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Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

Berichte, Erfahrungen, Prophezeiungen
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glycosid

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragDi 10. Nov 2015, 13:34

harti hat geschrieben:Hallo Jürgen und Manuel,

fühle mich nicht provoziert, sondern missverstanden 8-) ...

Ist ja auch nicht so schlimm. ;)

Aber auf jeden Fall hast du ziemlich pauschal "von den ach so tollen Cru Bourgeois" gesprochen und mit der Formulierung, dass "Grüne Lese, Ultraselektion und 100 % Barrique das Terroir nicht ersetzen" könnten, für meine Begriffe letztlich die Behauptung aufgestellt, dass ein Cru Bourgeois immer auf minderwertigem Terroir wüchse und/oder das echte Bordeaux-Terroir per se nicht zum Ausdruck bringen und/oder kein "richtig guter Bordeaux" sein könne, eben weil es "nur" ein Cru Bourgeois ist.

Eine solche verallgemeinernde Aussage, wenn sie denn so gemeint sein sollte, ist aber meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht völlig unhaltbar - und kann sicherlich auch nicht damit gestützt werden, dass man einen Haut-Brion mit einem Poujeaux vergleicht...
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Desmirail

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragDi 10. Nov 2015, 19:19

@glycosid,

Danke für die Vorwegnahme meiner ähnlichen Gedanken.

@Hartmut,

ich hatte auch ehr eine Pauschalisierung bei Dir im Kopf als Du von Comtesse, einem Conseillante oder einem Haut Brion etc. schriebst.

Natürlich hast Du recht, ein Poujeaux, Rollan de By, Sénéjac kein GC, aber eben auch nichts anderes, es sind keine GC. Ein Pibran ist z.B. viel Terroir für's Geld, und zwar Pauliac!

Und obwohl vieles immer auf die Terroir Idee hingedeutet wird, sind doch viele Blidtastigs im Zweifel aussagekräftiger, da die verkostende Person nicht durch einen Namen geblendet oder ein Wein mit Vorschußlorbeer belegt wird. Ich erinnere immer wieder gern an das Unbelievable blind tasting of the finest Bordeaux wines. Klar, auch das kann man verreißen und seinen Ansprüchen und Konzepten anpassen, jedoch ist dies in der Tendenz ehr unabhängig als das, was man sonst so zu sehen oder lesen bekommt.

Die Illusion ist ein scharfes Schnittchen ... man kann sich auch mal schnell vergucken. ;)
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glycosid

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragMi 11. Nov 2015, 02:37

Desmirail hat geschrieben:Die Illusion ist ein scharfes Schnittchen ... man kann sich auch mal schnell vergucken. ;)

Ja, in der Tat, genau so ist es: Die grundsätzliche und dabei zahllosen, mehrheitlich unbewussten Einflüssen unterliegende Subjektivität menschlicher Geschmacksempfindung - und insbesondere die Allgegenwart des Placebo-Effektes - wird bis in die erlesensten Verkoster-Kreise hinein oft maßlos unterschätzt oder gar ignoriert. 8-)
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Alas

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragMi 11. Nov 2015, 04:03

Hallo!
glycosid hat geschrieben:Ja, in der Tat, genau so ist es: Die grundsätzliche und dabei zahllosen, mehrheitlich unbewussten Einflüssen unterliegende Subjektivität menschlicher Geschmacksempfindung - und insbesondere die Allgegenwart des Placebo-Effektes - wird bis in die erlesensten Verkoster-Kreise hinein oft maßlos unterschätzt oder gar ignoriert. 8-)


Das sehe ich auch so. Dennoch muß der Mythos vom Wein X oder Y unterstützt werden, aus ökonomischen Gründen z.B., bzw. die Erwartung aufgrund des Preises eine Rechtfertigung von 'objektiver' Seite erfahren, und immer wieder bestätigt werden. Eigentlich ist es ja der Mythos und der Preis, der die subjektive Erfahrung bestimmt, jedenfalls in den meisten Fällen,
Und das wurde hier gut belegt:
viewtopic.php?f=7&t=3429&p=74833&hilit=aufbau#p74833

Auch in anderen Umständen (Vorkoster) wurde gezeigt, dass die Wahrnehmung sich täuscht, wenn der gleiche Apfel einmal mit und einmal ohne Prädikatsaufkleber angeboten wird. Der Kunde will dann überhaupt nicht glauben, dass es der gleiche Apfel ist.

Letztendlich ist es eine Frage, wie man denn über so subjektive Erfahrungen überhaupt kommunizieren kann. Vielleicht nur, wenn man jegliche Objektivität von sich weißt, aber das ergibt bestimmt keine gute Vermarktung.

MfG

Alas
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harti

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragMi 11. Nov 2015, 14:58

Desmirail hat geschrieben:Klar, auch das kann man verreißen und seinen Ansprüchen und Konzepten anpassen, jedoch ist dies in der Tendenz ehr unabhängig als das, was man sonst so zu sehen oder lesen bekommt.

Hallo Manuel,

den in der Probe so hervorragend besprochene Reignac habe ich hier im Forum wärmstens empfohlen. Leider habe ich mir damit einen totalen Verriss eingehandelt ;) :

viewtopic.php?f=21&t=220&hilit=Reignac&start=30#p64490

Zum Thema GJE habe ich mich bereits an anderen Stellen geäußert, deswegen hier nur eine Bemerkung: Wenn man in einer Blindprobe völlig verschlossene 1ers verkostet, kann man kein besonders aussagefähiges Ergebnis erwarten.

Grüße

Hartmut
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innauen

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragMi 11. Nov 2015, 15:59

Hallo,

Blindproben liefern das gewünschte Ergebnis von David gegen Goliath besonders im jungen Stadium. So war es beim beschriebenen Reignac 2001, der 2009 gegen mutmaßlich ziemlich verschlossene andere Jahrgangsvertreter antrat. Oder Patris 1998, der ja angeblich mit Petrus verwechselt wurde. Gegen solche Jungspundvergleiche ist nichts einzuwenden. Zumal immer mehr Weine früh getrunken werden. Wenn wir die Probe 2019 wiederholen, wird das Ergebnis anders ausfallen. Premier Cru rangieren preislich auch deshalb seit 150 weit oben, weil sie in der Regel gut altern können.

Grüße,

wolf

P.S. Und um der Nachfrage vorzubeugen. Na klar kann Poujeaux zB wunderbar altern. Aber die Masse der Cru Bourgeois ist dafür hergestellt in einem Alter zwischen 5-15 Jahren getrunken zu werden - was ja auch immer mehr der Praxis entspricht.
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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glycosid

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragMi 11. Nov 2015, 17:46

harti hat geschrieben:Zum Thema GJE habe ich mich bereits an anderen Stellen geäußert, deswegen hier nur eine Bemerkung: Wenn man in einer Blindprobe völlig verschlossene 1ers verkostet, kann man kein besonders aussagefähiges Ergebnis erwarten.

innauen hat geschrieben:Gegen solche Jungspundvergleiche ist nichts einzuwenden. Zumal immer mehr Weine früh getrunken werden. Wenn wir die Probe 2019 wiederholen, wird das Ergebnis anders ausfallen.

Mal abgesehen davon, dass man mit Argumenten dieser Art durchaus nicht immer richtig liegen muss: Hier geht es doch um etwas ganz anderes, nämlich um die irgendwie immer noch/wieder im Raume schwebende Behauptung, dass Cru Bourgeois per se nur eine Art niederes Bordeaux-Fußvolk sein könnten und die "adeligen" Gewächse in einer gänzlich anderen und von jenen völlig unerreichbaren Terroirsphäre schwebten.

Dass das so nicht stimmen kann, belegen nicht nur viele Blindverkostungen. Schon wenn man sich nur einmal vergegenwärtigt, zu welchen Zeiten und auf welche Weise die besagten Klassifizierungen überhaupt zustande gekommen sind, muss einem doch klar werden, dass man es hier nimmermehr mit ein für allemal gesetzten, objektiven und unumstößlichen Qualitäts-Hierarchie-Fakten zu tun haben kann.

Um damit wieder auf den Ausgangspunkt der kleinen Debatte zu kommen: Für alle Bordeaux-Liebhaber, die sich ihren allsonnabendlichen Haut-Brion neuerdings nicht mehr leisten können, gibt es in Anbetracht des gesamten Wein-Angebotes aus dieser Region meiner Meinung nach "objektiv" eigentlich keinen wirklichen Grund zum Jammern und Wehklagen - "subjektiv" vielleicht schon... :)
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Desmirail

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragMi 11. Nov 2015, 22:02

innauen hat geschrieben:Wenn wir die Probe 2019 wiederholen, wird das Ergebnis anders ausfallen.



... und das halte ich für fraglich, wobei man sogar noch fragen muss, wann ist ein Wein grundsätzlich richtig da um ihn zu trinken :?: Was ist wenn Du eine schlechte Flasche in diesem Moment hast?

Diese Diskussion ist so oft geführt und die Fraktionen werden nie zusammen kommen. Es gibt die, die meinen nur ein GC kann wirklich gut sein und es gibt die, die sagen es muss nicht ein GC sein um Terroir und was weiß ich zu schmecken.

Das ganze ist eine Glaubensangelegnheit!

Argumente aufzufahren wie: Ja, in 15 Jahren mußt Du den mal probieren, da wirst Du aber Augen machen ... das ist quatsch! Was ist das für eine denke?

Es geht um Glauben, sonst um nichts.

Parker hat den besagten 2005er Reignac übrigens mit 93 Points bewertet und wundert sich, wie frisch der Wein ist. Mal nachgedacht?

Hier im Forum sagen Leute: bääh, was'n das?

Jeder glaubt das was er will und es wird Leute geben die glauben das das was sie glauben in jedem Fall das richtige ist oder besser. Höher, schneller, weiter ... was man 1855 schon alles über Terroir wußte war ... nichts! Stellt man sich die Frage, was die damaligen Kriterien für die Klassifizierung waren wird man schnell feststellen, dass es auch hätte anders kommen können. Die heutige Einteilung 1.-5. Cru ist leider, wie vieles im Leben, nur Zufall. Nichts weiter!
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glycosid

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragDo 12. Nov 2015, 00:29

Übrigens: Die versammelten Verkoster jenes lustigen Blind-Tastings waren ja allesamt Profis, von dene einige ihre Bewertungen und Urteile in wichtigen Publikationen veröffentlichen. Da hätte man in Hinsicht auf das Erkennen offiziell hochrangiger Gewächse doch wenigsten Aussagen wie z.B. diese erwartet: "Ein großer Wein, im Moment aber noch viel zu verschlossen, weil zu jung - wird etwa in .... Jahren in Hochform sein." Da kam erstaunlicherweise aber leider nicht so viel.

Vielleicht sollte man dies einfach mal im Hinterkopf behalten, wenn im nächsten Frühjahr - nach den Nicht-Blind-Primeur-Marathons - wieder die Zensuren für die sich gewissermaßen noch im Rohbau befindlichen 2015er durch's Netz schwirren und man Juroren-Urteile wie diese lesen kann:

Château Migraine 87,75-96,01 Punkte, Trinkreife 2021-2023
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sorgenbrecher

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Re: Bordeaux 2015 - fettes Jahr, fette Preise?

BeitragDo 12. Nov 2015, 06:57

ich habe die erfahrung gemacht, dass in blindproben mit weinen im fenster ihrer trinkreife gerade bei bordeaux die klassifizierten gewächse fast immer eindeutige sieger waren. natürlich gibt es auch hier varianzen, aber die probenstatistik vieler blindproben mit verschiedenen teilnehmern aus dem freundeskreis ist eindeutig.
auch im bereich der absoluten spitze ist es aus meiner sicht sehr eindeutig und wenn man es in punkte übersetzen mag, dann spielt meiner erfahrung nach auch bei offenen verkostungen das etikett in diesem bereich keine große rolle. man ist eher geneigt durchschnittlichen weinen einen namensbonus zu geben und bewertet vielleicht mal einen 88-Punkte Mouton, Margaux, Lynch-Bages, Comtesse,.... aus schlechtem Jahr mit 92 Punkten aufgrund des Renommees, aber in der Spitze hat das keinen nennenswerten Einfluss mehr, die Einigkeit (auch und gerade in Blindproben) darüber was wirklich große Weine jenseits der 97 Punkte sind, ist für mich in Proben mit erfahrenen Verkostern auch jenseits des individuellen Geschmacks immer wieder erstaunlich.

Darüber hinaus ist es nur verständlich, dass man angesichts der Preisentwicklung der Topweine günstigere Alternativen sucht und manchmal werden auch Weine aus diesem Grund hoch und schön geredet. Das das hervorragend als Marketingstrategie funktioniert, zeigen die permaneten Vergleiche großer Weinhändler von "kleinen" Weinen mit allseits bekannten Spitzengewächsen. Die Wahrheit aber ist, dass es zwar im Mittelfeld durchschnittlicher, guter Weine eine Menge günstiger Alternativen gibt, in der Spitze allerdings leider keine. Der Geschmack einer 1982er Comtesse, eines 1989er oder 1990er Haut-Brion, eines 1990 Chateau Margaux,... ist leider nicht für den Bruchteil eines Preises irgendwo anders zu finden.
Gruß, Marko.
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