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Auf ein Glas ..... 2010 Les Calcinaires blanc, Dom.d. Gauby

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2010 Les Calcinaires blanc, Dom.d. Gauby

BeitragDi 26. Jul 2011, 08:34

Man muss ja heutzutage so vorsichtig sein, überall lauern Fallstricke und irgendwer findet immer ein Haar in der Suppe. Ich glaube, es gibt Menschen, die lesen Texte nicht, um sich zu informieren oder zu amüsieren, sondern nur, um zu untersuchen, ob es darin irgendetwas Beanstandenswertes gibt, auf das man gleich mal mit moralisch erhobenem Zeigefinger hinweisen kann.

Als ich noch in einem großen Forum die kleine Weinecke betreute zum Beispiel, da war man in der Regel und den allermeisten Fällen fein unter sich und tauschte sich über Weine aus und hatte seinen Spaß. Aber wehe, es fiel die Vokabel "Kindermord", eine – wie man ja in Fachkreisen und solchen, die sich dafür halten, weiß - in der Weinwelt gängige Bezeichnung für den Umstand, dass man einen Wein lange vor seiner Genussreife trinkt, um dann festzustellen, dass der Wein noch einige Zeit ruhen und reifen sollte.

In diesem Falle fielen innert kürzester Zeit alle zart besaiteten Mütter mit Wucht über uns her, wie man mit solch ungeheuerlichen Verbrechen wie dem Mord an einem unschuldigen Kinde so gedankenlos umgehen könne, schämen sollten wir uns, jawohl. Und alle, dem ambitionierten Weintrinker allenthalben entgegengebrachten Vorbehalte und Animositäten wurden über uns ausgekippt.

Seltsamerweise ist die Friedensbewegung niemals dort aktiv aufgetreten, wenn von "Granaten" oder "Frucht- bzw. Alkoholbomben" die Rede war, ist doch auch eine martialische Bezeichnung.

Und nie hat ein Germanist darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung "Etikettentrinker" irreführend sei, denn es sei ja immer noch der Wein und nicht das Etikett, das getrunken werde.

Der Wunsch oder auch die Notwendigkeit, sich unangreifbar und stets politisch korrekt auszudrücken gebiert somit oft ziemliche Wort- und Satzungetüme, denen es an Eleganz und Pfiff mangelt und so nimmt es nicht Wunder, dass sich manche Texte so mühsam lesen, dass niemand sich bis zu ihrem Ende durchquälen mag.

Wenn ein Politiker seine Wählerschaft (und Wählerschaftinnen?) einmal mit "Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger!" begrüßt ist das vollkommen in Ordnung, wenn aber in jedem zweiten Satz und bei jeder auch nur ansatzweise als männlich zu deutenden Vokabeln gleich zwei Varianten abgesondert werden oder neutrale Kunstworte erfunden werden, Mann Mann (*öhhhm Frau Frau), dann wird es einfach nur noch langweilig. Der Witz: "Willkommen zum Mittagsmagazin, liebe Hörer, guten Morgen, liebe Studenten" hat Pfiff, in der Formulierung "Willkommen zum Mittagsmagazin, liebe Hörerinnen und Hörer, guten Morgen, liebe Studierenden!" hat schon entschieden an Charme eingebüßt.

In letzter Zeit wird ja mal wieder viel und heftig über die Weinkritik und Veröffentlichungen zum Thema Wein diskutiert, darf eine Weinbeschreibung poetisch sein, wie hoch ist der zulässige Fremdwortanteil, darf man profane Vokabeln wie "lecker" oder "trinkig" verwenden, wer darf überhaupt über Wein schreiben und warum. Sind Weinblogger der Untergang der Weinkritik und des westlichen Abendlandes?

Ich plädiere da für mehr Lockerheit und unaufgeregteren Umgang miteinander. Und ich erkläre hiermit ein für alle mal, dass ich wenn ich Worte wie "Weintrinker" und "Weinliebhaber" benutze, natürlich auch die Weintrinkerinnen und Weinliebhaberinnen meine, dass ich niemals vorhatte, Etiketten zu trinken (die allermeisten Bebberl bekommt man heutzutage sowieso nicht mehr von den Flaschen runter, die Zeiten der Etikettenalben sind lange vorbei) oder dazu anzuregen , mit Fruchtbomben zu werfen, ja noch nicht mal mit Wattebäuschen. Und, jetzt muss ich dann leider eine sehr sehr schlechte Eigenschaft von mir öffentlich bekennen und gleich mal um Generalabsolution bitten, manchmal ist mir eine gute Pointe, ein funkelnder Aphorismus, ein kleiner gezielt abgeschossener Pfeil lieber als unangreifbare gequälte Wortungetüme.

Insgesamt ist ja das Kindermordpotenzial gemessen an der Gesamtheit aller produzierten Weine eher gering, die allermeisten Weine können (und nicht wenige sollten das auch) in den ersten zwei oder drei Jahren nach Abfüllung getrunken werden.

Dann trinken wir heute mal so einen, bei dem man sich über die Alterungsmöglichkeiten eher keine großen Gedanken machen muss, auch wenn es nicht dramatisch eilt.

2010 Les Calcinaires
Domaine Gauby, Vin du Pays des Côtes Catalanes

Den gibt es in rot und in weiß und beide sind mir im Augenblick gute Begleiter dieses Sommers, der sich doch sehr bitten lässt. An ganz kalten und regnerischen Tagen gibt es den roten und an Tagen wie gestern, an denen es hier mal nur ein ganz klein wenig geregnet hat und nachmittags sogar die Sonne herausgekommen ist, da gibt es den weißen.

Der weiße macht richtig Spaß und bietet für seine um die 12.00€ ein wirklich großartiges Trinkvergnügen. Die verwendeten Rebsorten sind Muscat, Macabeu (die kennt man aus Spanien vor allem im Zusammenhang mit der Cava-Herstellung kennt) und Chardonnay.

Der Wein ist von blassem Gelb und duftet zart und frisch und ein wenig floral, am Gaumen weiß er zu überzeugen, hier entstehen frische Aromen nach exotischen Früchten wie Lychee, Grapefruit und Limette und frischen Kräutern, Zitronenmelisse, Minze. Das Hauptmerkmal dieses Weines ist seine strahlende Frische, seine Fruchtigkeit, angenehme Säure und ein wenig Biss, Mineral und ein guter komplexer Abgang. Ein feiner Sommerwein, der mehr ist, als nur ein schnelles unkompliziertes Trinkvergnügen, ein Wein mit eigener Persönlichkeit.

Nachdem wir schon die 2008er und 2009er zu unseren Lieblingssommerweißweinen erklärt hatten, befürchteten wir schon, dass eine erhöhte Nachfrage zu Qualitätseinbußen führen würde. Zumal die Bestellung ziemlich lange auf sich warten ließ, so lange, dass einer der zahlreichen Händler mV mir freiwillig eine Stornierung anbot. Gut, dass ich mich da nicht drauf eingelassen habe, der 2010er reiht sich würdig in die Reihe seiner Vorgänger ein.

Prost!
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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Weinzelmännchen

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Re: Auf ein Glas ..... 2010 Les Calcinaires blanc, Dom.d. Ga

BeitragDi 26. Jul 2011, 08:44

Hallo susa!

Was die political correctness der Sprache mitunter antut, ist gar abscheulich. Eines meiner Lieblingsbeispiele für ein verhunztes Deutsch ist ein bei uns in Österreich in Geltung stehendes Gesetz, das - so wird es wirklich ganz offiziell geschrieben - ArbeitnehmerInnenschutzgesetz heisst. Ich frage mich immer, was so ein Gesetz wohl regelt? Enthält es (Schutz-)Vorschriften für Arbeitsplätze, die in Gebäuden gelegen sind? Gibt es für Arbeitsplätze im Freien keine gesetzlichen Regelungen? Wann wird endlich ein ArbeitnehmerAußenschutzgesetz erlassen?

Und das Alles nur, weil irgendwelche Dödel meinen, political correctness geht vor sprachlicher Verständlichkeit!
MvG
(Mit vinophilen Grüssen)

Daniel

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