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Auf ein Glas ..... 2010 Gewürztraminer Amistar, P. Sölva

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2010 Gewürztraminer Amistar, P. Sölva

BeitragDi 18. Okt 2011, 09:40

Wir waren mal wieder eingeladen. Und dabei eilt uns immer so ein Ruf voraus, der mir inzwischen wirklich ein wenig peinlich ist. Die Köch/e/innen legen sich ins Zeug, als gelte es, einem Harald Wohlfahrt zu zeigen, wo Bartel den Most holt, und die mit der Weinbeschaffung befassten Familienmitglieder googlen sich die Finger wund, weil man will uns ja etwas bieten und unter 25€ kommt da keine Flasche an den Tisch. *seufz

Liebe Leute, mal so ganz allgemein, Freude am Kochen und guten Essen und feinem Wein ist doch keine olympische Disziplin, bei der es nur um das bigger-better-faster-more geht! Auch ein lustiges Fondue Bourgignon mit Fleischklauen und Schnapserlrunde macht riesig Spaß. Und wer hat denn das Gerücht in die Welt gesetzt, dass man mich mit Grünkohl und Mettwurst verjagen kann, oder dass Puttes mir nicht angemessen ist? :shock:

Puttes? werden sich jetzt ungefähr 90% der Leserschaft fragen, was ist das denn schon wieder? Och herm, kann ich da nur sagen. ;)

Puttes ist inzwischen eine geschützte regionale Bezeichnung, AOC zusagen, und zeigt, dass die Aachener schneller waren als die Kölner, denn die haben ihren Flönz nicht schützen lassen. Puttes ist eine Blutwurst und jede gute Aachener Metzgerei hat ihr eigenes Rezept und Puttes ist eigentlich auch ein Gericht, welches man in der Domstadt unter Himmel un Ääd kennt, also geschmorte Äpfel und Zwiebeln, Kartoffelstampf und gebratene Blutwurst, manchmal noch von Kochleberwurst begleitet (merke: Köln hat einen Dom und Aachen hat ein Münster, selbiges ist endlich von Baugerüsten befreit und erstrahlt frisch renoviert in Atem beraubender Schönheit).

Die Frage, welches Getränk sich denn mit Puttes am besten vermählt, darf natürlich nicht unbeantwortet bleiben. Drink local! wäre die korrekte Antwort und da die Stadt Aachen keinen rührigen (manchen rührte er ja zuviel in allen Töpfen rum) ehemaligen Regierungspräsidenten sein eigen nennt, der Wein anbaut, muss man sich wohl an das lokale Bier halten und das Degraa dazu genießen. Es hat große Verwandtschaft mit dem Düsseldorfer Altbier und gehört aber inzwischen der Kölner Dombrauerei, weswegen der Wahlspruch "Oecher drenkt Oecher Bier!" mittlerweile einen so schalen Beigeschmack hat, wie ein abgestandenes Degraa. In aller Oecher Munde ist ansonsten noch der Degraa-Werbespruch "Opa wurde hundertjährig – stets trank er Degraa obergärig!", dem der Volksmund schnell hinterher dichtete "Oma wurde hundertzehn – sie hat Degraa nie gesehn!".

Aber es sollte doch mit dem Leibhaftigen (der beim Bau des Oecher Münsters eine entscheidende aber nicht gerade ruhmreiche Rolle spielte, so die Sage) zugehen, wenn man zum Puttes nicht auch einen feinen Wein finden würde.

Für meinen Geschmack müsste der Wein durchaus Süße haben, sowie Schmelz und Gewürz, um sich der herzhaften Süße des Gerichtes anzupassen und dazu ist sicher kaum ein Wein besser geeignet, als mein neuer Freund, der Gewürztraminer, den ich in Südtirol als fast universellen Essensbegleiter kennengelernt habe. In einigen Puttes (ich gehe davon aus, dass es sich grammatikalisch um ein Singulare tantum handelt und nicht etwa der Puttes/die Puttesse heißt) sind viele Gewürzaromen, die sich auch im Gewürztraminer finden, so zum Beispiel Pfeffer, Zimt, Muskat oder Macis und Nelken, dazu noch die Süße der geschmorten Zwiebel und Äpfel, und ein vernünftiger Kartoffelstampf – hier an Butter nicht gespart – das alles braucht einen schmelzig-kräftigen Weinbegleiter.

2010 Gewürztraminer Amistar
Peter Sölva & Söhne, Südtirol


Den habe ich am lauen Spätsommerabend auf dem Marktplatz in Kaltern genossen. Es gibt dort eine kleine Vinothek mit Außenbestuhlung, bei der fast alle Weine der örtlichen Erzeuger glasweise ausgeschenkt werden, man kann dabei dem regen Treiben auf dem Marktplatz zusehen, die gegenüberliegende Eisdiele, die auch jeden Tag einmal besucht werden muss, fest im Blick, und das Urlaubsspielchen "Touristenraten" spielen. Das geht so: Man wird eines eindeutig als Touristen erkennbaren Menschen ansichtig und rät "Engländer, pensionierter Bankangestellter" wohingegen der beste aller Ehemänner mit "Versicherungsvertreter Deutschland" kontert. Meistens bleiben die Rätsel unaufgelöst, in selbigem Fall deutete die Sprache bei Näherkommen auf Dänemark hin und wer weiß, vielleicht war der Herr auch Dachdeckermeister oder Taxifahrer.

Das zweite Spielchen ist "Wer hat die bessere Weinwahl getroffen?" denn natürlich probiert jeder mal beim anderen und manchmal muss man schon arg aufpassen, dass man die Gläser nicht ähnlich wie beim Hütchenspielen so oft hin- und herschiebt, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, welches Glas nun welchen Wein enthält. Dagegen hilft, sehr unterschiedliche Weine zu bestellen, also z.B. einen Lagrein und einen Gewürztraminer bzw. Herr susa hatte an diesem Abend einen Merlot Riserva aus dem Hause Brigl und war auch nicht unzufrieden.

Der Gewürztraminer war ein Ausbund an filigranen Aromen, die erstmal die Nase kitzelten: Rosenblätter, Gewürznelke, Zimt, Muskat, Trockenfrüchte, und am Gaumen weich und schmelzig, dabei sehr saftig, komplex, Honignoten, Gewürz, reife Birne und ein recht lang anhaltender Abgang.

Zu einfachen Gerichten komplexe Weine, auch wenn der Wein vielleicht ein wenig zu wuchtig ist, mir würde sein feines Süße-Säure-Zusammenspiel gut zur gebratenen Blutwurst und ihren unvermeidlichen Begleitern gefallen. (und ich kann mich sehr ärgern, dass ich mir davon nicht noch was mitgenommen habe)

Prost!
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love

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