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Deutschland 2018

Berichte, Erfahrungen, Prophezeiungen
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EThC

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Re: Deutschland 2018

BeitragDi 5. Mär 2019, 15:46

Düsseldorfer Nacktarsch hat geschrieben:Deswegen wollte ich hier jetzt mal die Meinung der erfahreneren Leute im Forum dazu hören.

Das mit der Erfahrung möchte ich hinsichtlich meiner Person nicht allzu hoch hängen, aber ganz banal kann man sagen: je wärmer das Jahr, desto reifer die Trauben, je reifer die Trauben, desto geringer die Säure. Das ist zwar ein bißchen platt, weil absoluter sowie relativer Zucker- und Säuregehalt von recht vielen Faktoren mit beeinflußt werden und das Ganze ja auch rebsortenabhängig ist. Aber deutlich mitentscheidend ist gerade auch in warmen Jahren der Lesezeitpunkt. Wer da vorrangig begeistert auf die Öchsles schaut, hat dann ggf. ein Säureproblem und die Weine werden breit und anstrengend. Das konnte man in 2015 auch vielerorts beobachten, am negativsten ist mir das in dem Jahr in A im Donauraum aufgefallen. Andererseits haben in dem Jahr auch viele Winzer dennoch frische Weine hinbekommen, zumindest von ein paar hab' ich die Auskunft bekommen, daß das auch ohne Aufsäurern funktioniert hat; in welchem Umfang das Säuern aber in 15 tatsächlich erlaubt war und auch gemacht wurde, weiß ich leider nicht...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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niers_runner

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Re: Deutschland 2018

BeitragDi 5. Mär 2019, 19:00

EThC hat geschrieben: in welchem Umfang das Säuern aber in 15 tatsächlich erlaubt war und auch gemacht wurde, weiß ich leider nicht...

wie UliB oben schon geschrieben hat, seit der Jahrtausendwende gab es deutschlandweit in jedem Jahr entweder die Erlaubnis zum aufsäuern oder zum entsäuern.

Beste Grüße

Peter
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragDi 5. Mär 2019, 19:33

niers_runner hat geschrieben:[...] seit der Jahrtausendwende gab es deutschlandweit in jedem Jahr entweder die Erlaubnis zum aufsäuern oder zum entsäuern.

Hallo Peter,

anders als zum Aufsäuern braucht es zum Entsäuern in Deutschland keine besondere Genehmigung, das ist immer erlaubt. Das mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, aber die Weingesetzgebung stammt halt aus einer Zeit, in der das Aufsäuern wohl nur höchst selten erforderlich war, aber das Entsäuern ziemlich regelmäßig nötig wurde.

Außerdem mag hinter der unterschiedlichen Handhabung der Gedanke stehen, dass es weniger "schlimm" ist, dem Wein etwas zu entziehen, als etwas zuzusetzen, was in den Trauben nicht enthalten war und auch nicht bei der Gärung entsteht. Dieser Naturweingedanke hat in Deutschland eine sehr lange Tradition und erlebt gerade eine Weiterung, nämlich im Bezug auf zugesetzten Schwefel.

Diese Diskussion wird sich in absehbarer Zeit verschärfen - wenn nämlich Techniken zur Entalkoholisierung breiter verfügbar und auch angewendet werden. Da holt man wie bei der Entsäuerung ja auch nur etwas heraus und gibt nichts hinzu...

Der letzte Jahrgang, bei dem in D großflächig entsäuert wurde, war übrigens 2010. Jahrgänge, die für eine Aufsäuerung in Frage kommen und in denen diese zumindest hier und da praktiziert wurde, gab es aber seit 2000 wesentlich häufiger. Und was 2018 betrifft, würde ich wetten: zumindest in den südlicheren Weinbaugebieten wird das ziemlich regelmäßig geschehen sein.

Gruß
Ulli
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Leo

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Re: Deutschland 2018

BeitragMi 6. Mär 2019, 18:08

Hallo Ulli,

zunächst einmal sage ich danke für Ihre stets fundierten und interessanten Beiträge in diesem Forum.
Zum Thema "Deutschland 2018" und die erneute Zulassung der Most-und Weinsäurung gibt es auch von mir ein paar Anmerkungen:

Anders als in D, wo mit dem 71er Weingesetz auch Anreicherung und Entsäurung in feste Bahnen gelenkt wurden,schuf man quasi als Ausgleich für Länder wie Italien, Frankreich uns Spanien insbesondere die Zulassung von Säurungsmaßnahmen durch Brüssel. Die Säurung ist in diesem Ländern bis heute gelebte Normalität ( das gilt sehr wohl auch für viele Anbaugebiete in Übersee).

Ich habe beruflich in D immer wieder mit Winzern zu tun und glaube zumindest, so auch über einiges Insiderwissen zu verfügen.

Daß in der Ernte 2018 auch in D teilweise aufgesäuert werden mußte ( mit Wein- bzw. Apfelsäure vorwiegend ) war wohl überwiegend dem heißen und trockenen Sommer und auch Herbst geschuldet.
Ich kenne aber auch Beispiele, wo Winzer durch intelligentes Laubmanagement ( wenig Laubschnitt bedeutet Beschattung der Trauben und stark verringerte Temperturen auf der Beerenhaut) , kluge Leseplanung und extreme Kontrolle bei der Traubenverarbeitung auf Säurungsmaßnahmen weitgehend verzichten konnten.
Mit extremer Kontrolle bei der Traubenverarbeitung meine ich Ganztraubenpressung bis höchstens 1 bar Pressdruck bei ständiger Prüfung der Mostsäuregehalte. Bei steigendem Pressdruck verringerten sich
Mostsäuren in 2018 ganz rapide, das konnten durchaus 3 bis 4 Gramm pro Liter sein.Deshalb war ein Preßdruck über 1 bar aus qualitativer Sicht wohl keine gute Entscheidung. Die richtigen Entscheidungen in der Kelterhalle
da immer zu treffen und schnell zu handeln,war für die Kellermeister in der allgemeinen Erntehektik gewiß nicht einfach.
Die 18er Jungweine aus sanfter Pressung können mich bislang voll überzeugen. Sie sind überaus stimmig, in keinster Weise langweilig oder alkohollastig und werden uns Weinfreunden gewiß über lange Jahre viel Trinkspaß bereiten. Gewußt wie halt! Von Topwinzern dürfen wir auch die Fähigkeit erwarten, mit extremen Jahrgängen gut und überlegt umgehen zu können.

Namen nenne ich jetzt aber keine, die Weinfreunde schmecken das Gute und das Beste übers Jahr von alleine raus.

Gruß Leo
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragMi 6. Mär 2019, 19:06

Leo hat geschrieben:zunächst einmal sage ich danke für Ihre stets fundierten und interessanten Beiträge in diesem Forum.

Danke für die Blumen... :oops:
Anders als in D, wo mit dem 71er Weingesetz auch Anreicherung und Entsäurung in feste Bahnen gelenkt wurden,schuf man quasi als Ausgleich für Länder wie Italien, Frankreich uns Spanien insbesondere die Zulassung von Säurungsmaßnahmen durch Brüssel.

Das ist richtig. Aber es steht immer noch im Ermessen der zuständigen deutschen Behörden, die Aufsäuerung in einem Jahr zu genehmigen oder nicht. Und hier ist mittlerweile aus einer Ausnahmeregelung so etwas wie eine ständige Genehmigung geworden. Ich habe mal ein wenig im Web gesucht: Flächendeckende Genehmigungen wurden in Deutschland in 2018, 2017, 2016, und 2015 erteilt. Für die Jahre davor sind die Informationen im Netz leider etwas spärlich, aber es sieht so aus, als wenn diese Genehmigungen zumindest für 2003 (das war das erste Jahr), 2005, 2006, 2007, 2009, 2011 und 2012 ebenfalls erteilt wurden. Und besonders skurril: selbst im an und für sich säurereichen Jahr 2013 gab es Teilgenehmigungen, nämlich für die weißen Burgundersorten.

Im Grunde könnte man sich jetzt auch gerade machen und die Aufsäuerung generell genehmigen, anstatt jedes Jahr ein paar Wochen herumzueiern und am Ende dann doch die Genehmigung zu erteilen, weil die Verbände es für nötig halten. Das würde dem ganzen auch den Geruch der Halblegalität nehmen. Analytisch nachzuweisen ist die Aufsäuerung eh nicht, da kann jeder im Dunkel seines Kellers wirken wie er will, Genehmigung nun hin oder her.

Ansonsten: ich glaube gerne, dass es Winzer gegeben hat, die in 18 ohne Aufsäuerung ausgekommen sind - in den nördlicheren Anbaugebieten sind das vielleicht sogar viele. Ich glaube aber auch, dass es Winzer gibt, die trotz Aufsäuerung sehr gute Weine in die Flasche gebracht haben oder noch bringen werden. Mir ist es viel zu einseitig, die resultierende Weinqualität an einer einzigen kellertechnischen Maßnahme festmachen zu wollen.

Grüße,
Ulli
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Blaufränkisch

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Re: Deutschland 2018

BeitragMi 6. Mär 2019, 20:38

Hallo Leo,

mit Verlaub, aber diese Größenordnung halte ich für ein Gerücht:

Bei steigendem Pressdruck verringerten sich
Mostsäuren in 2018 ganz rapide, das konnten durchaus 3 bis 4 Gramm pro Liter sein.

Ganztraubenpressung und reduzierter Pressdruck können tatsächlich einen etwas höheren Säuregehalt bewirken, weil sie weniger Kaliumauslaugung aus der Schale mit sich bringen und dadurch in Folge weniger Weinsteinausfall, d.h. weniger spätere natürliche Säurereduktion des Mostes oder Weines. Realistisch ist allerdings allerhöchstens die Hälfte der von dir angegebenen Werte als Maximalwert. Leider habe ich auf die Schnelle nur folgende Quelle gefunden, um meine eigenen Erfahrungen zu stützen: https://www.wagner-alzey.de/files/KIS%2 ... lagen,%20Säuerung,%20Herbsttagung.pdf

Darin heißt es:
Auch durch Ganztraubenpressung können im Vergleich zur Maischestandzeit aufgrund geringerer Kaliumextraktion schlanke Weine, mit bis zu 1 g/l höheren Gesamtsäurewerten vinifiziert werden.


Zur Säuerung habe ich übrigens erst unlängst hier was geschrieben, falls es interessiert: http://www.bernhard-fiedler.at/weblog/?p=7007

Herzliche Grüße

Bernhard
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
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niers_runner

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 7. Mär 2019, 08:33

schade finde ich, dass die Aufsäuerung nicht deklariert werden muss.
Ich würde auch gerne wissen, ob in erster Linie die Massenweine beim Discounter betroffen sind oder ob es weit verbreitete Praxis ist? Und wie sieht es bei den GG's aus?

Beste Grüße

Peter
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 7. Mär 2019, 09:40

niers_runner hat geschrieben:schade finde ich, dass die Aufsäuerung nicht deklariert werden muss.

Warum sollte sie es? Die Chaptalisierung von Qualitätsweinen ohne Prädikat muss ja auch nicht deklariert werden, und in diese Kategorie fällt in "trocken" zumindest beim VDP alles, auch die GGs. Die Sachlage ist exakt die selbe: es landet im Wein nichts, was nicht ohnehin schon drin ist, nur die Menge wird verändert.
Ich würde auch gerne wissen, ob in erster Linie die Massenweine beim Discounter betroffen sind oder ob es weit verbreitete Praxis ist?

In einem Jahr wie 2018 würde ich davon ausgehen, dass das Aufsäuern eine sehr weit verbreitete Praxis ist und durchaus nicht nur das untere Segment betrifft. Am Ende wird es hauptsächlich zwei Sorten von Erzeugern geben: solche, die das Aufsäuern freimütig zugeben, und solche, die es nicht zugeben, aber zumindest bei einzelnen Weinen dennoch praktiziert haben :lol:
Und wie sieht es bei den GG's aus?

Verboten ist es jedenfalls nicht, und in einem Parallelthread hatte ich von einem hoch renommierten badischen VDP-Winzer berichtet, der auf Nachfrage erzählt hat, dass er seine 2015er weißen GGs aufgesäuert hat. Es wird also auch tatsächlich praktiziert. Wie häufig - da habe ich keine Ahnung. Denn siehe oben: der Erzeuger ist nicht auskunftspflichtig.

Ich habe übrigens mal nachgeschaut, wie die Biodynamiker es halten - die verbieten sonst ja so ziemlich jeden Zusatz bei der Weinbereitung. Aber hier nicht: Weinsäure ist in den Demeter-Richtlinien für Wein als Zusatzstoff zur Säureregulation explizit zugelassen. Und die würden es ganz bestimmt nicht zulassen, wenn nicht der eine oder andere Demeter-Winzer das auch benötigen würde.

Wenn es einen wirklich interessiert, wird man direkt beim Erzeuger nachfragen müssen - und dabei hoffen, nicht belogen zu werden.

Gruß
Ulli
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niers_runner

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 7. Mär 2019, 22:42

Hallo Ulli,

zunächst einmal auch von mir vielen Dank für Deine wirklich fundierten Beiträge in diesem Forum.

Bisher habe ich mich nur mit einem Winzer über das Thema Aufsäuerung der 18er Rieslinge an M-S-R unterhalten können, einer meiner Lieblingswinzer von der Saar, E.W. Für ihn ist die Aufsäuerung ein absolutes no-go.
Auch sonst ein Winzer old school, keine Herbizide, Spontanvergärung und Ausbau im Holzfass.
Das wird dann wohl im Mai eine größere Bestellung werden. :D

Beste Grüße

Peter
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olifant

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Re: Deutschland 2018

BeitragFr 8. Mär 2019, 09:46

UlliB hat geschrieben:Wenn es einen wirklich interessiert, wird man direkt beim Erzeuger nachfragen müssen - und dabei hoffen, nicht belogen zu werden.


... ganz einfach auf den Punkt gebracht ;)
Grüsse

Ralf

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