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Auf ein Glas ..... 2000 Château de Chausse, AOC Provence

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2000 Château de Chausse, AOC Provence

BeitragDi 11. Okt 2011, 07:34

Jeder von uns hat so seine Gewohnheiten, z.B. die, die Tageszeitung nicht wie es der politisch aufgeklärte und informierte Bürger tut, von vorne nach hinten zu lesen, also in der Reihenfolge nationale und internationale Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Vermischtes, dann Lokales und Anzeigen. Ich zum Beispiel fische immer zuerst die Prospektbeilagen raus, bemerke einmal pc "So 'ne Menge Papier" und widme mich als erstes dem Studium gnadenlos günstiger Elektrogeräte, Cordhosen oder Küchenausstattung, erst dann geht es an die Zeitung. Meine Schwiegermutter nahm sich immer als erstes die Lokalseiten und die Familienstandsanzeigen vor und in anderen Familien entbrennt als erstes der Kampf um das tägliche Sudoku oder Kreuzworträtsel.

Die Gewohnheit, beim Essen die köstlichsten Stücke ganz bis zum Schluss aufzuheben und dann mit Genuss zu verspeisen konnte ich als Schwester dreier Brüder nicht festigen, einer war immer darunter, der – mit gleichen kulinarischen Vorlieben versehen – blitzschnell mit der Gabel über den Tisch langte "das isst Du wohl nicht mehr, wie?" und weg war das köstliche Schnitzel oder Kuchenstück, von dem ich dann nur den ungeliebten Rand abbekommen hatte.

Weinliebhaber erkennt man übrigens an der Gewohnheit, was immer sie für Flüssigkeiten im Glas haben, dass sie riechen und schwenken und riechen und schwenken, wem von uns wäre das nicht schon mit hundsgemeinem Mineralwasser passiert oder Orangensaft; bisher sind meiner Beobachtung nach nur Heißgetränke von dieser Geste verschont geblieben.

Am Wochenende hatten wir liebe Freunde zu Besuch und konnten ausgiebig riechen und schwenken, zur Zickleinkeule (aux 40 gousses, also mit reichlich Knoblauch) gab es einen meiner Lieblingsweine aus meiner "zweiten Heimat", dem Süden Frankreichs, dem begnadeten kleinen Küstenstreifen um die Presqu'île de St. Tropez

2000 Château de Chausse (Magnum)
Côtes de Provence AOC


Ein Weingut, das seit 1986 Jahren in La Croix-Valmer einem kleinen und eher unspektakulären Städtchen ansässig ist und zwar genau seit dem Jahr, in dem auch wir zum ersten Mal in diesem Ort unseren Urlaub verbrachten, in diesem Jahr feiern wir also beide sozusagen unser provenzalisches Silberjubiläum.

Das Gut gehört einem Schweizer Ehepaar, das sich den Traum vom eigenen Weingut im Süden Frankreichs erfüllt hat und dafür irgendwann den gesicherten und lukrativen Job (ich meine mich zu erinnern, es war Unternehmensberatung) aufgegeben hat. Das kann für den Weinbau des kleinen Ortes getrost als Glücksfall angesehen werden, ähnlich wie auch von Prof. Henning Hoesch und seiner Domaine de Richeaume ein Impuls auf Puyloubier und die Weinwelt um die Montagne Ste. Victoire ausging (mit heilsamen Einflüssen auf die Qualität), so auch hier, wenn auch in eher bescheidenerem Maße.

Die Rotweine von Château de Chausse haben alle eine für Weine dieser Gegend erstaunliche Lagerkapazität, ich habe noch keinen getrunken, der nicht seine je nach Jahrgang 8 bis 12 Jahre mit Vergnügen zu trinken war, normalerweise sollten die Roten dort nach spätestens 5 Jahren getrunken sein. Die allermeisten roten Chausses sind Cuvées aus überwiegend Syrah und Cabernet Sauvignon (in den ersten Jahren war auch mal Grenache und Cinsault vertreten, aber die gehen jetzt nur noch in den Rosé). Madame Schelcher ist ganz verliebt in die Syrah, das ist "ihre Rebsorte", die Weine zeichnen sich als Markenzeichen des Hauses durch eine intensive Note von schwarzer Olive aus. Damit eigenen sie sich perfekt als Begleiter zu den lokalen Gerichten und es nimmt auch nicht wunder, dass sie sich dort unten fast überall in der ambitionierten Gastronomie finden.

Der Wirt, der einen spannenden und einzigartigen Wein für das Basissegment seiner Karte sucht, ist mit den Chausse-Weinen bestens bedient und so finden sich die Weine auf der Karte von Trüffelpapst Bruno in Lorgues (der mal eine eigene Erzählung wert ist, nicht nur wegen des Essens, Bruno – was übrigens sein Nach- und nicht sein Vorname ist, mit Vornamen heißt er Clement – ist ein veritables Original). Auch in der Rotonde, dem Bistro des Negresco in Nizza findet sich der Wein, oder in der Villa Belrose in St. Tropez oder meiner diesjährigen Neuentdeckung, dem Restaurant Le Rastègue in Bormes Les Mimosas, das einen Besuch wert ist (und das einen sehr freundlich kalkulierten Figeac auf der Karte hat, weswegen ich dieses Jahr dort dem Vorsatz, lokale resp. regionale Weine zu trinken, untreu werden musste).

Zurück zu Château de Chausse, ich bringe mir jedes Jahr ein paar Weine mit und es besteht keinerlei Befürchtung bezüglich Grenzkrankheit, eine lieb gewordene Gewohnheit ist auch, von jedem Jahrgang eine Magnum mitzunehmen. Vor einigen Jahren, als wir dort waren, waren die Großformate noch nicht gefüllt, aber Madame versprach uns, wir könnten uns am Folgetag unsere Magnum abholen kommen. Sie wurde eigenes für uns abgefüllt, ein in der Eile etwas schief geklebtes Etikett zeugt noch davon.

So, nun aber endlich zur Beschreibung des Weines. Er war auf den Punkt perfekt. Selten hat man das Glück, einen Wein genau auf diesem Höhepunkt zwischen aromatischer Vielfalt, wunderbar abgebautem Tannin, schmeichelnder Textur und fast schon imposanten Abgang zu trinken. Hier passte einfach alles, angefangen von der tief dunklen Farbe, die schon einen ganz kleinen Wasserrand zeigt, einem umwerfenden Duft von dunklen Beerenfrüchten, reifer Kirsche, schwarzer Olive, Gewürzen, Tabak; am Gaumen schmeichelnd und samtig Beeren- und Olivenaromen, Schokolade, Tabak, Mineral und ein dichter sehr komplexer mittellanger Abgang.

Und die normalen Rotweine (es gibt noch einen sehr feinen reinrebigen Syrah, dem höchstens 3% anderes beigemischt ist) kosten um die 10€, das ist für diese überhypte Côte d'Azur fast geschenkt! Manches was da schon an die 20€ tippen will, kann diesen Weinen das Wasser nicht reichen.

Prost!
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love

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