Herrn dahinten in der grauen Shorts und den weißen Frotteesocken in der Ledersandale
2000 Château Haut-Bailly
Pessac-Léognan, Bordeaux
der sollte alle miteinander versöhnen, denn der ist wirklich etwas Besonderes.
Tief dunkelrot im Glas und schon der Duft verspricht wunderbaren Genuss Cassis, Leder, Holz, Rauch, warmer Waldboden nach einem Sommerregen, am Gaumen kraftvoll-elegant erdig, Heidelbeere, Himbeere, Kirsche, Bitterschokolade, zartes Mineral, Tannin noch sehr intensiv aber nicht störend, langer sehr komplexer Abgang.
So einen Wein trink ich nicht alle Tage, er ist ein Highlight, ich möchte ihm gerne einen angemessenen Raum geben und mit Zeit und Muße ihn mit all seinen faszinierenden Facetten aufzunehmen. Ich finde, das hat er verdient.
Ich will in diesen Wein hinein riechen und allen Aromen nachschmecken und freue mich, diesen wunderbaren Genuss mit Gleichgesinnten zu teilen.
Und welche Musik leg ich dazu am besten auf? Vorschläge sind willkommen.
Prost!
Oder das Thema "Nein, dieses 2010er Sub-Hype mache ich nicht mehr mit, das ist doch alles nicht mehr angemessen" und dann fanden doch ein paar Flaschen den Weg in unseren Keller.
Ich halte es eben gerne mit Erich Kästner, der viel Wahres gesagt und geschrieben hat: "Entweder man lebt, oder man ist konsequent!"
Aber dann bin ich bei Dirk Würtz über die aufgebauschte Kontroverse "Werdet erwachsen…" gestolpert und stand einigermaßen fassungslos davor. Erwachsen, so hab ich den Eindruck, wird oft mit einer grimmigen Humorlosigkeit gleichgesetzt. Und so wie Frank Zappa fragte "Does humor belong in music?" (auch hier ist die Rezeption umso humorloser, je anspruchsvoller das Werk, ich sage nur Keith Jarrett) so glaube ich, dass manch einer der Auffassung ist, je besser, anspruchsvoller und komplexer der Wein, desto ernsthafter und strenger seine Rezeption. 82er Las Cases! wehe es lacht einer!
Ehrlich, ich versteh das Problem nicht. Da treffen wohl einige Alleinvertretungsansprüche und Kämpfe um Deutungshoheiten aufeinander und die Frage (à la "I was a punk before you were a punk") wer der bessere, der authentischere, der wahrere Weinliebhaber ist und schon war als der andere noch mit dem Trömmelchen um den Weihnachtsbaum gelaufen ist. Und wer in seiner Wein-Art total auf dem Holzweg ist. Und es werden viele Schubladen aufgezogen, damit jeder in eine hineingesteckt werden kann und da darf er dann drin bleiben, selbst in der Anarchie muss alles seine Ordnung haben, wäre ja noch schöner, wenn sich jeder als Punk gerieren dürfe.
Da darf man so scheint's demnächst nicht mehr im Anzug zur Weinprobe gehen und ohne dass ich mit Tatoo und Nasenpiercing erscheine, verkauft mir wohl niemand mehr eine ordentliche Flasche Wein und ich muss auf feinherben Dornfelder im Liter umsteigen. Und – was noch schlimmer ist – ich muss mich wohl in Grund und Boden schämen, dass ich - ewig-gestrig – meine Tages- und noch einige andere Zeitschriften auf so einem veralteten Trägermedium wie Papier beziehe und lese.
Hach, keine vertrödelten Frühstücke mit Zeitungslesen und dem täglichen Sudoku mehr, susa, das ist uncool und wenn Du so etwas weiterhin pflegst, dann nimmt Dir keiner ab, dass Du einen Bordeaux von einem Burgenländer Blaufränkisch unterscheiden kannst.
Gut, hochparfümierte Damen und Herren, stören mich auch bei Weinproben, aber ob sie im Marc Jacobs Dress oder in der Latzhose erscheinen, ist mir ehrlich gestanden wurscht. Und ob sie den Wein wirklich verstehen und schätzen oder nur um einer gesellschaftlichen Konvention oder der Steigerung des eigenen sozialen Marktwertes willen konsumieren, geschenkt. Es ist genug Wein für alle da, Winzer und Händler wären schlecht beraten, wenn sie irgendeine Zielgruppe um irgendwelcher nebulösen tieferen oder höheren – wie man's nimmt - Werte willen ausschließen würden.
Es ist schön, dass vor allem durch die schnell verfügbaren Informationen in den modernen Medien, jeder den Zugang zum Wein finden kann, der zu ihm passt, ob in Form von hochkonspirativem Freimaurertreffen mit eigener Geheimsprache, oder in lockerem Zusammensein mit guten Freunden, leise, in sich gekehrt oder laut, deftig, knallig. Solange ich meinen Lieblings-Figeac nicht aus der Flasche oder mit Eiswürfeln trinken muss, nur zu.
Gleiches gilt für die Medien. Klar, die schreibende Zunft verteidigt ihr Territorium und sieht zunächst mal in allen anderen Kommunikationsformen den Erbfeind und würde am liebsten das Schreiben/Kommunizieren über Wein ganz alleine unter sich ausmachen. Allein, deswegen werden sie die Entwicklung nicht aufhalten. Die Kuchenstücke werden kleiner, die unterschiedlichen Medien werden alle ihr Teil davon abbekommen, das Säbelgerassel sorgt ein paar Tage für Aufregung, wird aber weder etwas ändern noch die Uhr zurück drehen. Der Markt wird's richten, ob uns das gefällt oder nicht.
Allerdings zeigt es mir eines ganz deutlich. Manchmal sind wir alle zu tief drin und sind bis zur Humorlosigkeit betriebsblind. Wir sollten alle mal hin und wieder einen großen Schritt zurück treten, tief Luft holen und uns und unsere Leidenschaften mit der Brille eines Außenstehenden betrachten. Und dann müssen wir wahrscheinlich laut lachen und werden in der Art einer guten Kindergärtnerin ausreichend Förmchen und Schäufelchen im Sandkasten verteilen und zusehen, dass jedes Kind einen Sandhaufen zum bearbeiten hat. Dann ist eine Zeitlang wieder Ruhe und man kann sich den wichtigen Dingen zuwenden. Zum Beispiel denen, was wir heute trinken.
Bordeaux kann man ja immer trinken, selbst im Hochsommer und selbst zum gegrillten Marshmellow (sagt Herr susa, ich ersetze das Marshmellow im Zweifel doch lieber durch ein Ochsenkotelett). Und so gibt es heute für alle Punks, Rocker, Banker im Anzug, Society-Ladies, Opernliebhaber, Rosamunde-Pilcher-Gucker, Sloterdijk-Leser, Weinblogger, Wertkonservative, Realos und Fundis und selbst für den Herrn dahinten in der grauen Shorts und den weißen Frotteesocken in der Ledersandale
2000 Château Haut-Bailly
Pessac-Léognan, Bordeaux
der sollte alle miteinander versöhnen, denn der ist wirklich etwas Besonderes.
Tief dunkelrot im Glas und schon der Duft verspricht wunderbaren Genuss Cassis, Leder, Holz, Rauch, warmer Waldboden nach einem Sommerregen, am Gaumen kraftvoll-elegant erdig, Heidelbeere, Himbeere, Kirsche, Bitterschokolade, zartes Mineral, Tannin noch sehr intensiv aber nicht störend, langer sehr komplexer Abgang.
So einen Wein trink ich nicht alle Tage, er ist ein Highlight, ich möchte ihm gerne einen angemessenen Raum geben und mit Zeit und Muße ihn mit all seinen faszinierenden Facetten aufzunehmen. Ich finde, das hat er verdient.
Ich will in diesen Wein hinein riechen und allen Aromen nachschmecken und freue mich, diesen wunderbaren Genuss mit Gleichgesinnten zu teilen.
Und welche Musik leg ich dazu am besten auf? Vorschläge sind willkommen.
Prost!
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
James Bond in From Russia with Love